Plakat mit der Aufschrift "Belém Capital da COP30" (Belém Hauptstadt der COP30) am 16. Oktober 2025 in Belém (Brasilien).
70.000 demonstrieren für Ende fossiler Energie – Kritik an Öl-Lobby

Halbzeit bei der Klimakonferenz COP30

Rio de Janeiro/Belém  ‐ Die Zivilgesellschaft macht in Belém Druck auf die Klimaverhandler; allen voran protestieren die Indigenen. Das bringt auch die brasilianischen Gastgeber in die Bredouille.

Erstellt: 18.11.2025
Aktualisiert: 18.11.2025
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Von Thomas Milz (KNA)

Rund 70.000 Personen haben am Wochenende nach Angaben der Organisatoren an einem Marsch für Klimagerechtigkeit durch die Innenstadt von Belém teilgenommen. In der nordbrasilianischen Metropole ist gerade Halbzeit bei der UN-Klimakonferenz COP30. Die Demonstranten forderten das Ende fossiler Brennstoffe wie Öl und Gas, die für die Klimakrise verantwortlich gemacht werden.

Es war das erste Mal seit 2021, dass es bei einer UN-Klimakonferenz wieder einen großen Protest gab. Damals, bei der COP 26 in Glasgow, protestierten 100.000 Menschen. Die folgenden Gipfel fanden in Ägypten, Dubai und Aserbaidschan statt – also in Ländern, in denen Kritik durch die Zivilgesellschaft nicht geduldet wurde.

Beim Protestmarsch in Belém wurde verlangt, dass die reichen Industrieländer der nördlichen Hemisphäre die Kosten für den globalen Klimaschutz übernehmen – wie bereits im Pariser Klimaabkommen von 2015 versprochen. „Weltweit leiden besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen des Globalen Südens unter dem Anstieg der globalen Temperaturen. Deshalb müssen wir die Länder des Nordens dazu bringen, die Rechnung zu zahlen“, erklärte Tulio Gadelha, Abgeordnete im brasilianischen Kongress.

Die diesjährige COP30 findet mitten in Amazonien statt – wo die Auswirkungen des sich ändernden Klimas unmittelbar zu spüren sind: Extremwetter, Verschiebung der Regen- und Trockenzeiten, Versteppung des Regenwaldes sowie ein Anstieg der Temperaturen. Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva wollte mit der Wahl Beléms der Welt vor Augen führen, wie konkret die Probleme tatsächlich sind.

Nun nutzen Tausende Indigene die COP in ihrer Heimat, um gegen das Vordringen der industriellen Landwirtschaft in Amazonien und Infrastrukturprojekte zur Erschließung der Region zu demonstrieren. Ihr Protest richtet sich aber auch gegen die Regierung von Präsident Lula, der 2023 mit dem Versprechen angetreten war, die indigenen Völker und die Natur Amazoniens zu schützen.

Während Lula Erfolge bei der Reduzierung von Rodungen und illegalen Aktivitäten wie der Goldförderung aufweisen kann, fordern Indigene die Zuteilung von Reservaten an die indigenen Völker und Kleinbauern - eine von Lula einst versprochene Agrarreform. Protestiert wurde auch gegen Pläne der Regierung, weitere Staudämme in Amazonien zu bauen sowie dort Öl und Gas zu fördern.

Die Vorhaben gehören zur Politik der Erschließung der Amazonasregion der Lula-Regierung, die erst vor wenigen Wochen das Anbohren von Öl- und Gasfeldern vor der Küste Amazoniens genehmigt hatte – gegen den Widerstand brasilianischer Aktivisten. Lula hatte erklärt, Brasilien brauche die Petro-Milliarden, um den Umstieg fossiler Energie auf saubere Energie zu finanzieren.

1.600 Fossil-Lobbyisten

Kolumbiens Präsident Gustavo Petro hatte bei der COP überraschend verkündet, die Förderung fossiler Energie im kolumbianischen Teil Amazoniens zu beenden, und die Anrainerstaaten aufgefordert, ihm zu folgen. Doch Brasilien wollte da nicht mitziehen.

Immerhin setzt sich Lula beim Gipfel dafür ein, einen Fahrplan zum Ausstieg aus den fossilen Energien auf den Weg zu bringen. Dieser gehört zwar nicht zur offiziellen Agenda. Die Lula-Regierung kämpft trotzdem für die Einsetzung einer Arbeitsgruppe, die bis zur COP32 im Jahr 2027 Vorschläge für eine solche Roadmap ausarbeiten soll.

Das wäre ein Sieg für Lula – und ein Signal in Richtung USA, die in Belém fehlen und unter Donald Trump wieder stark auf fossile Energien setzen. Allerdings sollen vor allem die großen Erdöl-Produzenten wie Saudi-Arabien gegen einen konkreten Ausstiegs-Fahrplan sein. In der zweiten Woche der COP30 stoßen die Fachminister aus aller Welt dazu, um bis zum Abschluss am 21. November zu einem Kompromiss zu gelangen.

Bislang hat der Gastgeber noch nicht viel vorzuweisen. Der von Brasilien vorgeschlagene Fonds zum Schutz der Regenwälder, für den man Zusagen von 10 bis 25 Milliarden Dollar während der COP erwartet hatte, steht bei gerade mal 5,6 Milliarden. Nachdem Deutschland nur eine unkonkrete Zusage gemacht hatte, sagte nun auch China ab – ein herber Rückschlag für Lula.

Auch seine Initiative gegen die Verbreitung von Fake News über den Klimawandel hat bislang nur die Unterstützung von zwölf Ländern bekommen, darunter Deutschland. Brasilien will bis zum Ende der COP30 mindestens 30 Länder für die Initiative gewinnen. Doch die ist vorerst nur symbolisch, denn sie sieht keine konkreten Aktionen vor, um den Wahrheitsgehalt von Informationen über den Klimawandel zu garantieren.

Derweil gibt es Kritik an der COP-Organisation. So wurde bekannt, dass unter den 50.000 Delegierten auch 1.600 Öl-, Gas- und Kohle-Lobbyisten sind, mehr als bei vorherigen Gipfeln. Vertreter der Zivilgesellschaft kritisierten dies scharf und forderten die Organisatoren auf, die Lobbyisten auszusperren. Diese wollten nur mögliche Kompromisse torpedieren.

Die UNO kritisierte Brasilien derweil wegen mangelnder Sicherheit, nachdem mehrere hundert indigene Aktivisten am Dienstag das Konferenzgebäude gestürmt hatten. Zudem beschwerte sich die UNO über einen Mangel an Klimaanlagen. Teilnehmer berichten über teils enorme Hitze in den Konferenzgebäuden – was am Ende nicht ohne Ironie ist.

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