Chinas Kirche - spannend und liebenswert

Chinas Kirche - spannend und liebenswert

China ‐ Der Steyler Missionar Pater Martin Welling, Leiter des China-Zentrums in Sankt Augustin, ist Anfang der Woche von einer China-Reise zurückgekommen - kurz vor dem Weltgebetstag für die Kirche in China. Wir sprachen mit ihm über die Lage der Christen im Land und die Verhandlungen zwischen China und dem Vatikan.

Erstellt: 26.05.2017
Aktualisiert: 19.03.2024
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Der Steyler Missionar Pater Martin Welling leitet seit 2012 das China-Zentrum in Sankt Augustin. Anfang der Woche kam er von einer China-Reise zurück - kurz vor dem Weltgebetstag für die Kirche in China. Wir haben mit ihm über die Lage der Christen in dem Land, die Verhandlungen zwischen China und dem Vatikan und Eindrücke seiner Reise gesprochen. Lesen Sie hier die Fortsetzung des Interviews.

Frage: Pater Welling, Sie sind frisch von einer China-Reise zurückgekehrt. Wen haben Sie dort getroffen und welche Eindrücke bringen Sie mit?

Welling: Wir haben unter anderem Bischof Lishan und andere Priester der Diözese Peking getroffen, während in Shanghai der Bischofsstuhl gegenwärtig unbesetzt ist. Des Weiteren haben wir Pfarreien, ein Waisenhaus, zwei Altersheime mehr in Städten in der ländlichen Gegend besucht, wo wir doch sehr beeindruckt waren von dem missionarischen Eifer der Katholiken dort, wie sie versuchen, bisweilen auch gegen die Vorschriften, den Menschen das Evangelium nahezubringen.

Anders als die protestantischen Hauskirchen hat die katholische Kirche ihre Basis auf dem Land. Hier finden sich aber nur noch kleine Kinder – „Kinder ohne Nestwärme“, weil sie oft ein ganzes Jahr oder länger von ihren Eltern getrennt sind, die als Wanderarbeiter oder „Wander-Unternehmer“ in den großen Städten Chinas arbeiten und nur selten nach Hause kommen – und alte Leute, die nicht selten mit der Erziehung der kleinen Kinder physisch und psychisch überfordert sind. Hier ist es schwer, eine passende Pastoral zu finden. Die Kirche wird sich mehr und mehr auf die Städte konzentrieren müssen, um den wandernden Schäfchen dort Kraft und Trost zu vermitteln. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass die Kirche Chinas liebenswert und sehr spannend zugleich ist!

Bild: © China-Zentrum

Frage: Vergangenen Mittwoch, am 24. Mai, war der Weltgebetstag für die Kirche in China. Wie war Ihr Eindruck von der Situation der Christen – besonders von der Untergrundkirche vor Ort?

Welling: In China gibt es nur eine katholische Kirche, die sich allerdings verwirklicht in zwei Gemeinschaften: einmal in der sogenannten Patriotischen Vereinigung, die offiziell bei der Regierung registriert ist und sich – zähneknirschend – deren Kontrollen unterwirft, also die „offene“ oder „offizielle Kirche“, und die andere Gemeinschaft, die sich jeglicher Registrierung und Kontrolle vehement widersetzt, die sogenannte „Untergrundkirche“. Beide stehen treu zum Papst und zur weltweiten katholischen Kirche!

Es gibt allerdings auch Gruppen der Untergrundkirchen, die sehr fundamentalistisch, echt „militanter“ Untergrund sind. Diese sind nicht bereit, irgendwie mit der kommunistischen Regierung Kompromisse einzugehen und sich etwa registrieren zu lassen. Sie wollen nicht nur nicht mit der Regierung zusammenarbeiten, sondern auch nicht mit der „offenen Kirche“. So haben sie keine eigenen Kirchengebäude, müssen in Wohnungen die Heilige Messe feiern, in Verstecken die Priesteramtskandidaten heranbilden, leben immer in der Sorge, entdeckt und bestraft zu werden, weil ihre unregistrierten Versammlungsorte illegal sind. Beispiele dafür gibt es zu Hauf – auch in den Hauskirchen, wo die Leute wegen illegaler religiöser Handlungen verhaftet werden. Sie nehmen all das in Kauf und erwarten das von allen Katholiken Chinas.

„Es ist interessant, zu sehen, mit welcher Kreativität diese Gemeinden versuchen, eine außerhalb der Kirchengebäude verbotene Evangelisierung durchzuführen. Respekt!“

—  Zitat: Pater Martin Welling, Leiter des China-Zentrums in Sankt Augustin

Andere Gruppen der Untergrundkirche haben ihre eigenen Gebetshäuser, bisweilen teilen sie sich diese sogar mit der offenen Kirche. Sie können fast öffentlich arbeiten, werden aber immer wieder ermahnt und auch bedroht, sich registrieren zu lassen. In manchen Provinzen und Gegenden ist die Kirche sehr stark, dort unternehmen die lokalen Beamten nur wenig, aber in anderen kommt es schon immer wieder zur Auflösung von Veranstaltungen, kurzzeitigen Verhaftungen. Es ist interessant, zu sehen, mit welchen Tricks und mit welcher Kreativität diese Gemeinden versuchen, Schlupflöcher in den Gesetzen und Verordnungen zu finden, um doch ein reges, lebendiges Gemeindeleben und eine intensive, außerhalb der Kirchengebäude verbotene, Evangelisierung durchzuführen. Respekt!

Bild: © China-Zentrum

Frage: Der Weltkirche-Bischof Ludwig Schick hat zum Anlass des Weltgebetstages für die Kirche in China betont, die aktuellen Verhandlungen zwischen Vatikan und China seien in einer sehr wichtigen Phase, ein Konsens bei den Bischofsernennungen könne ein Meilenstein sein.

Welling: Sollte es dazu kommen, wäre dies tatsächlich ein Meilenstein in der Geschichte der chinesischen Kirche, aber es ist nicht klar, ob sich ihre Situation dadurch verbessern oder vielleicht sogar verschlechtern würde. Hier geht es schließlich um die Frage, wer am Ende die Macht über die katholische Kirche Chinas hat, China oder der Heilige Stuhl.

In den 90er Jahren geschah das noch recht informell, China und der Vatikan haben Bischofsernennungen zumeist im Geheimen unkompliziert abgesprochen. Bestimmte Geschehnisse um das Jahr 2000 herum, allen voran die Heiligsprechung der chinesischen Märtyrer am höchsten Festtag der kommunistischen Partei, haben die Chinesen dann veranlasst, gegen Einwände des Vatikan eigene Bischöfe zu ernennen, unter anderem sogar unter polizeilichem Zwang, mittels Entführungen oder Hausarresten. Die Selbsternennung der Bischöfe durch die Volksrepublik China wurde unterdessen zum unabdingbaren Prinzip erhoben. Unter dem neuen Papst Franziskus und unter Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin begannen dann im April 2014 neue Verhandlungen.

Bis Ende 2016 haben sich die Delegationen schon fünf Mal getroffen. Die Teilnehmer wurden nie öffentlich gemacht, auch wenn viel durchsickerte, die Inhalte sind eigentlich geheim und so schwirren viele Halbwahrheiten im Dschungel der kirchlichen Gerüchteküche herum.

Das Hauptthema scheint aber zu sein, wer wie die Bischöfe ernennt, vor allem, wer das letzte und entscheidende Wort dabei hat. Der Heilige Stuhl hat laut dem Zweiten Vatikanischen Konzil und nach dem Kirchenrecht einen Alleinanspruch auf Bischofsernennungen.

Die Volksrepublik China wiederum erhebt nach ihrem Grundgesetz für sich selbst auch diesen Anspruch, da es dort nach Paragraph 36 heißt: Die religiösen Organisationen und Angelegenheiten dürfen von keiner ausländischen Kraft (sprich: Vatikan) beherrscht werden. Die Verhandlungen sind äußerst schwierig. Ob sie gut stehen oder nicht, darüber streiten sich die China-Spezialisten auf der ganzen Welt und ebenso die Geistlichen in China selbst. Abwarten!

Das Interview führte Claudia Zeisel.

© weltkirche.katholisch.de

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