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Gegen unmenschliche Bedingungen bei Abbau von Glitzermineral Mica

„Fair schminken“ – Neue Missio-Schutzengel-Aktion zu Karneval

Aachen/Antananarivo ‐ Rote Nase, bunte Striche im Gesicht und ein knalliger Lippenstift – schon ist der Clown fertig für die närrischen Tage. Doch was steckt eigentlich drin in der Schminke? Und warum leiden Menschen auf Madagaskar darunter?

Erstellt: 17.02.2025
Aktualisiert: 17.02.2025
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Von Gottfried Bohl (KNA)

„Die Sonne brennt, die Luft glitzert – und mittendrin klettern Mütter mit ihren kleinen Kindern auf dem Rücken ohne jeden Schutz in die Minen, um dort Mica abzubauen.“ So beschreibt Sabrina Wiesen ihre Beobachtungen in Madagaskar. Die Mitarbeiterin von Missio Aachen hat dort – im Inselstaat östlich von Afrika – Projekte des katholischen Hilfswerks besucht.

Denn das „Glitzermineral“ Mica - unter anderem in Schminke für Fasching, Fastnacht, Karneval enthalten – steht im Mittelpunkt der neuen Aktion Schutzengel. Die schlägt nach dem Kampf gegen Sextourismus, gegen moderne Sklaverei, für Aids-Waisen und für Kinder auf der Flucht jetzt ein neues Kapitel auf.

Auch diesmal geht es um Würde und Menschenrechte – insbesondere um Frauen und um deren Kinder, die hart arbeiten müssen, statt zur Schule zu gehen. Und das in einer sehr unwirtlichen Umgebung, wie Sabrina Wiesen sie beschreibt: „Man fährt stundenlang durch eine öde Steppe und muss dann suchen, um die Mini-Siedlungen mitten zwischen den metertiefen Löchern zu erreichen. Auf der Fläche eines Fußballfelds sind immer wieder große Löcher und Minen und dazwischen schmale Gänge und an den etwas breiteren Stellen die winzigen Hütten, in denen die Familien leben.“

Damit die Kinder nicht ohne Aufsicht spielen und dabei in die bis vier Meter tiefen Löcher fallen, nehmen die Mütter sie lieber mit nach unten. Dort brechen sie mit bloßen Händen und Werkzeug, das diesen Namen kaum verdient, große Platten aus den Gesteinsschichten. Das schaffen sie dann nach oben, wo vor allem Kinder sie dann immer kleiner brechen und durchsieben, bis sie den wertvollen Rohstoff möglichst pur vor sich liegen haben.

Mica ist der englische Begriff für Glimmer. Der Oberbegriff steht für eine Gruppe von 37 Mineralien. Einige davon haben sehr intensive Farben und werden daher für Schminke und andere Kosmetika sowie für Farben und Lacke benutzt. Andere Varianten isolieren sehr gut Hitze und haben hohe Schmelzpunkte, daher werden sie unter anderem in der Elektronikindustrie, im Motorenbau oder auch für Kamine und Solarpanels verwendet.

Madagaskar gehört zu den Hauptabbaugebieten, wobei der größte Teil der Rohstoffe nach China geht, in der Regel für einen Hungerlohn. Dabei gibt es gleich mehrere Probleme, fasst es Sabrina Wiesen zusammen: „Die Arbeit ist sehr gefährlich, die Kinder gehen nicht zur Schule, und die Bezahlung ist erbärmlich – weit unter dem Existenzminimum. Doch die meisten Menschen haben gar keine Alternative, als weiter Mica aus der Erde zu holen.“

Lieferketten intransparent

Genau hier setzt die neue Missio-Aktion an. Mit Pater Christian Rakotsolofo und anderen kirchlichen Partnern vor Ort hat das Hilfswerk bisher 35 Frauen und deren Kinder aus den Minen rausgeholt. Die Mütter haben von dem katholischen Priester und Bio-Bauern eine Ausbildung bekommen: Sie lernten Ferkel, Fische und Kälbchen zu züchten und Reis, Erdnüsse und Mais anzubauen. Dank einer besseren Bezahlung stehen sie jetzt auf eigenen Beinen, und ihre Kinder können endlich zur Schule gehen.

Doch Missio will noch mehr erreichen, betont Wiesen: „Zum einen möchten wir aufklären über den kaum bekannten Rohstoff und die Folgen des Abbaus. Zum anderen fordern wir Politik und Unternehmen auf, für faire Löhne und Arbeitsbedingungen zu sorgen.“

Und was kann jeder Verbraucher tun? Etwa beim Kauf von glitzernder Schminke für die anstehende närrische Zeit? „Gar nicht so leicht“, räumt Wiesen ein. Denn fair gehandeltes Mica gibt es bisher nicht. Etliche Unternehmen beteiligen sich inzwischen immerhin an einer „Responsible Mica Initiative“, die sich für ein Ende der Kinderarbeit in den Minen einsetzt.

Noch aber seien die meisten Lieferketten wenig transparent, kritisiert Missio-Präsident Dirk Bingener. Anfragen, Testkäufe und Recherchen bei asiatischen Online-Anbietern seien allesamt auf eine Mauer des Schweigens gestoßen.

Was also bleibt? Zur „fünften Jahreszeit“, aber auch für die Zeit danach, ruft Missio dazu auf, „die Ausbeutung in den Kosmetik-Minen zu stoppen“. Und Bingener appelliert an die Unternehmen, endlich faire Mica-Produkte anzubieten und auch entsprechend zu kennzeichnen.

„Denn schon fünf Cent mehr pro Lippenstift würden hier keinem wehtun und könnten den Menschen in Madagaskar enorm helfen“, ergänzt Sabrina Wiesen. Vorausgesetzt, sie kämen auch dort an.

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