Der Amazonas bei Óbidos (Brasilien)
Bild: © KNA-Bild
Fossile Rohstoffe tief im Meer lassen Umwelt-Wahlversprechen kippen

Brasiliens Präsident Lula setzt jetzt auf Öl und Gas

Brasilia  ‐ Der Schutz des Amazonasgebiets gehörte 2022 zu Lulas wichtigsten Wahlkampfversprechen. Doch vor der Mündung des Amazonas liegen Rohstoffe im Wert vieler Milliarden.

Erstellt: 24.02.2025
Aktualisiert: 20.02.2025
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Von Thomas Milz (KNA)

Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva war sichtlich genervt. Verärgert hatte ihn ausgerechnet die staatliche Umweltbehörde Ibama. „Sie scheint gegen die Regierung zu arbeiten“, warf der 79-Jährige ihr vor. Im Mittelpunkt des Zwists stehen die gigantischen Gas- und Ölvorkommen, die vor der Atlantikküste des brasilianischen Amazonasgebiets vermutet werden. Lula will die fossilen Brennstoffe fördern, während die Behörde und Umweltaktivisten das verhindern wollen. Sie befürchten, dass Unfälle das Amazonasdelta verseuchen könnten. Auch indigene Lebensräume wären dann betroffen. 

Doch die Schätzungen klingen verlockend: Der halbstaatliche Energiekonzern Petrobras beziffert das Potenzial im Margem Equatorial, dem Seegebiet von der Grenze mit Französisch-Guyana bis zum brasilianischen Nordosten, auf 14 Milliarden Barrel Rohöl; ein Barrel entspricht 159 Litern. Im Fokus der Umweltschützer liegt vor allem das Gebiet vor dem Amazonasdelta und der nördlich anschließenden Küste des brasilianischen Gliedstaates Amapa. Dort allein sollen 5,6 Milliarden Barrel liegen. 

Aufschluss geben sollen Probebohrungen. Tatsächlich würde die Förderung erst Ende des Jahrzehnts beginnen. Petrobras betont, man erfülle bereits sämtliche Auflagen der Ibama. Letztlich werde die Behörde nicht darum herumkommen, Umweltlizenzen auszustellen, sagt Oscar Graca Couto, Professor für Umweltrecht an der Katholischen Universität von Rio de Janeiro, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). 

Drastische Kehrtwende

Mit seinen Plänen macht Lula eine Kehrtwende. Noch im Wahlkampf 2022 versprach er, die „räuberische Nutzung natürlicher Ressourcen“ in Amazonien zu bekämpfen. Auch wollte er sich für „wirtschaftliche Aktivitäten mit geringeren ökologischen Auswirkungen“ einsetzen und die Rechte der indigenen Bewohner verteidigen. Die von Vorgänger Jair Messias Bolsonaro vorangetriebene Ausbeutung Amazoniens verurteilte er. Brasilien werde unter ihm wieder die weltweite Avantgarde des Umwelt- und Klimaschutzes sein, versprach Lula. 

Tatsächlich hat die Regierung jüngst ein Gesetz verabschiedet, um den Treibhausgas-Ausstoß zu reduzieren. Gleichzeitig setzt sich Lula für Energieautarkie ein, um Spritpreise niedrig zu halten. 2006 waren vor der Küste Südbrasiliens Erdölfelder entdeckt worden, die nun 80 Prozent des Bedarfs abdecken. Doch die Fördermengen gehen zurück. Wohl in zehn Jahren müsste man Energieträger importieren, wenn die Felder im Norden nicht erschlossen werden, warnt Petrobras. 

In den Fokus gerückt waren die Vorkommen am Margem Equatorial durch gigantische Funde vor der Küste von Surinam und Guyana, Brasiliens armen Nachbarn. Mindestens 13,2 Milliarden Barrel Öl werden alleine vor Guyana vermutet. Der dortige Ölrausch hat im Norden Brasiliens Begehrlichkeiten geweckt. So drängen Politiker aus dem armen Gliedstaat Amapa Lula zum Handeln, allen voran Davi Alcolumbre, der neue Kongresspräsident. 

OPEC soll helfen

Bei einer Veranstaltung mit Lula verwies Alcolumbre darauf, dass sein Gliedstaat zu 97 Prozent mit Wald bedeckt sei. Die Welt möge nicht mit dem Argument kommen, man vernachlässige den Umweltschutz. Lula stimmte ihm zu. „Ich will die Umwelt schützen. Aber ich kann nicht diesen Reichtum in 2.000 Meter Tiefe einfach liegen lassen.“ 

An Amapa grenzt der Bundesstaat Para mit Belem als Hauptstadt. Ausgerechnet dort findet Ende des Jahres die Klimakonferenz COP 30 statt. Die Bohrungen könnten Brasiliens Image beeinträchtigen, sagen Umweltschützer. Lula will dieses Argument nicht gelten lassen. „Meinen Sie, dass sich die USA über unsere Bohrungen aufregen würden? Oder Frankreich und England, die selber in Surinam und Guyana bohren?“ 

Einen Kooperationspartner hat Brasilien offenbar schon: die Organisation erdölexportierender Staaten (OPEC). Die Kooperation gab die Regierung am Dienstag bekannt. Dies zeige, dass es Lula mit der Förderung von Gas und Erdöl ernst sei, selbst wenn die internationale Gemeinschaft dies als Rückschritt ansehen werde, sagt Experte Graca Couto. In einem sensiblen Gebiet wie Amazonien zu bohren, werde Brasiliens Anspruch auf globale Führerschaft bei grünen Themen unweigerlich beeinträchtigen. 

Mit Öl zur Energiewende?

Die Regierung will die erwarteten Milliardeneinnahmen eigenen Bekundungen zufolge auch in die Entwicklung Amazoniens stecken. Man werde die Lebensqualität der Menschen verbessern, versprach Waldez Goes, Minister für Integration und Regionalentwicklung. Rund 25 Millionen Brasilianer leben in der Region. Jedoch ist die Armutsrate hoch, was den Raubbau an der Natur anheizt. 

Umweltministerin Marina Silva umgeht indes den offenen Konflikt mit Lula. Die Übergang zu sauberer Energie müsse dringend vorangebracht werden, erklärte sie. Lula versprach ihr, Milliarden aus der Gas- und Ölförderung hierfür zu verwenden. Bereits 2008 war Silva wegen Lulas Plänen zur Entwicklung der Amazonasregion als Umweltministerin zurückgetreten; erst 2022 fand die Aussöhnung zwischen den beiden statt. Beobachtern zufolge könnte die aktuelle Kontroverse wieder zu einem Zerwürfnis führen. 

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