Black Elk with congregation at church, undated 1920-1930
Indigene Perspektiven auf Nicholas Black Elk

„Er ließ nie zu, dass sein Katholizismus sein Lakota-Sein abschwächte"

Pine Ridge/Frankfurt/Bonn ‐ Über 30 Jahre diente Nicholas Black Elk seinem Volk als Medizinmann und Katechet, trotz Verfolgung und persönlicher Schicksalsschläge. Zwei Seelsorger aus dem Pine Ridge-Reservat berichten über den Mann, der Lakota-Tradition und katholischen Glauben in Einklang brachte.

Erstellt: 06.08.2025
Aktualisiert: 07.08.2025
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Nicholas Black Elk (1863-1950) war Medizinmann und Katechet der Lakota und gilt als spiritueller Brückenbauer zwischen indigener Tradition und katholischem Glauben. Eine beeindruckende Persönlichkeit, für die ein Seligsprechungsprozess läuft. Über Black Elks Bedeutung für die Lakota-Katholiken und die Weltkirche berichten Diakon Bill White, Vizepostulator der Causa Nicholas Black Elk, und Joyce Tibbitts, Teamleiterin für aufsuchende sozialpastorale Arbeit bei Mahpiya Luta Inc. Beide arbeiten im Pine Ridge-Reservat in South Dakota. Die Fragen stellte P. William Critchley-Menor SJ.

Frage: Welche Bedeutung hatte Black Elk insgesamt für das Volk der Lakota insgesamt – und was bedeutet er heute für Lakota-Katholiken?

Diakon Bill White: Nicholas war sein ganzes Leben lang ein Lakota-Mann des Gebets. Mit seiner Lakota-Spiritualität betete er mit Menschen in deren schwersten Momenten – und gab ihnen Hoffnung. Dann, als Katechet für die katholische Kirche, betete er mit den Menschen und schenkte ihnen Hoffnung in Christus. Für mich (ich spreche nicht für alle indigenen Amerikaner oder alle Katholiken): Trotz aller Prüfungen richtete er seinen Blick immer auf etwas Größeres als unseren Weg auf Erden. Er wusste, dass Gott, wenn unsere Zeit auf Erden zu Ende ist, einen Plan bereit hält. Er hatte erfahren, dass wir alle gemeinsam auf eine Vision, einen Traum  hin leben müssen. Das ist wohl die Botschaft, die wir heute am dringendsten brauchen.

Joyce Tibbitts: Nicholas Black Elk war eine spirituelle Führungsfigur/ein Medizinmann, und er hatte heilige Visionen, die ihm halfen, den weiteren Weg unseres Volk zu erkennen – dadurch hatte er auch das Wissen, Jesus zu unserem Volk zu bringen. Er hatte eine Vision von Jesus und wusste, dass Er der Weg, die Wahrheit und das Leben ist – ein Fundament, auf dem unser Volk aufbauen kann. Er war das Paradebeispiel dafür, wie sich der Katholizismus und das Lakota-Sein begegnen und miteinander verschmelzen können. Er ging buchstäblich hinaus und verbreitete die Botschaft nicht nur unter unserem Volk, sondern auch bei anderen indigenen Nationen.

Joyce Tibbitts steht in einem Raum, im Hintergrund sind indigene und christliche Symbole erkennbar
Bild: © Privat

In Black Elks Fußstapfen: Joyce Tibbitts leitet die aufsuchende sozialpastorale Arbeit im Reservat.

Frage: Wie hat Black Elk seine Lakota-Spiritualität mit seinem katholischen Glauben verbunden?

Tibbitts: Black Elk brachte die beiden Glaubenstraditionen zusammen, indem er sie beide kontinuierlich praktizierte. (Obwohl unsere Lakota-Spiritualität damals verboten war – erst 1976, also 26 Jahre nach Black Elks Tod, bekamen wir endlich die Religionsfreiheit zugestanden, unsere Zeremonien offen abzuhalten.) Er führte heimlich weiterhin traditionelle Heilzeremonien für unser Volk durch, verbrachte aber gleichzeitig viel Zeit in den Gemeinden und unterrichtete unser Volk im Glauben – er liebte es zu predigen und die Menschen über Jesus und eine gute Lebensführung zu belehren. Wie ich bereits sagte, zeigte er unserem Volk durch sein Handeln das, was ich mit sowohl Lakota als auch katholisch sein meine. Er ließ nie zu, dass sein Katholizismus sein Lakota-Sein abschwächte – ebenso wie sein Lakota-Sein seinen Katholizismus. Und genau das machte ihn zu einer großen Persönlichkeit.

White: Wie wir alle befand er sich auf einer Glaubensreise. Schon in jungen Jahren pflegte er eine enge Beziehung zu unserem Schöpfer, die er durch Gebet und Dienst pflegte. Ihm wurden Dinge wie Visionen, Erfahrungen und Reisen zuteil, die ihn prägten und ihn an den Platz führten, den Gott für ihn vorgesehen hatte. Zeit seines Lebens hörte er aufmerksam auf Gott und folgte seinem Weg, wohin er ihn auch führte.

„Er war das Paradebeispiel dafür, wie sich der Katholizismus und das Lakota-Sein begegnen und miteinander verschmelzen können“

—  Zitat: Joyce Tibbitts, Teamleiterin aufsuchende sozialpastorale Arbeit, Mahpiya Luta Inc.

Frage: Was an Black Elks Leben prägt Ihre Arbeit als Seelsorgerin, als Seelsorger?

White: Seine Hingabe und dass er nicht ausgebrannt ist. Er arbeitete als Lakota in schwierigsten Zeiten – in Armut, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Dennoch diente er seinem Volk, dort wo auch immer es sich gerade aufhielt, über 30 Jahre lang und verlor dabei nie seine Großzügigkeit, seinen Sinn für Humor – und stets bereit, zu helfen. Er kannte seine Talente und wusste Gott an seiner Seite. Es wird gesagt, Nicholas [Black Elk, Anm. d. Red.] habe bereits lange vor seinem Tod im Himmel gelebt. Das wünsche ich mir auch.

Tibbitts: Was mich am meisten inspiriert, ist sein Durchhaltevermögen – nichts konnte ihn aufhalten. Ich stelle mir vor, dass er im Alltag mit denselben Herausforderungen und Schwierigkeiten konfrontiert war, wie ich sie in der Seelsorge erlebe. Wenn ich auf seine Zeit zurückblicke, bin ich dankbar für die modernen Annehmlichkeiten, die wir heute haben und die ihm nicht zur Verfügung standen – wie ein Auto, Heizungen in Kirchen. Und auch wenn wir heute in unserem Dienst viel fahren müssen, ist das mit Sicherheit nichts im Vergleich zu dem rauen, brutalen Wetter, das er auf seinen Reisen aushalten musste, nur um den Menschen zu dienen. Das ist es, was mich inspiriert – dass er niemals aufgab und niemanden abwies, der um Gebet bat. Er war und wird immer ein Licht für unser Volk sein. Denn er ist durch Trauer und Krankheit gegangen, hat viele seiner eigenen Kinder und Familienmitglieder verloren, seine Frau überlebt – und hatte dennoch genug Platz in seinem Herzen, um weiter mit den Menschen zu beten, bis er es einfach nicht mehr konnte.

Diakon Bill White, Vizepostulator der Causa Black Elk
Bild: © Privat

Bill White ist Ständiger Diakon und Vizepostulator der Causa Black Elk

Frage: Welche Arbeit leisten Sie und das Seelsorgeteam im Reservat heute?

White: Unser Team betreut von der Mahpiya Luta Mission aus sechs Kirchen. Wir betreiben mehrere Lebensmittelausgaben, Kleiderkammern und Energiekostenbeihilfestellen.

Seelsorgerisch feiern wir wöchentlich sechs Sonntagsmessen in den sechs Kirchen sowie einige Werktagsmessen. Im vergangenen Jahr hielten wir über 75 Beerdigungen. Außerdem feiern wir wöchentlich einen Gemeinschaftsgottesdienst im Pflegeheim, machen regelmäßige Gefängnisbesuche, bei Bedarf auch Kranken- oder Krankenhausbesuche und schauen nach Pflegebedürftigen.

Tibbitts: Ich bin Teamleiterin des Bereichs aufsuchende sozialpastorale Arbeit – ein ziemlich langer Titel –, koordiniere also alle sozialen Dienste der sechs katholischen Kirchen im Pine Ridge Indianerreservat. Ich sorge für Kleidung, Lebensmittel, Hygieneartikel, Notdienste in allen Gemeinden, organisiere und betreue die Totenwachen- und Beerdigungsdienste im ganzen Reservat. Ich koordiniere die Liturgie für die Sonntagsgottesdienste sowie für besondere Messfeiern im Reservat wie bei der Osternacht und der Firmung. Außerdem stimme ich mich mit vielen anderen Organisationen, Spendern und Partnergemeinden ab, um unsere Gemeinden dabei zu unterstützen, Not zu lindern.

„Es wird gesagt, Nicholas habe bereits lange vor seinem Tod im Himmel gelebt. Das wünsche ich mir auch.“

—  Zitat: Bill White, Ständiger Diakon im Bistum Rapid City und Vizepostulator der Causa Nicholas Black Elk

Frage: Was würde Black Elks Heiligsprechung für Lakota-Katholiken bedeuten?

White: Es wäre ein Fest für die Lakota-Katholiken – und auch für die meisten anderen Katholiken. Von Anfang an sagte Bischof Gruss [früher Bischof von Rapid City in South Dakota, in dem das Reservat liegt; heute Bischof von Saginaw, Michigan, Anm. d. Red.], dass es sich dabei nicht um eine „Sache der Indigenen“, sondern um eine „Angelegenheit der Diözese“ handle – also etwas, das alle Katholiken betrifft. Ich hoffe, es wird viele, die die Kirche verlassen haben, zurückbringen.

Tibbitts: Ich denke, es wäre eine Anerkennung und Bestätigung unserer Identität als Lakota-Katholiken anerkannt – und dass sich bewahrheitet, was wir als Lakota-Katholiken längst wissen: Dass Nicholas Black Elk ein Heiliger ist.

Frage: Was kann die katholische Weltkirche von Black Elk lernen?

White: Unabhängig von unserem Hintergrund hat Gott einen Plan für uns – und wir müssen zusammen leben. Wir sollten nicht versuchen, einander anzugleichen, sondern einander als die anzunehmen, die wir sind. Wir sollten nach Gemeinsamkeiten suchen und uns nicht auf Unterschiede fixieren. Wir sind alle Kinder Gottes.

Tibbitts: Dass wir – egal aus welcher Kultur wir stammen –einer Kirche angehören. Seine Vision für unser Volk und alle Völker besteht darin, dass wir in Harmonie miteinander leben, Jesu Gebote befolgen und unseren Nächsten lieben.

Über den Autor

P. William Critchley-Menor SJ ist Jesuit der Provinz Mittlerer Westen in den Vereinigten Staaten. Seinen Masterabschluss in American Studies erwarb er an der St. Louis University, wo er die Geschichte des Rassismus in der katholischen Kirche der USA erforschte. Derzeit arbeitet er an der Mahpiya Luta - Red Cloud, einer Jesuitenschule auf der Pine Ridge-Indianerreservation in South Dakota.

Hinweis zum Titelbild

Das Beitragsbild stammt aus der Sammlung Holy Rosary Mission - Red Cloud Indian School Records 6-1 G 70750 der Raynor Library der Marquette-University.

Nicholas Black Elk steht auf der Stufe vor der Kirchentür und hält eine Mütze in seiner Hand.

Im Original ist es folgendermaßen beschriftet:

Black Elk with congregation at church, undated 1920-1930

Catechist Nicholas Black Elk with congregation at St. Paul's Mission

Notes by Archivist: Catechist Nick Black Elk on porch with cap; related image published in The Calumet, June 1929, p. 2.


Location Depicted
South Dakota -- Pine Ridge Indian Reservation -- Porcupine -- St. Paul's Mission

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Bild: © IWM

Diese Serie entstand in Zusammenarbeit mit dem Institut für Weltkirche und Mission der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen.

Inhaltliche Planung und Mitarbeit: Dr. Markus Scholz, IWM | Redaktion: Damian Raiser, weltkirche.de | Übersetzung: Damian Raiser, weltkirche.de

Die Beiträge dieser Serie spiegeln ausschließlich die Meinung der Autorinnen und Autoren wieder.