Chinas Glaubensgemeinschaften wachsen

Chinas Glaubensgemeinschaften wachsen

China ‐ Trotz Staatsatheismus sehen Experten ein Wachstum von Glaubensgemeinschaften im roten Reich. Die kommunistische Partei bemüht sich um Kontrolle und legt strenge Kriterien an. Über allem steht die Loyalität zum Staat.

Erstellt: 30.10.2017
Aktualisiert: 19.03.2024
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Trotz Staatsatheismus sehen Experten ein Wachstum von Glaubensgemeinschaften im roten Reich. Die kommunistische Partei bemüht sich um Kontrolle und legt strenge Kriterien an. Über allem steht die Loyalität zum Staat.

Religion müsse von der Ausrichtung her „chinesisch“ sein. Das erklärte Xi Jinping auf dem Parteitag der Kommunistischen Partei (KP) in Peking, der diese Woche zu Ende ging. Dort wurde der 64-Jährige erneut für weitere fünf Jahre als KP-Chef bestätigt, seine Ernennung zum chinesischen Präsidenten durch das Parlament im nächsten Frühjahr ist reine Formsache.

Religionen sind in China erlaubt, aber was geglaubt wird, bestimmt das Regime mit. Auch die letzte Instanz ist nicht Gott oder der Papst, sondern sind die staatlichen Institutionen, die sogenannten Patriotischen Vereinigungen, in denen die fünf offiziell zugelassenen Religionen Buddhismus, Daoismus, Islam, Protestantismus und Katholizismus organisiert sind.

Bereits 2015 warnte Xi, das Ausland könne versuchen, über die Religionen Einfluss in China zu nehmen. Die Kommunisten fürchten seit jeher die Infiltration ihres Landes von außen und sehen Religionen als mögliches Einfallstor. Im Frühjahr 2016 nahm Xi dann überraschenderweise an einer Arbeitskonferenz über religiöse Angelegenheiten teil; seine Anwesenheit brachte das Thema an die Spitze der KP-Agenda. Er forderte, dass China seine Religionen aktiv anleiten müsse, damit sich diese an die sozialistische Gesellschaft anpassten.

Ob Menschenrechtler, Gewerkschafter, Anwälte, ethnische Minderheiten, das Internet oder eben die Religionsgemeinschaften – seit Xi Jinping 2012 die Macht in Partei und Staat übernommen hat, sind die Spielräume für die gerade erst entstehende Zivilgesellschaft wieder enger geworden. Auf dem Parteitag hat sich Xi Jinping nun endgültig die Alleinherrschaft gesichert, parteiinterne Gegner hat er in einer beispiellosen Kampagne gegen Korruption ausgeschaltet, ehrfürchtig reden ihn Parteifunktionäre als „lingxiu“ an, als Führer, ein Titel, der bislang dem Gründer der Volksrepublik, Mao Zedong, vorbehalten war. Doch Xi kontrolliert das chinesische Volk mindestens so lückenlos und rigide wie Mao. Und die Sorge vor noch strengeren Restriktionen ist bei vielen groß.

Mit Blick auf die Annäherungsbemühungen zwischen Peking und dem Vatikan stellte Wang Zuoan, Direktor des staatlichen Religionsamtes, am Rande des Parteitages denn auch gleich klar: Es gibt zwei Bedingungen. Erstens: Rom bricht seine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan ab. Der Vatikan ist eines von wenigen Ländern in der Welt, das Taiwan, das sich selbst Republik China nennt, als eigenständig anerkannt. Peking hingegen betrachtet die Insel als abtrünnige Provinz.

Zweitens: Der Papst hält sich aus allen internen Angelegenheiten in China heraus. Doch das genau ist der wunde Punkt bei den gerade aufgenommenen Verhandlungen nach sechs Jahrzehnten diplomatischer Eiszeit – wer darf künftig die Bischöfe in Chinas katholischer Kirche bestimmen? Das Kirchenoberhaupt reklamiert dieses Recht selbstverständlich für sich – die Kommunisten sehen das jedoch als Einmischung und haben Bischöfe immer wieder nach eigenem Gusto ordiniert.

China-Experten warnen gleichwohl vor Schwarz-Weiß-Malerei. „Die kommunistische Regierung ist sehr daran interessiert, dass sich Religionen am Aufbau einer Zivilgesellschaft beteiligen und sich sozial engagieren“, sagt Martin Lachmann, der bei einer der ersten christlichen Nicht-Regierungsorganisationen Chinas, der Amity Foundation, arbeitet. Amity setzt sich nicht nur für Bedürftige in China und Afrika ein, sondern ist auch der größte Bibel-Produzent der Welt.

Dass die meisten Bibeln – 18 Millionen im Jahr – ausgerechnet im offiziell ungläubigen China gedruckt werden, ist paradox, zeigt aber auch den für Chinesen typischen Pragmatismus. Lachmann weist außerdem auf den enormen Zulauf bei den Religionsgemeinschaften hin. Die Zahl der Christen wird inzwischen auf 100 Millionen geschätzt. „Die Religionen sind zwar stark reglementiert, trotzdem bekennen sich immer mehr Menschen zum Glauben“, so Lachmann, der die Einschätzung unterstützt, dass „das Christentum in China zurzeit bessere Entwicklungsperspektiven hat als jemals zuvor“.