
Rüstungs- und Friedenspolitik auf dem Kirchentagspodium
Hannover ‐ Vom Kanzler bis zum Bischof: In Hannover wird um Krieg, Waffen und Frieden gerungen. „Oldtime-Kirchentagsbischöfin“ Margot Käßmann warnt vor Denkverboten.
Aktualisiert: 02.05.2025
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Sie ist längst im Ruhestand. Aber wenn ein Evangelischer Kirchentag läuft, dann ist der früheren Bischöfin Margot Käßmann größte Aufmerksamkeit sicher. Auch beim aktuellen Christentreffen in Hannover. Als „Oldtime-Kirchentagsbischöfin“ wird sie beim Interview auf dem „Roten Sofa“ begrüßt – und erntet Beifallsstürme. Dabei spielt Käßmann diesmal eine besondere Rolle – als Schirmherrin eines parallel und unabhängig organisierten Ökumenischen Friedenszentrums pazifistischer Organisationen. Wie man angesichts von Ukraine- und Gaza-Krieg Frieden schaffen kann – diese Frage gehört zu den Hauptdebatten. Und gibt auch einer weiteren, von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner angestoßenen Diskussion Feuer: Ob der Kirchentag nicht zu politisch daherkommt.
Der Moderator des Sofas begrüßt es denn auch, dass Käßmann nicht im Friedenszentrum geblieben ist. Den Akzent, der dort mit einem Appell gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen und höhere Rüstungsausgaben gesetzt wurde, trägt sie auch in das offizielle Programm. Zugleich bittet die Geistliche darum, Pazifisten nicht als Putin-Versteher abzutun und verschiedene Meinungen auf dem Kirchentag zuzulassen. Im Moment habe sie den Eindruck, dass dies nicht möglich sei. „Am Ende werden Waffen produziert, um damit Menschen zu töten“, so die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Es gehe doch auch ganz anders, wie der gewaltfreie Widerstand der Christen beim Niedergang der DDR zeige: „Es waren die Menschen von unten, die die Welt verändert haben.“
Im offiziellen Programm geht es beim Podium „Deutsche Zerrissenheit - Mit Waffen Frieden schaffen?“ um das Thema. Dabei vertritt Linken-Politiker Bodo Ramelow eine Position, die Käßmann recht nahe kommt. Angesichts des imperialen Verhaltens von Putin und Trump fordert der Bundestagsvizepräsident, Waffenlieferungen aus Deutschland im Grundgesetz zu verbieten. Der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck sieht es anders: „Wir wissen, dass Papst Franziskus immer gesagt hat, ohne Waffen müssen wir zum Frieden kommen“, räumt er ein. Aber es gebe ein Recht auf Selbstverteidigung. „Niemand muss sich dem Martyrium stellen.“ Waffen, betont der Bischof, dürften aber nur als letztes Mittel zum Einsatz kommen, um einen Aggressor zu stoppen.
Kirche hat eine politische Dimension
Diese Debatte allein zeigt, dass der Kirchentag und die Kirche ganz selbstverständlich eine politische Dimension haben. Der scheidende Kanzler Olaf Scholz (SPD) verteidigt dort am Freitag seinen Ukraine-Kurs: „Ich habe Deutschland dazu geführt, dass wir die Ukraine massiv unterstützen, als zweitgrößter Unterstützer in der Welt und größter in Europa.“ Doch in den Medien habe es nur eine Debatte gegeben: Ob es genug sei. Stattdessen hätte er lieber mit den Skeptikern diskutiert und ihnen erklärt, „warum wir so viel tun müssen“. Doch die Zweifler der Waffenlieferungen hätten nur bei der AfD und den Linken Fürsprecher gefunden. „Diese Debatte hat es sonst nicht gegeben“, kritisiert er.
Scholz ist vor Jahren aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Seine Gründe dafür will er nicht nennen. „Das ist eine Sache, die ich mit mir ausmache.“ Ab seinem 80. Lebensjahr – in rund 14 Jahren - könne er sich vorstellen, über diese philosophische Frage nach dem Warum zu sprechen. Halt habe ihm nicht der Glaube an Gott, sondern der an die Menschheit gegeben. Der Kirchentag zeige, „dass es auf uns ankommt. Es macht einen Unterschied, ob wir uns füreinander einsetzen“.
Nicht nur die Prominenz gibt sich auf dem Kirchentag politisch, sondern auch kirchliche Gruppen und Verbände auf dem „Markt der Möglichkeiten“. Da werben Initiativen für globale Gerechtigkeit und einen nachhaltigeren Umgang mit der Umwelt. Das Bündnis „Gemeinsam gegen Menschenhandel“ verlangt ein Sexkauf-Verbot wie in den nordischen Ländern. Damit Menschenrechte zum Ohrwurm werden, hat die Initiative „Sing Human Rights“ diese vertont und gibt in Hannover musikalische Kostproben.
Natürlich hat auch Käßmann ihre Meinung zum Thema Kirche und Politik. Sie erinnert an die lila Tücher, die beim Abschlussgottesdienst des Kirchentags 1983 die Tribünen des Niedersachsenstadions in Hannover bunt färbten, als Ausdruck des Widerstands gegen nukleare Aufrüstung. Ihr Tuch von damals habe sie ihrer Martin-Luther-Figur umgehängt. Als Theologin predige sie stets zur biblischen Botschaft, betont Käßmann. Die habe aber immer auch mit dem Leben der Welt zu tun. Und weil das nun mal in der Stadt – der Polis – geschehe, habe auch Kirche mit Politik zu tun.

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