Neue Warnung vor Einigung zwischen Vatikan und China
Vatikan/China ‐ In die Beziehungen zwischen dem kommunistischen China und dem Vatikan ist Bewegung gekommen. Das klingt zunächst nach einer guten Nachricht für die unterdrückten Christen. Doch nicht alle sehen die Entwicklung positiv.
Aktualisiert: 19.03.2024
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In die Beziehungen zwischen dem kommunistischen China und dem Vatikan ist Bewegung gekommen. Das klingt zunächst nach einer guten Nachricht für die unterdrückten Christen. Doch nicht alle sehen die Entwicklung positiv.
Der Vatikan hat dieser Tage einige ziemlich große Baustellen. Eine davon ist China. Dort herrscht Verunsicherung unter den Katholiken – weil Rom mit der Führung in Peking offenbar konkret über die Besetzung von Bischofsstühlen verhandelt.
Eine Besonderheit im chinesischen Katholizismus ist die Trennung in quasi zwei Gemeinschaften: die vom Staat anerkannte sogenannte Patriotische Vereinigung und die romtreue sogenannte Untergrundkirche. Teilweise existieren sie an einem Ort nebeneinander. Offizielle diplomatische Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Peking gibt es nicht; die Hauptstreitpunkte: die Anerkennung Taiwans durch den Vatikan – und eben die Frage der Bischofsernennungen. Ist das eine Hoheitsaufgabe des Staates – oder das ureigene Vorrecht des Papstes?
Von den rund 100 chinesischen Bischöfen sind 7 „patriotische“ von Rom nicht anerkannt, davon 3 ausdrücklich exkommuniziert. Umgekehrt amtieren 30 bis 40 Untergrundbischöfe ohne Genehmigung Pekings. Mehr als die Hälfte aller Amtsträger sind unstrittig. Es scheint, dass nach Jahrzehnten des Ringens nun grundsätzlich Bewegung in die Sache kommen könnte.
Beide Seiten verhandeln derzeit hinter verschlossenen Türen über eine künftige gegenseitige Anerkennung der strittigen Kandidaten. Für Aufsehen und Unmut sorgen Informationen, wonach Rom bereit sein soll, zwei romtreue Untergrundbischöfe zum Amtsverzicht zu bewegen, um im Rahmen einer Gesamteinigung mit Peking Platz für die patriotischen Kandidaten zu machen.
Auch Experten sind sich offenbar nicht sicher, was tatsächlich vor sich geht. Wenig bis gar nichts dringt vom Inhalt der Verhandlungen nach außen. Auch Katholiken vor Ort tappen im Dunkeln, fühlen sich nicht mitgenommen. Die Befürchtung: Was wird aus uns, wenn Rom über unsere Köpfe mit der Regierung paktiert? Sogar neue Spaltungen werden nicht ausgeschlossen, sollten bislang Romtreue den vatikanischen Kurs nicht mitgehen wollen. Dazu kommt das Risiko: Welche möglichen Zusagen hält das kommunistische Regime überhaupt ein?
Wortführer der Kritiker ist ausgerechnet ein Kardinal: Joseph Zen Ze-kiun, von 2002 bis 2009 Bischof von Hongkong. Der 86-Jährige ist der Freigeist unter den Bischöfen im so höflichen China. In China sei „alles Fake“, sagt er etwa. Solange die Kommunistische Partei regiere, herrsche eine „Kultur der Lüge“. Allerdings reibt man sich verwundert die Ohren angesichts der scharfen Töne, die der Kardinal dieser Tage auch in Richtung Rom sendet. Von „Ausverkauf“ ist da die Rede, von „Unkenntnis“, „Fehleinschätzungen“, „Naivität“.
Am Samstagabend hat Kardinal Zen in Bonn den Menschenrechtspreis der Stephanus-Stiftung für verfolgte Christen erhalten. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) betonte er, kein Abkommen sei besser als ein schlechtes Abkommen. Es gebe Leute im Vatikan, wie Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, die „ein Abkommen um jeden Preis wollen“. Da liege der Fehler – „nicht beim Papst“.
Der Kardinal sorgt sich vor allem um die sogenannten Untergrundkatholiken: „Nach all diesen Jahren, in denen sie so viel gelitten haben. Rom hat ihnen immer gesagt: Haltet durch. Und jetzt soll es plötzlich heißen: Ergebt euch. Das ist eine Tragödie.“ Selbst in Kirchen würden Überwachungskameras installiert. „Wie kann der Vatikan in solch eine Regierung Hoffnungen setzen?“
Für Katharina Wenzel-Teuber, Chefredakteurin der vom China-Zentrum in Sankt Augustin bei Bonn herausgegebenen Zeitschrift „China heute“, würde der Verhandlungskurs Pekings durchaus in den Kontext des neuen chinesischen Religionsgesetzes passen, das Anfang Februar in Kraft trat und dem Staat mehr Kontrolle und Durchgriff auf inoffizielle Religionsgemeinschaften verschafft. Die bisherigen Grauzonen, innerhalb derer eine gewisse Toleranz der lokalen Behörden etwa für sogenannte Hauskirchen möglich war, sollen nun besser ausgeleuchtet, die Spielräume geringer werden.
„Ein Auge auf und ein Auge zu“, so beschreibt Wenzel-Teuber die bisherige Praxis. Allerdings: Auch die romtreue Untergrundkirche agiert immer schon ohne gesetzliche Grundlage. Ein Zugriff des chinesischen Staates wäre im Ernstfall jederzeit möglich.
© KNA