EU-Parlament stimmt abschließend für Lieferketten-Kompromiss
Nach hartem Ringen ist die Richtlinie zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt am Ziel. Kirchenvertreter und Linke hätten sich mehr gewünscht. Der Mehrheit der Christdemokraten ist auch der Kompromiss zu viel.
Aktualisiert: 24.04.2024
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Das EU-Parlament hat dem europäischen Lieferkettengesetz abschließend zugestimmt. Unternehmen ab einer bestimmten Größe müssen demnach sicherstellen, dass ausländische Zulieferer Menschenrechte und Umweltstandards einhalten. Für die Richtlinie votierten am Mittwoch in Straßburg 374 Abgeordnete, 235 dagegen, 19 enthielten sich. Die Verordnung muss formell noch vom Rat der Europäischen Union angenommen werden.
In der jetzigen Fassung gelten die Sorgfaltspflichten nur für EU-Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mindestens 450 Millionen Euro. Ein früherer Kompromiss, der einen größeren Geltungskreis vorsah, war unter anderem an der Nicht-Zustimmung Deutschlands auf Druck der FDP gescheitert.
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) nannte die Entscheidung des Europaparlaments „eine gute Nachricht für Millionen von Menschen in unseren Partnerländern, die zu miserablen Bedingungen arbeiten, deren Flüsse verschmutzt und deren Wälder zerstört werden“. Es sei aber auch „eine gute Nachricht für unsere deutschen Unternehmen, denn künftig gelten gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen in der ganzen EU“. Schulze versprach den Unternehmen im In- und Ausland Unterstützung, etwa durch Vernetzung, Beratung und Mustervertragsklauseln.
Nach dem Inkrafttreten haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Die Bestimmungen werden dann schrittweise in die Praxis überführt, beginnend mit den größten Firmen. Ihnen drohen bei Verletzungen Geldstrafen von bis zu 5 Prozent des weltweiten Nettoumsatzes.
Die federführende Europaabgeordnete Lara Wolters von den niederländischen Sozialdemokraten nannte das Gesetz einen „Meilenstein für verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln“ und einen Schritt gegen die Ausbeutung von Menschen und des Planeten. Zugleich sei es ein „hart erkämpfter Kompromiss“.
Elf Jahre nach Rana Plaza
Die französische Linken-Abgeordnete Manon Aubry erinnerte daran, dass genau vor elf Jahren, am 24. April 2013, in Bangladesch beim Einsturz der Rana Plaza-Fabrik 1.137 Textilarbeiter ums Leben kamen. „Sie starben, weil multinationale Konzerne sie über ihre Wertschöpfungsketten ausbeuteten, ohne für ihre Sicherheit und ihre Menschenrechte verantwortlich zu sein“, erklärte Aubry. Das Parlament ehre die Opfer solcher Vorfälle mit diesem „Gesetz gegen die Straflosigkeit von Unternehmen“.
Die entwicklungspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Cornelia Möhring, monierte hingegen eine „massive Aufweichung“ der Richtlinie, die nur noch für gut 5.400 Unternehmen und damit einen winzigen Bruchteil aller Firmen in der EU gelte. Verantwortlich dafür sei „ein Feuerwerk an Lobbyarbeit von Unternehmen und wirtschaftsnahen Parteien“.
Ähnlich kritisierte das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), die Richtlinie erfasse einen zu engen Kreis von Unternehmen. „Es ist ein Lieferkettengesetz, das in vielerlei Hinsicht weit hinter dem zurückbleibt, wofür wir uns eingesetzt haben“, erklärte ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp. Schon bestehende Lieferkettengesetze in Frankreich und Deutschland würden damit „nur halbherzig fortgeschrieben“.
Der Vorsitzende der deutschen Christdemokraten im Europaparlament, Daniel Caspary (CDU), warnte dagegen vor einer Schwächung der europäischen Wirtschaft insgesamt. Die Co-Vorsitzende Angelika Niebler (CSU) ergänzte, Unternehmen stünden schon durch hohe Energiepreise, Fachkräftemangel und Bürokratielast unter Druck. „Mit dem Lieferkettengesetz setzen wir jetzt noch eins drauf“, so Niebler.
Aus der EVP-Fraktion, zu denen die Christdemokraten gehören, stimmten 91 gegen die Richtlinie, zusammen mit Nationalkonservativen (EKR) und Rechtspopulisten (ID). Für das Gesetz votierten 55 EVP-Abgeordnete, 9 enthielten sich.
KNA