Blühende Hoffnung für die Armen der Amazonasmetropole Manaus
Belém/Essen ‐ Schwester Elis dos Santos und die Casa Amazônica verändern das Leben der Armen am Stadtrand von Manaus mit den Ideen der Solidarwirtschaft von Papst Franziskus. Unterstützt werden sie dabei vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat
Aktualisiert: 08.12.2025
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Schwester Elis Santos verteilt Hacken und Macheten an fünf Frauen und einen Mann. So „bewaffnet“ betritt die Gruppe ein verwildertes Areal, etwa fünf Tennisfelder groß. Um der tropischen Hitze zuvorzukommen, ist die Gruppe bereits früh am Morgen unterwegs, um das Gelände von Unkraut und Müll zu befreien. Hier soll ein Gemeinschaftsgarten entstehen. Mit Elan werden Hacken in den Boden geschlagen, mit Macheten das hohe Gras und Sträucher gekappt. Bald strömt allen der Schweiß von der Stirn.
Dieser Garten soll mitten in Zumbi dos Palmares erblühen, einem armen Vorort der Millionen-Metropole Manaus. 40.000 Menschen leben hier. Die kleinen Häuser stehen eng beieinander. Grünflächen und Bäume sind Asphalt und Beton zum Opfer gefallen. Und die Bäche, die durchs Viertel fließen, gleichen Kloaken. „Unser Garten wird das Viertel verändern“, ist Schwester Elis überzeugt. „Er wird es grüner und lebenswerter machen und wieder Bewusstsein für die Umwelt schaffen.“
Elis dos Santos ist in Zumbi dos Palmares aufgewachsen. Ihre Mutter gehört zu den Gründerinnen des Viertels, das 1995 aus einer Landbesetzung durch Arme und Landlose hervorging. Der Ort habe damals den Geist der Revolution geatmet, erinnert sie sich. Leider sei davon heute nicht mehr viel übrig. Stattdessen lebten die Menschen vereinzelt, es gebe keine Solidarität, jeder schlage sich irgendwie im Chaos des Großstadtdschungels von Manaus durch.
Gemeinschaftsarbeit: Mit Hacken und Macheten muss die Brache im Stadtteil Zumbi dos Palmares zunächst gerodet werden.
Schwester Elis vom Orden der Heiligen Vorsehung will das ändern. Die 37-Jährige lebt mit drei weiteren Ordensschwestern in einem Haus in Zumbi dos Palmares. Sie haben es Casa Amazônica getauft. Das Amazonas-Haus soll zum Ausgangspunkt des Wandels im Viertel werden, der auf den Prinzipien der solidarischen Ökonomie basiert, einer Forderung von Papst Franziskus. „Die Solidarwirtschaft ist eine Alternative zum zerstörerischen Kapitalismus“, erklärt Schwester Elis. Arbeit und Mehrwert würden auf Grundlage gemeinschaftlicher Zusammenarbeit, fairem Handel und dem Respekt vor der Natur geschaffen. Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat unterstützt Schwester Elis und die Casa Amazônica bei diesem wichtigen Vorhaben.
Das zentrale Projekt ist der Gemeinschaftsgarten. Rund 40 Personen aus dem Viertel, die allermeisten von ihnen Frauen, arbeiten mit. Die Koordination der Gruppe hat Edilene Felicio übernommen, eine Umweltingenieurin. Die 42-Jährige berichtet: „Als wir das Grundstück zur Verfügung gestellt bekommen haben, war es vernachlässigt und die Anwohner luden ihren Müll hier ab.“ Die Bodenanalyse eines staatlichen Agrarinstituts ergab, dass man Bananen, Papayas, Limonen, Zucchini, Paprikaschoten, Karotten, Maniok und vieles mehr anbauen könne. Anstelle von Pestiziden soll im Garten Naturdünger genutzt werden, der aus der Kompostierung von organischen Abfällen des Viertels gewonnen wird.
Mit dem Garten wird für Edilene Felicio ein Traum war: „Der Kontakt mit der Erde und den Pflanzen macht mich glücklich.“ Der Garten werde den Menschen im Viertel zeigen, wie man gemeinsam einen vergessenen Ort zu neuem Leben erweckt. Die Ernte soll den Mitgliedern des Kollektivs zugutekommen – auch um neue Menschen anzulocken. Der Überschuss wird auf den Märkten der Region verkauft oder geht an Volksküchen, die Essen an sozial Schwache ausgeben. Für Edilene Felicio eine „Win-win-win-Situation“.
Ziel: Eigenes Einkommen
Ziel der Projekte der Casa Amazônica ist es, Einkommen für die Menschen im Viertel zu schaffen. Das funktioniert in Ansätzen für zehn Frauen und einen Mann, die Seifen aus recyceltem Fett herstellen. Die Koordinatorin Zuleine dos Santos hatte keine Ahnung, wie man Seife herstellt, wie die 55-Jährige selbst sagt. „Aber hier habe ich es gelernt. Das macht mich stolz.“ Seit die richtige Mischung gefunden ist, stelle man 1a-Seife her. „Besser als im Supermarkt!“
Das Fett zur Seifenherstellung stammt aus den Küchen von Zumbi dos Palmares. Viele Bewohnerinnen füllen es nach dem Braten ab und bringen es zur Casa Amazônica. Zuleine Dos Santos filtert das Fett, erhitzt es auf einem kleinen Herd und mischt es mit verschiedenen Chemikalien. Nach 15 Minuten ist ein Geschirrspülmittel entstanden. „So recyceln wir einen Teil des Fetts im Viertel und es landet nicht im Abwasser“, erläutert sie. Die Seifen werden im kleinen Laden der Casa Amazônica und auf den Märkten der Region verkauft und bescheren der Gruppe ein kleines Einkommen.
Alle Frauen der Seifengruppe betonen das tolle Gemeinschaftsgefühl. „Ich war vorher einsam“, sagt Franci Palheta. „Aber jetzt sind wir gemeinsam produktiv, das verbindet uns.“ Für die 44-Jährige bedeutet die Casa Amazônica Hoffnung. „Wir sind nur ein Tropfen im Ozean, aber wir sind ein Anfang.“
„Vor allem mangelt es an Zuwendung“
Im Beratungsraum der Casa Amazônica sitzt eine 70-jährige Frau. Ihr Mann sei kürzlich gestorben und sie müsse sich jetzt allein um ihren behinderten Sohn kümmern, berichtet sie erschöpft und traurig Maria de Lourdes. Die 59-Jährige ist in Pflanzenheilkunde und Ernährungswissenschaft ausgebildet und leitet die Gruppe „Alternative Medizin“ der Casa Amazônica.
Die Frauen wenden alternative Heilverfahren an, um Gesundheitsprobleme zu mildern, und die kleine Apotheke bietet Naturheilmittel an, die mit Zutaten aus dem Kräutergarten hergestellt wurden. Denn das staatliche Gesundheitssystem in Brasilien steht zwar jedem gratis offen, aber es gibt lange Schlangen, es fehlen Medikamente und die Qualität der Behandlung ist oft schlecht. „Vor allem mangelt es an Zuwendung“, sagt Maria de Lourdes.
Nach einem Gespräch verschreibt Maria de Lourdes der Witwe mit dem behinderten Sohn Kräutertees und eine Massage. Sie wird von Marilene Morais massiert, einer gelernten Therapiemasseurin. Die alte Frau sagt anschließend, dass sie sich viel besser fühle: „Es ist so wichtig für Menschen wie mich, dass es die Casa Amazônica im Viertel gibt. Ich habe sonst niemanden, der sich um mich kümmert.“ Diese Reaktion erlebt Marilene Morais häufig. Und auch für sie hat das Engagement eine therapeutische Wirkung. „Es bedeutet Leben für mich.“
Schwester Elis und die Casa Amazônica verändern das Viertel Zumbi dos Palmares. Vor allem Frauen finden hier Gemeinschaft und lernen neue Fertigkeiten. Sie sind aktiv, haben wieder Kontakt mit der Natur, die ausgerechnet in Manaus, der Stadt mitten im Amazonas, wie ausgeschlossen wirkt. Und Schwester Elis arbeitet auch schon am nächsten Projekt der Solidar-Ökonomie. Sie will in Manaus ein Netzwerk für Mülltrennung und Recycling schaffen. Bei allem Tatendrang bleibt sie immer auch bescheiden: „Es macht mich glücklich, wenn ich sehe, dass wir mit Gottes Hilfe etwas bewegen.“
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