Warum der Vatikan das China-Abkommen verlängert
Diplomatie ‐ Am Donnerstag wollen Vatikan und Peking ihr vorläufiges Abkommen zur Ernennung von Bischöfen verlängern. Zwar ist man in Rom mit der Bilanz bisher nicht zufrieden, aber die Alternative wäre aus Vatikansicht noch schlechter.
Aktualisiert: 27.09.2022
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Am Donnerstag wollen der Vatikan und Peking ihr vorläufiges Abkommen zur Ernennung von Bischöfen verlängern. Zwar ist man in Rom mit der Bilanz bisher nicht zufrieden, aber die Alternative wäre aus Vatikansicht noch schlechter.
Am Donnerstag wollen Peking und der Vatikan gleichzeitig mitteilen, dass sie ihr vorläufiges Abkommen zur Ernennung von Bischöfen verlängern. Die Vereinbarung war am 22. Oktober 2018 in Kraft getreten und auf zwei Jahre befristet. Schon vorher hatten beide Seiten erklärt, sie würden es gerne verlängern. Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin wie auch der vatikanische Außenbeauftragte, Erzbischof Paul Gallagher, sagten dies öffentlich. In Peking durfte zweimal ein Sprecher des Außenministeriums auf Journalistenfragen hin das Abkommen würdigen.
Der Vatikan wolle das „Abkommen mit der Formel 'ad experimentum' verlängern“, so Parolin Mitte September am Rande einer Pressekonferenz. In weiteren zwei Jahren solle „so der Nutzen für die Kirche in China“ überprüft werden. Der jedoch wird von vielen bezweifelt.
Angesprochen auf solche Kritik, räumte die Nummer Zwei des Vatikan ein, die bisherigen Ergebnisse seien „nicht besonders“. Es habe „Probleme gegeben, aber es wurde eine Richtung eingeschlagen, die es wert ist, verfolgt zu werden“. Der prominenteste Gegner des Abkommens, Hongkongs früherer Bischof Kardinal Joseph Zen, bezichtigte Parolin später glatt der „Lüge“, wenn dieser behaupte, das Abkommen liege auf der Linie der Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI.
Für Aufsehen sorgte US-Außenminister Mike Pompeo mit dem Vorwurf, Papst und Vatikan setzten mit dem Abkommen ihre moralische Autorität aufs Spiel. Zuerst äußerte sich Pompeo in einem Gastbeitrag für das konservative katholische US-Portal „First Things“, den er auch twitterte. Anfang Oktober wiederholte er den Vorwurf bei einem Symposium der US-Botschaft am Vatikan zum Thema Religionsfreiheit.
Am selben Tag hatten Pompeo und Parolin im Vatikan Gelegenheit, ihre unterschiedlichen Standpunkte darzulegen – ohne sich jedoch gegenseitig zu überzeugen. Beide Seiten hätten „ihre Positionen über die Beziehungen zur Volksrepublik China dargelegt, in einem Klima des Respekts“, erklärte Vatikansprecher Matteo Bruni. Ganz anders interne Reaktionen, von denen dieser Tage der „Corriere della Sera“ berichtete.
Pompeo sei „mit ausgestrecktem Bein in die Verlängerung“ des Abkommens gegrätscht. Doch habe er damit dem Vatikan einen Gefallen getan, wird ein ungenannter Mitarbeiter zitiert. So habe der Vatikan zeigen können, „dass niemand unserer Linie Bedingungen stellt“. In Peking soll man kurzzeitig befürchtet haben, die Kirche werde wegen der Schelte aus Washington einknicken. Doch der US-Chefdiplomat habe den Vatikan in dessen Verhandlungen mit der Supermacht gestärkt.
Für die Volksrepublik, derzeit international unter Druck, ist der erneuerte Deal mit der moralischen Softpower Vatikan ein Prestigegewinn. Allerdings schmälern Papst und Vatikan ihre moralische Autorität durch einen selbst angelegten Maulkorb. So oft und deutlich sich Franziskus und Kurienvertreter zu Menschenrechtsverletzungen in aller Welt äußern, so still sind sie beim Thema Demokratiebewegung in Hongkong oder der Verfolgung der Uiguren.
Dennoch, so heißt es in vatikanischen wie diplomatischen Kreisen, sei es besser, eine solche Vereinbarung zu haben, als gar keine; ist das Abkommen doch der erste offizielle Kanal zwischen dem Heiligen Stuhl und Peking seit der kommunistischen Machtübernahme 1949. Hätte der Vatikan jetzt Nein gesagt, hätte der Papst keinen Fuß mehr in der chinesischen Tür, allenfalls gequetschte Zehen. Und die Behörden des Landes würden die 40 vakanten Bistümer ganz nach ihrem Gusto besetzen – was zu dem führen würde, was der Vatikan am meisten fürchtet: einem Schisma.
Vatikan-Mitarbeiter räumen ein, das Abkommen sei ein Drahtseilakt. Bei den Verhandlungen habe Peking „das Messer in der Hand“, zitierte vor einiger Zeit das katholische US-Magazin „America“ einen Mitarbeiter. Das Abkommen regelt allein die Ernennung von Bischöfen, bei der nun der Papst das letzte Wort hat – für ihn ein Plus. Andere Themenwünsche habe Peking vorher abgebügelt. Auch die Geheimhaltung des Dokuments – dem Vernehmen nach etwa zehn Seiten stark – sei eine chinesische Bedingung.
Gleichwohl, so ist zu hören, gestalteten sich Gespräche nun freundlicher als früher, wenn auch nicht leichter. Ein- bis zweimal jährlich, so erfuhr „America“, gibt es Begegnungen auf Ebene der Vize-Außenminister, abwechselnd in Rom und Peking. Dabei könne man sich auch über andere Fragen austauschen. Etwa über Fälle, in denen Behörden von Kirchtürmen Kreuze entfernen lassen, oder über das Verbot religiöser Erziehung und Angebote an Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Vatikanvertreter protestierten auf der leisen Schiene – ohne bislang umfassend etwas bewirken zu können.
Von Roland Juchem (KNA)
© Text: KNA