
Organisation Amerikanischer Staaten vor dem Ende?
Miami ‐ Washington will die Organisation Amerikanischer Staaten zu einem stärkeren Engagement in Haiti und zur Lösung der Krise in Venezuela drängen – und stellen das Bündnis generell in Frage.
Aktualisiert: 04.07.2025
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Umstritten war die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) schon immer. Zur Hochphase des „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ warfen die damaligen linkspopulistischen Staatschefs Hugo Chávez (Venezuela), Rafael Correa (Ecuador) und Evo Morales (Bolivien) der Institution vor, zu US-freundlich zu sein. Als Beleg führten sie an, dass die OAS ihren Sitz in den USA habe. Der Vorschlag, den Sitz der OAS in eine lateinamerikanische Hauptstadt zu verlegen, scheiterte. Dass die USA als größte Wirtschaftsmacht innerhalb der Organisation einen großen Einfluss haben, steht allerdings außer Zweifel.
Gut 15 Jahre nach der Kritik von links kommen die Vorwürfe diesmal aus Washington selbst. Nutzlos und ineffektiv sei die OAS, heißt es aus der Hauptstadt der Vereinigten Staaten – genauer gesagt von Vize-Außenminister Christopher Landau: „Wenn wir nicht auf ein Regime reagieren können, das offen gegen internationale Normen verstößt und die territoriale Integrität seines Nachbarn bedroht, müssen wir uns fragen: Was ist der Sinn dieser Organisation?“, fragte Landau mit Bezug auf mutmaßlichen Wahlbetrug durch den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro und dessen Ansprüche auf eine ölreiche Region im Nachbarland Guyana.
Auch die Rolle der OAS bei der Krise in Haiti ist der aktuellen US-Administration ein Dorn im Auge: „Amerika kann diese schwere finanzielle Last nicht alleine weiter tragen“, sagte Landau. „Wenn die OAS nicht willens oder nicht in der Lage ist, eine konstruktive Rolle in Haiti zu spielen, stellen wir ernsthaft ihre Existenz infrage.“ Washington unterstützte zuletzt eine Resolution, in der die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, die von Kenia geführte und von den Vereinten Nationen gebilligte Sicherheitsmission in dem Karibikstaat zu unterstützen.
Unterschiedliche Interessen
Tatsächlich geht ein Riss durch Amerika beim Umgang mit den Diktaturen in Kuba, Venezuela und Nicaragua. Während autoritäre Kräfte sich hinter die Machthaber in Havanna, Caracas und Managua stellen, sind es zunehmend jüngere demokratische linke Kräfte wie der chilenische Präsident Gabriel Boric, die einen anderen Standpunkt vertreten: Menschenrechtsverletzungen müssten kritisiert werden – egal, von wem sie begangenen werden, also auch von Linksdiktaturen. Boric fährt damit einen demokratisch-progressiven Kurs, während Brasiliens Präsident Lula da Silva und Kolumbiens Präsident Gustavo Petro bis heute den Wahlbetrug Maduros nicht öffentlich verurteilen – und ihn damit trotz fehlender Anerkennung de facto im Amt unterstützen.
Die USA wiederum reißen derzeit viele Brücken nach Lateinamerika ab. Vor allem die rüde Abschiebungsrhetorik kommt in den meisten Ländern südlich des Rio Bravo nicht gut an. Die lateinamerikanischen Staaten wiederum wollen zum Beispiel Organisationen wie die Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL), in der auch Länder wie Kuba Mitglied sind, stärker forcieren. Kolumbiens Präsident Petro brachte eine Wiederbelebung des südamerikanischen Staatenbündnisses UNASUR ins Gespräch, einst von Hugo Chávez als Gegengewicht zur OAS gegründet. Viele Regierungen , vor allem die autoritär regierten, wären über ein Ende der OAS gar nicht so unglücklich.
Die heutige Organisation entstand am 30. April 1948 in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá; Ziel war eine friedliche Streitschlichtung von Konflikten innerhalb Amerikas. Ob sich die USA nun tatsächlich aus der OAS zurückziehen und sich damit ein Stück weit selbst isolieren, bleibt abzuwarten. Inzwischen versucht China, seine diplomatische Position in der Region weiter zu stärken und das Vakuum zu nutzen, das durch das US-amerikanische Desinteresse an Lateinamerika entsteht. Das wiederum kann auch nicht im Interesse Washingtons sein.

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