Abkommen zwischen Vatikan und China zum zweiten Mal verlängert
Verhältnis bleibt kompliziert

Abkommen zwischen Vatikan und China zum zweiten Mal verlängert

Wer in China Bischöfe ernennt, war seit 1958 zwischen Peking und dem Vatikan umstritten – mit leidvollen Folgen für die Katholiken vor Ort. Ein 2018 besiegeltes Abkommen wird nun verlängert, doch die Bilanz ist schwach.

Erstellt: 25.10.2022
Aktualisiert: 30.11.2022
Lesedauer: 
Von Sabine Kleyboldt (KNA)

Verlängern Peking und der Heilige Stuhl ihr Abkommen um weitere zwei Jahre? Diese Frage steht seit Monaten im Raum, direkt und indirekt angesprochen vor allem von vatikanischer Seite. Nun erklärte der Vatikan zum Jahrestag des 2018 unterzeichneten und am 22. Oktober 2020 erneuerten vorläufigen chinesisch-vatikanischen Abkommens zur Ernennung von Bischöfen, dass es zum zweiten Mal verlängert wird – wieder ohne Nennung von Details.

Man sei bereit, „den respektvollen und konstruktiven Dialog mit der chinesischen Seite für eine fruchtbare Umsetzung des genannten Abkommens und für eine weitere Entwicklung der bilateralen Beziehungen mit dem Ziel, die Mission der katholischen Kirche und das Wohl des chinesischen Volkes zu fördern“, heißt es in der Mitteilung von Samstag, die auch auf Chinesisch verbreitet wurde.

Offenbar Kontakt zu Bischof im Hausarrest

Wie sich die Lage nun weiter gestaltet, wird nach Einschätzung der Chefredakteurin von „China Heute“, Katharina Wenzel-Teuber, vor allem von der Gesamtentwicklung in China nach dem 20. Parteitag der Kommunistischen Partei abhängen. Hier hat sich Staatschef Xi Jinping gerade den Weg für eine – bis dato unübliche – dritte Amtszeit geebnet. Unter seiner Ägide wurde unter anderem das Gesetz zur nationalen Sicherheit erlassen, unter dem seit Mitte 2020 Menschenrechtler in Hongkong ächzen. Dazu gehört auch Kardinal Joseph Zen Ze-kiun. Der 90-Jährige steht ab Mittwoch (26. Oktober) wieder vor Gericht wegen eines angeblich nicht ordnungsgemäß registrierten Fonds zur Unterstützung von Demokratieaktivisten. Zen ist erklärter Kritiker der vatikanischen China-Politik und des Abkommens.

Auf dieses einigten sich Peking und der Vatikan vor vier Jahren und installierten damit erstmals grundsätzlich ein Verfahren über die gegenseitige Anerkennung von Bischofsernennungen; Einigungen in Einzelfällen hatte es schon zuvor gegeben. Mit Blick auf den Stichtag 22. Oktober hatte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin bereits im April in einem Interview die Hoffnung auf eine Wiederaufnahme des Dialogs und eine Anpassung des Abkommens geäußert. Und auch Papst Franziskus sagte im Juli: „Die Vereinbarung geht gut voran, und ich hoffe, dass sie im Oktober verlängert werden kann.“ Chinas Außenamtssprecher Zhao Lijian erklärte darauf prompt, das Abkommen werde „reibungslos umgesetzt“.

Nach über zweijähriger – auch pandemiebedingter – Pause konnte dann Ende August, wenige Tage nach der 10. Nationalversammlung der Vertreter des chinesischen Katholizismus, wieder eine vatikanische Delegation zu Verhandlungen nach China reisen. Dass die von Erzbischof Claudio Maria Celli geleitete Delegation Berichten zufolge auch Bischof Melchior Shi Hongzhen (92) von Tianjin treffen konnte, der von der Regierung nicht anerkannt ist und sich im Hausarrest befindet, illustriert das Dilemma der Kirche in China.

Weiter Weg

Parolin gab sich am 2. September im Interview der Zeitung „Il Messaggero“ überzeugt, dass das Abkommen verlängert werde. Doch habe es in den Gesprächen mit China viele Schwierigkeiten gegeben, es sei noch ein weiter Weg, fügte er hinzu. Papst Franziskus setzt indes seinen diplomatischen Kurs fort: In einem Reuters-Interview erklärte er, er sei „immer bereit, nach China zu gehen“. Und wieder äußerte Chinas Außenamtssprecherin Mao Ning „Wertschätzung für die von Franziskus zum Ausdruck gebrachte Freundschaft und den guten Willen“, lobte die „gute Kommunikation“ zwischen China und dem Vatikan und bekräftigte die Bereitschaft, den Dialog fortzusetzen.

Auf dem Rückflug von seiner Kasachstan-Reise räumte der Papst am 15. September ein: „Es ist nicht leicht, die chinesische Mentalität zu verstehen, aber sie muss respektiert werden, ich respektiere sie immer.“ Die Vatikan-Kommission arbeite gut unter Kardinal Parolin. „Es geht langsam, aber es gibt immer wieder Fortschritte“, sagte Franziskus. Er wolle nicht darüber urteilen, ob China undemokratisch sei.

Roms Diplomatie scheint nun geglückt zu sein, zumindest was das geheime Abkommen anbelangt. Dessen Bilanz für die letzten vier Jahre bezeichnete der vatikanische Außenbeauftragte Erzbischof Paul Gallagher allerdings im Juli laut der Zeitschrift „America“ als „nicht besonders beeindruckend“. Es habe sechs Bischofsernennungen gegeben, „und es sind noch einige weitere in Vorbereitung“.

Rund ein Drittel der Bischofssitze weiter vakant

Am Samstag zeigte sich nun Kardinalstaatssekretär Parolin zufrieden mit der Fortsetzung des Abkommens. Die bisherigen Ergebnisse seien „kleine Errungenschaften“, aber „wichtige Schritte“, betonte er in einem vom Vatikan veröffentlichten Interview. Auch wenn es „nicht wenige Schwierigkeiten“ gebe, müsse der Weg des „konstruktiven Dialogs“ trotz aller Widerstände fortgesetzt werden. Ziel sei, chinesischen Katholiken „ein ruhiges und freies christliches Leben“ zu ermöglichen, so Parolin.

Der Leiter der vatikanischen Evangelisierungsbehörde, Kardinal Luis Antonio Tagle, erklärte, mit dem Abkommen versuche man vor allem sicherzustellen, dass Chinas Bischöfe ihre Aufgabe „in voller Gemeinschaft mit dem Papst wahrnehmen können“. Der Vatikan sei sich bewusst, dass es nicht die „die Lösung aller Probleme“ sei und nur einen „begrenzten Charakter“ habe. Er nannte es „an sich schon wichtig“, dass die Kanäle für den Dialog „in der gegebenen Situation“ offen blieben.

Unterdessen ist rund ein Drittel der chinesischen Bischofssitze laut der Sinologin Katharina Wenzel-Teuber weiter vakant. „Derzeit sind alle Bischöfe Chinas in Einheit mit dem Papst, sicher einer der positiven Aspekte des Abkommens“, schreibt sie in „China Heute“. Peking habe das Abkommen aber auch benutzt, um gegen die katholischen Gemeinschaften im Untergrund vorzugehen, und dazu die offizielle Kirche mit der „Transformation“ des Untergrundklerus beauftragt, so die Expertin. In einigen ehemaligen Untergrund-Diözesen sei inzwischen die Mehrheit der Priester nach massivem Behörden-Druck zur offiziellen Seite gewechselt. Der Weg zur Einheit in den verschiedenen Diözesen bleibe schwierig. „Sicherlich ist das auch im Vatikan bekannt.“

KNA