„Wir können keine Sklaven bleiben“
Hongkongs emeritierter Kardinal Joseph Zen Ze-kiun (83) hat die Chinesen zu einer Wiedergewinnung ihrer Authentizität aufgefordert. „Das China von heute ist eine Kultur der Lüge. Alles ist Fake: die Ernährung, die Medizin, alles“, sagte Zen am Donnerstag in Sankt Augustin bei Bonn.
Aktualisiert: 19.03.2024
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Hongkongs emeritierter Kardinal Joseph Zen Ze-kiun (83) hat die Chinesen zu einer Wiedergewinnung ihrer Authentizität aufgefordert. „Das China von heute ist eine Kultur der Lüge. Alles ist Fake: die Ernährung, die Medizin, alles“, sagte Zen am Donnerstag in Sankt Augustin bei Bonn.
Zwar könne es keine Lösung für die gesellschaftlichen Probleme geben, „solange die Kommunistische Partei regiert“, so der Kardinal. Doch der Kampf um Demokratie und Menschenrechte sei „eine Frage unserer Würde“. Zen wörtlich: „Wir können keine Sklaven bleiben.“
Zur Auseinandersetzung um die Wahlen in Hongkong 2017 sagte der Kardinal, es werde „ein langer Krieg“. Die Kirche müsse die Menschen immer wieder darin erinnern, dass das Ziel dieses Kampfes die menschlichen Werte und die Menschenwürde seien. Um erfolgreich zu sein, müssten die Studenten ihre Einigkeit zurückgewinnen. Alle Bürgerrechtler müssten Besonnenheit bewahren und Hartnäckigkeit zeigen.
Kardinal mahnt zur Einheit aller demokratischen Kräfte
Über die Proteste in Hongkong im September 2014 sagte Zen, sie seien entstanden aus der falschen Reaktion der Führung in Peking, die „berechtigten Forderungen“ der Bürger in den Wind zu schlagen und alle Brücken des Dialogs abzubrechen. Auch im Fortgang der Demonstrationen habe die Regierung Recht und Justiz gebeugt, um die Besetzer auseinanderzutreiben.
Er selbst habe die Protestierer in der dramatischen Nacht Ende September aufgefordert, nach Hause zu gehen: „Wir haben gewonnen. Die Regierung hat ihre Argumente verloren.“ Der Kardinal beschrieb die damalige Situation als sehr gefährlich: „Niemand konnte die Lage kontrollieren; es war ein Fehler der Studenten, die Führerschaft zu übernehmen und das Wohl der Menschen zu gefährden.“ Manche hätten damals eine Eskalation riskiert.
Als eine mittelfristige Folge der Beinahe-Eskalation nannte Zen eine Spaltung der öffentlichen Meinung über die Vorgänge und über das weitere Vorgehen. „Alle demokratischen Kräfte müssen nun vereinigt werden“, so der Kardinal. Es brauche eine Strategie, ohne leichtfertige Ultimaten und Drohungen.
Hintergrund der Auseinandersetzung war die Ankündigung der politischen Führung, die Kandidaten für die Wahl in Hongkong vorzusortieren. Freie Wahlen im Jahr 2017 gehörten zu den Zusagen, die Peking zum Ende des britischen Hongkong-Mandats 1997 machte („Ein Land – zwei Systeme“). Kardinal Zen äußerte sich bei der Jahresakademie des China-Zentrums in Sankt Augustin zum Thema: „Sehnsucht nach Demokratie – Jugend und Kirche in Hongkong nehmen Stellung“.