Die Missionskeule - eine internationale Spurensuche
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Auftakt zur Reihe

Die Geschichte der „Missionskeule“.

Frankfurt a. M. ‐ Der Überraschungsfund beim Ausmisten: Eine prunkvoll verzierte Keule. Wie ist sie nach Deutschland gelangt – und warum? Erstes Kapitel einer internationalen Spurensuche, die tief in die Missionsgeschichte Nordamerikas führt – und Fragen aufwirft zu unserem Umgang mit kolonialem Erbe.

Erstellt: 10.06.2024
Aktualisiert: 10.07.2024
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Von P. Markus Luber SJ

Im Archiv der Jesuiten der Zentraleuropäischen Provinz befindet sich eine ungewöhnliche Keule. Tausende kleinster Perlen verzieren ihren hölzernen Schaft; ihr Kopf aus massivem, fein geschliffenem Stein, ist von Kristallen bedeckt. Schon ein erster, von Westernfilmen geprägter Blick auf die Steinkopfkeule legt einen Bezug zu nordamerikanischen Indigenen nahe. Also ein traditionelles Jagd- oder Angriffswerkzeug?

Ethnologen, die auf Nordamerika spezialisiert sind, sehen in dem Artefakt einen Gegenstand, der nur der Form nach eine Schlagwaffe zu sein scheint. Doch wozu diente die Keule dann? Woher kam sie? Wie fand sie ihren Weg in das Archiv der Jesuiten in München? Was erzählt sie uns über die Missionsgeschichte Nordamerikas und den Umgang mit der kolonialen Vergangenheit?

Verschlungene Wege

In den kommenden Wochen suchen wir in einer Artikelreihe nach Antworten auf diese Fragen. Ein paar Dinge seien in diesem ersten Kapitel unserer internationalen Spurensuche bereits verraten:

Die jüngere Geschichte der Keule ist abenteuerlich. Denn sie entpuppt sich als Dachbodenfund bei der Auflösung eines Ordenshauses in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zunächst gelangte sie in Privatbesitz – und fand erst über Umwege in das Archiv der Gesellschaft Jesu.

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Wer hat sie hergestellt und wie war ihr Weg nach Deutschland? Der Ethnologe Dr. Markus Scholz untersucht Objekte aus Museen und Archiven.

Eine Vermittlerrolle spielte dabei das Institut für Weltkirche und Mission in Sankt Georgen. Im Auftrag der Deutschen Ordensoberenkonferenz (DOK) und in Kooperation mit der Deutschen Kommission Justitia et Pax richtete es eine Projektstelle für missionsgeschichtliche Sammlungen ein. Seit 2022 schaut sich dort der Historiker und Ethnologe Dr. Markus A. Scholz solche Sammlungen genauer an.

Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Aufarbeitung des kolonialen Erbes im Zusammenhang mit ethnographischen Sammlungen von Ordensgemeinschaften voranzubringen. Eine der Aufgaben besteht darin, festzustellen, ob darin Objekte enthalten sind, die einem problematischen Kontext entstammen, und – wo dies der Fall ist –, über einen angemessenen Umgang zu beraten. Das ist nicht immer ganz einfach, wie er uns im zweiten Kapitel dieser Serie zeigen wird.

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Das Institut für Weltkirche und Mission (IWM) ist ein wissenschaftliches Institut an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen. Seit 2022 beschäftigt es sich intensiv mit sogenannten „missionsgeschichtlichen Sammlungen“

Der Ansatz des Forschungsprojekts ist dabei, Gegenstände wie die Keule nicht nur zu begutachten, sondern auch ihre Geschichten zu erzählen – damit auf diese Weise eine differenziertere Bewertung möglich wird.

Dabei gilt es, verschiedene Aspekte einzubeziehen. Zunächst ist da der historische Hintergrund. Mit Blick auf die Keule tut sich hier eine Spur auf zur Mission deutscher Jesuiten in South Dakota (heute USA) vor dem Hintergrund des Jesuitenverbots im Kulturkampf. Geht man diesen Hinweisen nach, stolpert man eher früher als später über die Frage, wie es um die Aufarbeitung der missbräuchlichen Behandlung von Kindern aus nordamerikanischen Reservaten in katholischen Missionsschulen steht, die mit einer „zivilisatorischen“ Absicht im staatlichen Auftrag zu einer erzwungenen kulturellen Entfremdung beitrugen.

Eine Keule, viele Schichten

Da liegt es nahe, auch allgemein das Verhältnis von kirchlicher Mission und indigener nordamerikanischer Kultur zu erörtern – angesichts prägender Gestalten wie dem aus Thüringen stammenden Eugen Büchel SJ, dem Verfasser einer Grammatik der Lakota-Sprache. Oder der vielschichtigen Persönlichkeit des Nicholas Black Elk, der nicht nur als Schamane, sondern auch als Katechist Spuren hinterlassen hat.

Mit jenem Nicholas Black Elk entspinnt sich ein weiterer Faden in diesem narrativen Gewebe: Seine schamanistische Seite wurde in der esoterischen Rezeption gefeiert, während man seine katholische Existenz ausblendete. Aktuell bekommt seine Geschichte zudem eine überraschende Wendung, die mit einer Entscheidung der Diözese Rapid City zu tun hat.

Keule aus Nordamerika
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Schon diese wenigen Hinweise machen deutlich: Um einen Gegenstand wie die Keule lassen sich spannende Geschichten erzählen. Andererseits zeichnen sich viele Momente einer spannungsgeladenen interkulturellen Auseinandersetzung ab. 

Mit Blick auf die vielen verschiedenen Dimensionen und Facetten, die sich bei genauerem Hinsehen und neugierigem Nachfragen zeigen, geht es deshalb in den kommenden Wochen nicht nur um ein Zusammentragen historischer Fakten, sondern auch um die aktuelle Aufarbeitung und den Umgang mit diesen Geschehnissen aus verschiedenen Perspektiven.

Daher starten wir eine 14-tägige Serie, für die verschiedene Autor:innen alle relevanten Themen rund um die „Keule“ aufgreifen. Begleiten Sie uns durch eine Reihe von Beiträgen, in denen die Steinkopfkeule in lebendige Zusammenhänge eingebettet wird, so dass ein differenziertes und informatives Bild entsteht, das ausdrücklich zum Nachdenken über weltkirchliche Realitäten, zur Auseinandersetzung mit missionarischer Vergangenheit und kritischer Versöhnungsarbeit anregen soll.

Über den Autor

Der Theologe und Missionswissenschaftler P. Dr. Dr. Markus Luber SJ gehört dem Jesuitenorden an und leitet seit 2012 als kommissarischer Direktor das Instituts für Weltkirche und Mission an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen.

Diese Serie entstand in Zusammenarbeit mit dem Institut für Weltkirche und Mission der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen.

Inhaltliche Planung und Mitarbeit: Dr. Markus Scholz, IWM | Fotos (Teil 1): Silvia Braun, IWM | Redaktion: Damian Raiser, weltkirche.de