Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising
Erzbischof von München für neuen Internationalen Friedensbund

Marx: Feindschaften und Krieg nicht mit Religion begründen

München ‐ Ein internationales Symposium von Theologen und Ethikern erörtert in München Prinzipien eines nachhaltigen Friedens für Europa. Kardinal Marx bringt einen Internationalen Friedensbund der Katholiken ins Spiel.

Erstellt: 13.02.2024
Aktualisiert: 13.02.2024
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Nach den Worten des Münchner Kardinals Reinhard Marx verstrickt sich die Weltgemeinschaft derzeit in eine „schier hoffnungslose Spirale zunehmender Gewalteskalationen“. Angesichts dessen sei die Stimme des christlichen Glaubens nötiger denn je, erklärte Marx am Montag in München. Diese mahne zu Frieden, Versöhnung, Vernunft und Überwindung von Gewalt, erkenne aber auch das Recht auf Selbstverteidigung sowie die internationale Schutzverantwortung an.

Marx plädierte für eine richtige Mischung aus Entschlossenheit und Besonnenheit: „Entschlossenheit, um die Werte der Menschenwürde, der Freiheit und der Demokratie wirksam zu verteidigen und dabei solidarisch zusammenzustehen, und Besonnenheit und diplomatische Klugheit, um kollektive Feindbilder und Eskalationen zu vermeiden und zu überwinden.“

Der Erzbischof von München und Freising äußerte sich in einem auf Englisch gehaltenen Grußwort bei der Konferenz „Challenges of Russian War against Ukraine and Ethical Principles of Sustainable Peace in Europe“. Das zweitägige Symposium wird von der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Katholischen Universität der Ukraine Lwiw und der University of Notre Dame (USA) ausgerichtet.

Kraft zur Überwindung von Feindschaft

Christliche Friedensethik sei nicht naiv, betonte der Kardinal; vielmehr rechne sie „von Anfang an mit der Neigung des Menschen zu Gewalt und sogar zu Brudermord, wie die Geschichte von Kain und Abel zeigt“ und baue auf die Kraft zur Versöhnung und Überwindung von Feindschaft. Marx erinnerte an die Gründung des Friedensbundes der Deutschen Katholiken nach dem Ersten Weltkrieg und brachte die Idee eines „neuen Internationalen Friedensbunds der Katholiken“ ins Spiel. In diesen Tagen könnten dabei auch das ökumenische Gespräch mit den orthodoxen Schwestern und Brüdern und der Dialog mit den verschiedenen Vertretern des Islam eine Schlüsselbedeutung bekommen. In jedem Fall müsse der „Inanspruchnahme von Religion zur Begründung von Feindschaften und Krieg auf allen Ebenen“ entschieden widersprochen werden.

Daneben kritisierte Marx, dass nationale Eigeninteressen internationale Organisationen in ihrer Handlungsfähigkeit blockierten. So werde etwa „der Sicherheitsrat der UNO zunehmend von den Vetomächten für ihre Partikularinteressen missbraucht und hat daher Glaubwürdigkeit eingebüßt“. Nach der Einschätzung von Papst Franziskus in Fratelli tutti sei das Ende des Kalten Krieges nicht ausreichend genutzt worden, um dauerhaften und nachhaltigen Frieden zu schaffen und die Architektur einer neuen Weltordnung, unter anderem durch Reformen der UNO, voranzutreiben, so Marx.

In seinen Ausführungen unterstrich der Erzbischof, dass für das Profil der katholischen Friedensethik „nicht das Ideal bedingungsloser Gewaltlosigkeit“ entscheidend sei, „sondern das Ideal einer Überwindung der Gewalt durch Recht und Dialog“. Das komme auch in dem Konzept vom „Gerechten Frieden“ zum Ausdruck, der in der christlichen Friedensethik den lange prägenden Begriff vom „Gerechten Krieg“ abgelöst habe: „,Gerechter Friede‘ nimmt die Vielfalt und Vernetzung von militärischen, diplomatischen und zivilgesellschaftlichen Aspekten des Ringens um Frieden, Freiheit und Sicherheit in den Blick.“

„Nachhaltiger Friede“ als Leitbild?

Am Afghanistan-Konflikt habe sich exemplarisch gezeigt, „dass die westlichen Mächte zwar stark mit Waffen ausgestattet sind, es jedoch erheblich an einer Professionalisierung der zivilgesellschaftlichen Konfliktbewältigung fehlte, um dauerhaft Frieden zu gewährleisten“, kritisierte der Kirchenmann. Demgegenüber müsse das Ziel ein „nachhaltiger Friede“ sein, der nur unter internationaler Solidarität und aktiver Mitwirkung der Zivilgesellschaft zu erreichen sei. Mit Waffen allein könne man vielleicht einen Krieg gewinnen, aber niemals nachhaltigen Frieden erzielen.

Gewalt- und Menschenrechtsverletzungen müssten frühzeitig benannt werden, forderte der Kardinal. Widerstand sei zu leisten gegen Ideologien, repressive Politikformen und Ausgrenzung. Zudem müsse akut gegen eine Manipulation der öffentlichen Meinung in den digitalen Medien, in deren Schatten sich nationalistisch-aggressive Denkmuster ausbreiteten, vorgegangen werden. So gelte es, generalisierenden Feindbildern entschlossen entgegenzutreten und Völkerverständigung als eine Herausforderung zu begreifen, die zunehmend auch Entwicklungs-, Klima- und Migrationspolitik umfasse. Nur so komme die Welt zu einem gerechten und nachhaltigen Frieden.

Das Symposium in München fand im Kontext der Münchner Sicherheitskonferenz statt, zu der jährlich im Februar Experten und Entscheiderinnen aus den Bereichen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik zusammenkommen..

KNA/eomuc/dr

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