Entwicklungsministerium bleibt offenbar eigenständig
Venro: Viel Schatten, wenig Licht

Entwicklungsministerium bleibt offenbar eigenständig

Berlin  ‐ Haben die Warnungen doch Wirkung gezeigt? Laut dem neuen Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD gibt es auch in der künftigen Regierung ein eigenständiges Entwicklungsministerium. Strukturell könnte sich etwas ändern.

Erstellt: 09.04.2025
Aktualisiert: 10.04.2025
Lesedauer: 7 MINUTEN

Ein eigenständiges Entwicklungsministerium wird es in Deutschland offenbar auch weiterhin geben. Darauf verständigten sich Union und SPD in ihrem am Mittwoch veröffentlichten Koalitionsvertrag. Darin streben sie eine engere Zusammenarbeit zwischen Entwicklungsministerium, Auswärtigem Amt und Verteidigungsministerium an und bestätigen damit indirekt den Fortbestand des Ministeriums.

Gleichzeitig sollen entwicklungspolitische Schnittstellen zwischen den Ressorts reduziert und auch Mittel, die nicht im Bereich der öffentlichen Entwicklungsleistungen liegen, beim Entwicklungsministerium gebündelt werden. Dazu zählen Leistungen nicht-staatlicher Akteure wie Hilfsorganisationen, private Stiftungen oder Universitäten.

Die Schwerpunkte der Entwicklungszusammenarbeit sollen laut Koalitionsvertrag in der kommenden Legislatur vor allem auf der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, der Sicherung von Rohstoffen, der Zusammenarbeit im Energiesektor sowie insbesondere auf der Bekämpfung von Fluchtursachen liegen. „Wir werden weitere Unterstützung für Flüchtlinge in ihren Herkunftsländern und den Hauptaufnahmeländern leisten, auch um sie von der gefährlichen Flucht nach Europa abzuhalten und ihnen in ihrer Heimat Chancen und Perspektiven zu geben. Die Kooperationsbereitschaft der Partnerländer bei den Bemühungen, die irreguläre Migration nach Europa zu begrenzen und eigene Staatsbürgerinnen und Staatsbürger zurückzunehmen, ist ein zentraler Faktor für den Umfang der bilateralen Regierungszusammenarbeit“, heißt es dazu.

Gleichzeitig wird klargestellt, dass aufgrund der Notwendigkeit den Bundeshaushalt auszugleichen, eine „eine angemessene Absenkung“ der öffentlichen Entwicklungsleistungen erfolgen solle.

Zuletzt hatte es immer wieder Debatten über den Fortbestand eines eigenständigen Entwicklungsministeriums gegeben. Aus Kreisen von CDU und CSU hatte es mehrfach Vorstöße gegeben, das Ministerium als solches aufzuheben und die Entwicklungszusammenarbeit dem Außenministerium zu unterstellen. Gleichzeitig sollten auch Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit gesenkt werden.

Misereor: Einschnitte schwächen Deutschlands Rolle in der Welt

Für das katholische Werk für Entwicklungszusammenarbeit Misereor ist der Erhalt des Entwicklungsministeriums (BMZ) ein wichtiges Signal. „Internationale Kooperation ist angesichts der globalen Krisen und des Rückzugs anderer Staaten für Deutschland wichtiger denn je. Unsere Arbeit und Stärkung der Zivilgesellschaft in von Armut und Konflikten betroffenen Ländern hat damit einen klaren Platz im Parlament und am Kabinettstisch“, so Hauptgeschäftsführer Andreas Frick.

Mit Sorge betrachtet man bei Misereor gleichzeitig die Ankündigung, die Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit abzusenken. Schon jetzt müssten Projektmittel zur Anpassung an den Klimawandel und Ernährungssicherung in Ostafrika und Bangladesch, zu Gesundheitsprojekten für Mütter und Kinder im Sahel oder zur Versorgung von Flüchtlingen in Myanmar oder im Kongo gekürzt werden, so Frick. Weitere Mittelkürzungen bedeuteten, dass der Kampf gegen die Klimakrise, gegen Hunger, Armut und Krankheiten massiv geschwächt werde.

Zugleich kritisiert Frick die Abschwächung des deutschen Lieferkettengesetzes durch die geplante Abschaffung von Berichtspflichten und von Sanktionen gegen Verstöße. Diese wäre, so der Misereor-Hauptgeschäftsführer, „ein Rückschlag für alle Näherinnen, Plantagenarbeiter, indigenen Gemeinschaften und Kindern, die eventuell auch unter direkter oder indirekter Beteiligung deutscher Unternehmen ausgebeutet, vertrieben oder unterdrückt werden.“ Wie jedes andere Gesetz brauche auch das Lieferkettengesetz Sanktionsmöglichkeiten um seine Wirkung erzielen zu können, Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen und sie zu beenden.

Auch der Dachverband für Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe (VENRO) sieht in dem vorliegenden Koalitionsvertrag ein wenig Licht und viel Schatten. Der Erhalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sei wichtig, sagt VENRO. Ein Ministerium ohne ausreichende Finanzierung könne jedoch dem großen Bedarf für ein starkes internationales Engagement Deutschlands kaum gerecht werden. 

Positiv hervorzuheben sei zudem das Bekenntnis der neuen Bundesregierung zur Um- und Fortsetzung der Agenda 2030 und zum Pariser Klimaabkommen, so der VENRO-Vorsitzende Michael Herbst. Klar sei aber auch, dass dies in der Regierungsarbeit durch kohärente Maßnahmen mit Leben gefüllt werden müsse. „Lippenbekenntnisse allein werden nicht reichen“, so Herbst.

KNA

09.04.2025: Stellungnahmen Misereor und Venro hinzugefügt /dr

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