
Lieferkettengesetz vor dem Aus?
Berlin ‐ Vereinfachung oder Rückschritt? Die künftige Bundesregierung will das Lieferkettengesetz wieder kippen. Ein Grund: zu viel Bürokratie. Hilfsorganisationen sehen das anders und warnen vor allem vor einem Rechtsvakuum.
Aktualisiert: 10.04.2025
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Union und SPD wollen das deutsche Lieferkettengesetz wieder abschaffen. In ihrem am Mittwoch veröffentlichten Koalitionsvertrag einigen sich die Parteien stattdessen auf ein Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung, das sich an der Europäischen Lieferkettenrichtlinie orientieren soll. Hilfsorganisationen warnen nun vor massiven Rückschritten für Menschenrechte und Umweltschutz weltweit.
Die Initiative Lieferkettengesetz weist etwa darauf hin, dass es bis zur verpflichtenden Umsetzung der EU-Richtlinie im Juli 2026 kein wirkungsvolles Gesetz mehr gebe. „Dies wäre ein massiver Rückschritt für den Schutz von Menschenrechten und Umwelt entlang globaler Lieferketten – und sendet ein fatales Signal an die vielen Unternehmen, die die Regelungen bereits erfolgreich umsetzen“, betonte Sprecherin Heike Drillisch. Die Initiative fordert die Mitglieder des neuen Bundestages auf, die Aufhebung des Gesetzes nicht mitzutragen.
Ähnlich äußerte sich das katholische Entwicklungshilfswerk Misereor. „Die geplante Abschwächung des Lieferkettengesetzes wäre ein Rückschlag für alle Näherinnen, Plantagenarbeiter, indigenen Gemeinschaften und Kindern, die eventuell auch unter direkter oder indirekter Beteiligung deutscher Unternehmen ausgebeutet, vertrieben oder unterdrückt werden“, erklärte Hauptgeschäftsführer Andreas Frick. Es brauche gesetzliche Sanktionsmöglichkeiten, damit wirkungsvoll gegen Menschenrechtsverletzungen vorgegangen werden könne.
Das deutsche Lieferkettengesetz gilt seit Anfang 2023. Ausgearbeitet wurde es noch im letzten Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Es verpflichtet Unternehmen ab einer Größe von 1.000 Mitarbeitern zur Einhaltung bestimmter Sorgfaltspflichten. Es soll dafür sorgen, dass Unternehmen Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten bei ihren Zulieferern übernehmen. Dazu gehören beispielsweise der Schutz vor Kinderarbeit, das Recht auf faire Löhne und der Schutz der Umwelt. Zuletzt hatte aber insbesondere die Union versucht, das bestehende Gesetz zu kippen. Beanstandet wurde dabei unter anderem ein zu großer bürokratischer Aufwand für die Unternehmen, vor allem durch zusätzliche Dokumentationspflichten.
Unklar ist bislang der konkrete Zeitplan für das Vorhaben, sowie Inhalt und Ausgestaltung des angedachten Gesetzes über die internationale Unternehmensverantwortung. Da das derzeit gültige Lieferkettengesetz auch in den künftigen Regierungsparteien SPD, CSU und CDU vereinzelt Unterstützer hat, ist die Mehrheit für die Abschaffung bislang nicht gesichert.

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