
Kirchenleute und Experten debattieren über Friedenswort der Bischöfe
Berlin ‐ Friedensappell, Werteverlust, moralische Orientierung: Christliche Ethik sollte dem globalen Machtpoker etwas entgegensetzen. Das empfehlen verschiedene Experten bei einer Tagung zum Friedenspapier der deutschen Bischöfe.
Aktualisiert: 08.07.2025
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Im Rahmen einer zweitägigen Fachtagung haben etwa 40 Expertinnen und Experten aus den Bereichen Friedensethik und Sicherheitspolitik über die Inhalte des 2024 erschienenen Friedensworts der deutschen Bischöfe „Friede diesem Haus“ diskutiert. Eingeladen zu der Veranstaltung, die am 1. Juli in Berlin endete, hatte die Deutsche Bischofskonferenz, vertreten durch die Kommission Weltkirche, gemeinsam mit der Deutschen Kommission Justitia et Pax.
In seiner Begrüßungsansprache wies der Vorsitzende der Kommission Weltkirche, Bischof Dr. Bertram Meier (Augsburg), auf die großen Friedensbedrohungen unserer Zeit hin. „Mit großer Sorge stellen wir fest, dass Kriege wieder als reguläres Mittel der Politik angesehen werden“, so Meier. Die internationalen Kooperationsstrukturen, die im Ausgang des Zweiten Weltkriegs mühsam aufgebaut wurden, würden zugunsten nationaler Eigeninteressen geopfert. Der Mangel an Kooperationsbereitschaft und an einer rechte- und regelbasierten Ordnung drohe die Welt ins Chaos zu stürzen.

Der Vorsitzende der Deutschen Kommission Justitia et Pax, Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz (Paderborn), konkretisierte in seinem Grußwort diese Friedensbedrohungen mit Blick auf die Situationen in der Ukraine und im Nahen Osten und ermutigte zu einem gemeinsamen Dienst für den Frieden. Aus seiner Perspektive sei ,Friede diesem Haus‘ weit mehr als eine intellektuelle und auch spirituelle Auseinandersetzung mit friedenspolitischen Fragen. „Der Text ist vor allem ein Anfang, sich in einer gemeinsamen Anstrengung in den Dienst des Friedens zu stellen“, sagte der Erzbischof.
In seinem thematischen Einstieg in die Tagung legte Ulrich Pöner, Leiter des Bereichs Weltkirche und Migration im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, die Genese, den Kontext und die zentralen Aussagen von „Friede diesem Haus“ dar. Er führte dabei aus, dass das Friedenswort durch drei thematische Stränge charakterisiert sei: die friedenspolitische Bedeutung einer internationalen Ordnung trotz ihrer zunehmenden Erosion; die Instrumentalisierung kultureller und religiöser Identitäten in Konflikten; und schließlich die Auseinandersetzung mit den vielfältigen Gewaltphänomenen unserer Zeit.
Im Anschluss daran wurde der Raum für vielfältige Resonanzen eröffnet. In einer ersten Einheit reagierten katholische Organisationen aus ihrer jeweiligen Perspektive auf das Friedenswort. Hierbei wurden, heißt es in einer Mitteilung der Deutschen Bischofskonferenz, die Reflexionen des Friedenswortes zum Spannungsfeld zwischen dem christlichen Pazifismus und der legitimen Gewaltanwendung positiv hervorgehoben. Die Überlegungen des bischöflichen Wortes böten eine Möglichkeit, diese beiden friedensethischen Traditionen der Kirche in einen konstruktiven Dialog miteinander zu bringen.
Gewürdigt worden sei demnach auch die realistische Gegenwartsanalyse, die nicht in einem politischen Fatalismus münde. „Friede diesem Haus“ sei vielmehr dadurch gekennzeichnet, gerade in einer Welt in Unordnung für eine kooperative und wertebasierte Friedenspolitik einzutreten. Dazu seien aber konkrete politische Handlungsempfehlungen nötig, die das Friedenswort nach Auffassung mancher Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht immer böte. Auch wurden die Bischöfe dazu ermuntert, aus den friedensethischen und -politischen Grundsatzreflexionen pointierte Konkretisierungen zu erarbeiten, mit denen die Kirche in einen kritischen Dialog mit der Politik eintreten könne.
Sicherheitsexperte: Politisch denkender Papst tut Welt gut
Im Verlauf der Veranstaltung kamen zudem zahlreiche anerkannte Expertinnen und Expertinnen zu Wort, darunter beispielsweise Christoph Heusgen, Gesine Schwan und Marieluise Beck. Sie hoben die Möglichkeiten der katholischen Kirche hervor, sich für den Frieden einzusetzen. In einer von Dr. Jörg Lüer, dem Geschäftsführer der Deutschen Kommission Justitia et Pax, moderierten Podiumsdiskussion vertrat Christoph Heusgen, Ex-Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, die Ansicht, ein politisch denkender Papst tue der Welt gut. „Die katholische Kirche muss sich in die Diskussion einmischen, wenn Regierungen etwas machen, das nicht dem internationalen Recht entspricht. Da muss die Kirche Ross und Reiter nennen“, sagte der frühere Top-Diplomat bei der Veranstaltung in Berlin. Er zeigte sich erfreut, dass der neue Papst Leo XIV. das Thema Frieden von Anfang an in den Fokus gerückt habe.
Als weiteren Punkt hob er die Bedeutung einer regelbasierten Ordnung hervor. „Dank der auf der deutsch-französischen Aussöhnung beruhenden Europäischen Union genießen wir die längste Periode des Friedens im Zentrum Europas. Das Recht des Stärkeren wurde abgelöst durch die Stärke des Rechts“ , so Heusgen. Diese gelte es – trotz allem – auch weltweit zu bewahren.
Die langjährige Grünen-Politikerin, Staatssekretärin a.D. und Osteuropa-Expertin Marieluise Beck vom Zentrum Liberale Moderne entgegnete: „Ich tue mich schwer mit der Zuversicht des Glaubens, dass es der Herr am Ende richten wird.“ Aber das Papier biete Weltvorstellungen und ethische Orientierung, was heutzutage immer wichtiger werde: „Über eiskalte Machtpolitik entstehen Machtverhältnisse, in denen christliche Werte wie Fürsorge, Respekt vor dem Leben oder Toleranz mehr und mehr schwinden.“ Das ließe sich nicht nur in Russland, sondern auch zunehmend in den USA beobachten. „Ich glaube, wir verstehen noch gar nicht in vollem Umfang, wohin das alles führen wird“, so Beck.
Die Politikwissenschaftlerin und Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission, Gesine Schwan, würdigte dagegen den Aspekt der Zuversicht in dem Papier: „Gott hat diese Welt nicht zum Sterben geschaffen – das ist etwas, was mich persönlich trägt. Und ich habe mich gefreut, dass das in dem Dokument mehrfach aufgegriffen wird.“ Friede könne nur entstehen, wenn es einen moralischen Grundkonsens gebe. Mit Blick auf die machtpolitischen Entwicklungen derzeit sagte sie: „Wir sind mit unserem innerweltlichen Instrumentarium etwas am Ende – von daher ist es eine interessante Perspektive, dass das Papier in einem Gebet endet.“
Mit Blick auf die kommenden Herausforderungen sieht Schwan die politisch schwierige Aufgabe darin, angesichts der erneuten weltweiten Gewaltbereitschaft und zum Teil imperialen Aggressivität von Politik, beispielsweise von Putin, Abschreckung auch durch Waffen zu sichern und doch keine Aufrüstungsspirale ohne ,Ausgang‘ zu betreiben.
Die Stellungnahmen zum Friedenswort wurden durch Impulse aus der Friedensforschung und der Sicherheitspolitik abgerundet. Hierbei stand in erster Linie die Analyse des Bischofswortes im Kontext aktueller Friedensgefährdungen im Zentrum.
Dr. Constanze Stelzenmüller, Direktorin des Center on the United States and Europe in Washington, Prof. Dr. Ulrich Schneckener, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Stiftung Friedensforschung sowie Generalmajor Wolf-Jürgen Stahl, Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Berlin, stimmten der kritischen Analyse der Bischöfe zum Zustand der internationalen Politik und Kooperationsstrukturen prinzipiell zu. Sie machten darüber hinaus aber deutlich, dass sich die globalen Bedrohungen seit Erscheinen des Bischofswortes noch einmal verstärkt hätten.
Aus Sicht der Expertinnen und Experten sind die vielfältigen Angriffe auf die liberale internationale Ordnung in ihrer disruptiven Wirkung kaum zu unterschätzen. Eine besonders kritische Rolle spielten derzeit auch die USA, die immer weniger als Garant dieser Ordnung agierten. Angesichts dieser Entwicklungen müsse in Deutschland und Europa ein Bewusstsein für diese Friedensbedrohungen geschaffen werden, sodass sich eine gesellschaftliche Resilienz entwickeln könne. Dazu könne auch die Kirche ihren Beitrag leisten, indem sie die Fragen von Krieg und Frieden nachdrücklich in Gesellschaft und Politik einbringe. „Friede diesem Haus“ biete dazu zahlreiche Ansatzpunkte und scheue sich auch nicht, friedensethische Ambivalenzen und Spannungen zur Sprache zu bringen.
„Friede diesem Haus“. Friedenswort der deutschen Bischöfe
Mit „Friede diesem Haus“ versuchen die deutschen Bischöfe, die Friedensbotschaft des Lukas-Evangelium (10,5) im Angesicht der aktuellen weltpolitischen Situation zur Sprache zu bringen.
weltkirche.de/KNA/DBK

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