Taiwan auf der Landkarte
Künftiger US-Präsident Trump gibt Rätsel auf

Taiwan bangt um Unterstützung bei der Verteidigung gegen China

Taipeh  ‐ Einst galt er als Freund, nun sind die Taiwaner unsicher, was in seiner zweiten Amtszeit von US-Präsident Trump zu erwarten ist. Ein Krieg um Taiwan hätte auch für Deutschland schwere Folgen.

Erstellt: 10.01.2025
Aktualisiert: 10.01.2025
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Von Andreas Landwehr (KNA)

Die Taiwanstraße, eine 180 Kilometer breite Meerenge zwischen dem chinesischem Festland und Taiwan, gilt als einer der gefährlichsten Krisenherde der Welt. Zugleich ist sie eine der am dichtesten befahrenen Wasserstraßen der Welt. Die USA und zahlreiche andere Länder betrachten die Schifffahrtsroute als internationales Gewässer - China bestreitet das und beansprucht Taiwan und die umliegenden Gewässer als Teil seines Hoheitsgebietes.

Während der seit Jahrzehnten schwelende Konflikt zwischen Taiwan und China sich zuletzt zuspitzte, bringt der Amtsantritt von Donald Trump als künftiger US-Präsident neue Unsicherheiten für den Inselstaat mit sich.

In seiner Neujahrsansprache warnte Taiwans neuer Präsident Lai Ching-te vor einer „veränderten internationalen Landschaft“. Angesichts des wachsenden Drucks aus China müsse sich die demokratische Inselrepublik auf Gefahren vorbereiten: „Wir müssen unseren nationalen Verteidigungshaushalt weiter erhöhen.“ Es gehe nicht nur um Demokratie und Sicherheit für die 23 Millionen Taiwaner, sondern auch um globale Sicherheit und Wohlstand.

Der historische Konflikt ist komplex und erfordert Fingerspitzengefühl, für das Trump nicht bekannt ist. Die kommunistische Führung Chinas betrachtet Taiwan als Teil der Volksrepublik, obwohl die unabhängig regierte Insel nie dazu gehört hat. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping droht mit einer Eroberung, sollte eine friedliche „Wiedervereinigung“ unmöglich sein. Der 71-Jährige will die Aufgabe nicht von Generation zu Generation weiterreichen - sondern noch zu Lebzeiten abschließen. Die Taiwaner wollen jedoch nichts von einer „Wiedervereinigung“ wissen; die überwältigende Mehrheit will den Status quo bewahren.

Was wird Trump in seiner zweiten Amtszeit als US-Präsident tun? Im Präsidentenpalast in Taipeh wird an „bedeutende Fortschritte“ in den Beziehungen zu den USA während Trumps erster Amtszeit von 2017 bis 2021 erinnert. „Viele ranghohe Beamte sind nach Taiwan geschickt worden. Unsere Sicherheitskooperation im Hinblick auf militärische Unterstützung war recht konkret und sehr lebendig“, sagt ein Mitarbeiter des Präsidenten, der anonym bleiben will.

Galt Trump in seiner ersten Amtszeit als Freund Taiwans, können sich die Taiwaner heute nicht mehr sicher sein. Im Wahlkampf forderte Trump, die Insel müsse für Schutz durch die USA zahlen und mehr für die eigene Verteidigung tun. Auch warf er der weltweit führenden Halbleiter-Industrie in Taiwan vor, den hinterherhinkenden US-Chip-Herstellern das Geschäft „gestohlen“ zu haben. Zudem geht in Taiwan die Sorge um, Trump könne mit Xi Jinping einen Deal zum Ausverkauf Taiwans machen.

Es ist seine Sprunghaftigkeit, die Taiwan besorgt. Trump selbst spielt mit dieser Eigenschaft und will glauben machen, dass sie Chinas Präsidenten von einer Invasion Taiwans abhalten wird. Die USA müssten nicht militärisch eingreifen, weil Xi „weiß, dass ich verdammt verrückt bin“, so Trump.

Ob Taiwan in Trumps zweiter Amtszeit sicherer oder gefährdeter ist, vermögen Experten nicht vorherzusagen. „Wir sind sehr besorgt. Er ist höchst unberechenbar“, sagt Chen Ming-chi, einst Vizeminister und im Sicherheitsrat der früheren Präsidentin Tsai Ing-wen.

Seit Trumps erster Amtszeit hat sich einiges verändert. Xi zeigt weniger Geduld gegenüber Taiwan. China hat weiter aufgerüstet und seine Provokationen in der Taiwanstraße verstärkt. Die Fähigkeiten zu einer Blockade oder einer amphibischen Landung wurden verbessert. Nach zwei Großmanövern im Mai und Oktober gab es im Dezember mit mehr als 90 Marineschiffen und Dutzenden Flugzeugen die größte Machtdemonstration seit fast drei Jahrzehnten.

„Es ist eine echte Bedrohung“, sagt Chen Ming-chi. Ohne die USA gehe es nicht. „Angesichts des Größenunterschieds sind wir nicht in der Lage, Chinas Übernahme Taiwans zu verhindern - wir können es nur bis zu einem gewissen Punkt irgendwie schaffen, aber dann brauchen wir Hilfe von außen“, warnt der Experte.

Die Folgen einer solchen Eskalation wären erheblich. Fast die Hälfte der weltweiten Containerflotte fährt durch die Meerenge. Taiwan produziert mehr als 90 Prozent der Halbleiter, die in Smartphones, Datenzentren oder Waffensystemen zum Einsatz kommen. Eine Lieferstörung könnte die Weltwirtschaftsleistung nach Schätzungen der US-Denkfabrik Center for Strategic and International Studies Billionen US-Dollar kosten.

Ein Krieg um Taiwan dürfte auch Sanktionen gegen China zur Folge haben - ähnlich wie gegen Russland nach dem Angriff auf die Ukraine. Die Folgen wären aber noch viel weitreichender. Immerhin ist China die zweitgrößte Wirtschaftsnation. Hatte sich Europa einst vor allem auf Russlands Energie gestützt, sind die Abhängigkeiten von China heute viel größer und vielschichtiger - und reichen von Kinderhustensaft bis zu seltenen Erden für kritische Technologien. So wäre auch Deutschland schwer von einem Krieg um Taiwan betroffen. Im Auswärtigen Amt werden Studien ernst genommen, wonach die deutsche Wirtschaftsleistung um 15 Prozent einbrechen könnte.

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