Santarèm/Parà/Brasilien: Anbau von Soja auf den riesigen Brandrodungsfeldern
„Kein Wald mehr, nur noch Sofa-Felder“

Wie die brasilianische Agrarindustrie den Regenwald gefährdet

Belém  ‐ Auch in diesem Jahr erzielt Brasiliens Agrarindustrie eindrucksvolle Ernteerfolge. Das Geschäftsmodell ist ausgesprochen lukrativ, aus ökologischer Sicht aber problematisch.

Erstellt: 12.11.2025
Aktualisiert: 10.11.2025
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Von Tobias Käufer (KNA)

Es ist ein höchst einträgliches Geschäft, das die brasilianische Agrarindustrie unter Federführung von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva entwickelt hat. In den vergangenen 25 Jahren explodierte der Soja-Export nach China geradezu. Peking ist Hauptabnehmer der Bohne, die im Reich der Mitte vor allem als Tierfutter verwendet wird. In der ersten Amtszeit von Lula (2003-2007) verlor das Amazonasgebiet die unvorstellbare Fläche von rund 100.000 Quadratkilometern Regenwald. Zugleich stiegen die Soja-Exporte nach China spürbar. Immerhin die Abholzung ist inzwischen gebremst, wenngleich noch nicht gestoppt. Das Geschäftsmodell Soja-Bohne auf abgeholzten Amazonas-Flächen ist indes fest etabliert.

Brasilien prognostizierte vor wenigen Wochen eine neue Rekord-Getreideernte von 354,7 Millionen Tonnen. Soja bleibt dabei mit einer geschätzten Ernte von 177,6 Millionen Tonnen das herausragende industriell produzierte Agrar-Produkt des Landes. In den vergangenen zwölf Monaten wuchs damit nach offiziellen Angaben die Anbaufläche noch einmal um 3,6 Prozent – und die Erntemenge um rund sechs Millionen Tonnen.

Weil die Amazonasregion im vergangenen Vierteljahrhundert so viel Regenwald verloren hat, reagieren die indigenen Völker Brasiliens mit großer Skepsis auf vollmundige Ankündigungen der amtierenden Lula-Regierung. Die hat versprochen, die Abholzung bis 2030 ganz zu unterbinden. Es ist aber nicht nur der Waldverlust, der ihnen Sorgen bereitet, sondern auch der Pestizid-Einsatz der Industrie. Denn irgendwann gelangt das Gift in die Flüsse.

„Es gab riesige Wälder mit großen Kastanienbäumen, die als Nahrungsquelle dienten. Die indigenen und nicht-indigenen Bewohner sammelten sie, um sie zu verkaufen“, schildert Pagé Nato Tupinambá das Leben früherer Tage. Das sei eine Möglichkeit gewesen, ein Einkommen ohne den zerstörerischen Goldbergbau zu erzielen, erläutert der indigene Geistliche aus dem Gebiet nahe der Stadt Santarém.

Thema beim „Gipfel der Völker“

Doch dann habe der Soja-Anbau begonnen. Alles sei gerodet worden, es seien riesige Soja-Felder entstanden. „Und die töten dann alles. Tiere, Wildtiere, Vögel. Sie zerstören das gesamte Ökosystem – das Leben, das für uns heilig ist.“

Pagé Nato hält das brasilianische Soja-Modell ohnehin für ungerecht: „Wir essen kein Soja. Das landet auf einem anderen Kontinent. Und was uns am meisten traurig macht, ist, dass die abgeholzten Wälder schlimme Folgen haben. Das sind diese großen Klimakrisen, die gerade passieren.“

Die indigenen Völker wollen das am Rande der Weltklimakonferenz in der brasilianischen Amazonas-Metropole Belém zur Sprache bringen. „Sie organisieren einen Gipfel der Völker, bei dem sie diese Themen aufgreifen und die Weltöffentlichkeit darauf hinweisen wollen“, sagt Stephan Neumann, Sprecher des katholischen Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat. Die Organisation unterstützt zahlreiche Umweltschutzprojekte in der Region.

Ein Ende des brasilianischen Soja-Booms ist dennoch nicht zu erwarten. Die Regierung plant den Ausbau weiterer Autobahnen und Eisenbahnlinien. Ein reibungsloser Transport zu den Häfen soll sichergestellt werden. Erfahrungsgemäß ist die Gefahr der Waldvernichtung entlang von Verkehrsachsen besonders groß, weil sich dort Chancen zur Ansiedlung bieten.

„Die Welt muss innehalten, bremsen, hinschauen und darüber nachdenken, wie man diese Situation abfedern kann. Wie kann man die großen Verluste mildern, die durch die Abholzung entstanden sind“, fragt Pagé Nato und erinnert sich an früher: „Wenn wir zum Beispiel mit dem Bus nach Brasília fahren, legen wir kilometerlange Strecken zurück. Wo früher Wald war, den wir durchquerten, gibt es heute keinen mehr. Es gibt nur noch Soja-Felder.“ Für die naturverbundene indigene Bevölkerung sei das besonders schmerzhaft. „Wir essen zwar kein Soja, aber sterben hier an den Folgen.“

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