Protest gegen die Abschwächung des Lieferkettengesetzes in Berlin vor dem Bundeskanzleramt: Viele Menschen mit Plakaten voller Logos.
Warnung vor Rückfall in eine Welt der Rücksichtslosigkeit

Mehr als 200.000 Unterschriften für Erhalt des deutschen Lieferkettengesetzes

Berlin  ‐ Das Lieferkettengesetz in Deutschland soll abgeschwächt werden. Die Initiative Lieferkettengesetz wendet sich dagegen und hat Unterschriften gesammelt. Auch auf europäischer Ebene droht aus ihrer Sicht Ungemach.

Erstellt: 10.10.2025
Aktualisiert: 09.10.2025
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Befürworter des deutschen Lieferkettengesetzes zur Wahrung von Menschenrechts- und Umweltstandards pochen weiter auf dessen Erhalt. Die Initiative Lieferkettengesetz übergab am Mittwoch in Berlin symbolisch mehr als 200.000 Unterschriften unter einer entsprechenden Online-Petition an Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). „Wer das Lieferkettengesetz schwächt, gefährdet Menschenrechte, Umwelt und faire Wettbewerbsbedingungen“, warnte Sofie Kreusch von der Initiative. Statt Deregulierung brauche es eine Stärkung des Gesetzes – in Deutschland wie auch in Europa.

Das Gesetz verpflichtet große Unternehmen, auf Menschenrechte und Umweltstandards in ihren Lieferketten zu achten. Damit sollen Katastrophen wie beispielsweise der Rana Plaza-Einsturz in Bangladesch oder das Feuer bei Ali Enterprises in Pakistan künftig verhindert werden, bei denen jeweils hunderte Arbeiterinnen und Arbeiter aufgrund fehlender Sicherheitsmaßnahmen in Textilfabriken ihr Leben verloren. In beiden Fabriken ließen auch zahlreiche Großunternehmen aus Deutschland Textilien herstellen.

Die schwarz-rote Bundesregierung hat mit einem Entwurf aus dem Haus von Arbeitministerin Bärbel Bas (SPD) Anfang September die geplanten Änderungen am deutschen Lieferkettengesetz auf den Weg gebracht. Der Entwurf sieht unter anderem vor, die bestehende Berichtspflicht zu streichen. Die Dokumentationspflichten bleiben dagegen bestehen. Zudem sollen Verstöße künftig nur noch in besonders schweren Fällen bestraft werden, das maximale Bußgeld wird abgesenkt. Die Regierung begründet die Änderungen mit einem Abbau von Bürokratie, Einsparungen für die Wirtschaft in Höhe von 4,1 Millionen Euro jährlich sowie der Umsetzung der EU-Lieferkettenrichtlinie in nationales Recht.

Gefahr neuer Rana Plaza-Katastrophe?

Zehra Khan, Generalsekretärin der pakistanischen Gewerkschaft HBWWF, wies den Vorwurf des unnötigen bürokratischen Aufwands scharf zurück. „Wer das Lieferkettengesetz jetzt abschaffen oder schwächen will, riskiert, dass sich Katastrophen wie Rana Plaza wiederholen – mit unermesslichem Leid für die Betroffenen und ihre Familien“, so Khan. Diejenigen, die so täten, als sei dieses Gesetz zu bürokratisch, nähmen dies billigend in Kauf.

Einzelne Unternehmensverbände sehen im aktuellen Lieferkettensorgfaltsgesetz gar einen positiven Impuls für die Wirtschaft. So bewertete laut einer internen Umfrage eine Mehrheit der Mitglieder des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) die Regelung als „Chance, globale Lieferketten transparenter, fairer und nachhaltiger zu gestalten".

Derweil ist auch das EU-Lieferkettengesetz in Gefahr und könnte im Rahmen des sogenannten Omnibus-Pakets unter die Räder kommen. Die Richtlinie soll unternehmensfreundlicher gestaltet werden, derzeit wird in Brüssel nachverhandelt. Eine richtungsweisende Abstimmung des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments wird in der kommenden Woche erwartet. Das europäische Gesetz ist seit Juli 2024 in Kraft und sollte – nach einer Verlängerung – eigentlich bis 2027 von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden.

Der Initiative Lieferkettengesetz gehören mehr als 90 Mitgliedsorganisationen an, darunter zahlreiche aus dem Entwicklungs- und aus dem kirchlichen Bereich wie Misereor, Missio München, Kolping International, die Erzbistümer Paderborn und Freiburg, die Bistümer Mainz und Rottenburg-Stuttgart, der Bund der Deutschen Katholischen Jugend sowie der Katholische Deutsche Frauenbund.

weltkirche.de/dr/KNA

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