Bischöfin Kirsten Fehrs, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), am 19. März 2024 in der Bischofskanzlei in Hamburg.
Debatte über Verteidigung und Waffengewalt

EKD-Ratsvorsitzende Fehrs: Friedensethik braucht Aktualisierung

Potsdam  ‐ Wohin, Friedensethik? Dieser unbequemen Frage stellten sich Bischöfe der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sowie ein früherer Wehrbeauftragter des Bundestages. Und die Diskutanten taten sich schwer mit der Antwort.

Erstellt: 21.06.2025
Aktualisiert: 18.06.2025
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Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs, hat eine Anpassung der friedensethischen Positionen ihrer Kirche gefordert. Zwar seien gewaltfreie Positionen für sie auch weiter prioritär; doch „ohne die Möglichkeit zur Verteidigung von Leib und Leben – notgedrungen eben auch durch Waffengewalt – ist kein gerechter und nachhaltiger Frieden in Sicht“, sagte Fehrs am Montagabend bei einer Veranstaltung in der Potsdamer Garnisonkirche.

Die Bischöfin weiter: „Dass wir es in Europa mit einem völkerrechtswidrig Krieg führenden Aggressor zu tun haben, der über Leichen geht und auch nicht zögert, mit dem Einsatz nuklearer Waffen zu drohen, können wir nicht einfach ignorieren.“

Die daraus resultierende Frage nach Abschreckung stellt die Friedensethik laut Fehrs vor ein ernstes Dilemma: Eine einseitige Abrüstung bedeute, „dass man sich den Interessen eines so unberechenbaren Aggressors, wie es die aktuelle russische Führung ist, letzten Endes wehrlos aussetzen würde“. Waffenlieferungen für die Ukraine seien nicht geboten; aber man könne dafür Verständnis aufbringen.

„Komplexe Konfliktlagen erfordern komplexe friedensethische Auseinandersetzungen“, sagte Fehrs. „Es braucht eine Verteidigungsstärke in diesem Land – dass ich das mal sagen würde, dass Abschreckung tatsächlich eine militärische Option ist, hätte ich nie gedacht.“

Friedensbeauftragter: Frieden nie mit Waffen geschaffen

Der EKD-Friedensbeauftragte Bischof Friedrich Kramer erklärte, Frieden werde nie mit Waffen geschaffen. „Selbst wenn ein Krieg, der ungerecht ist, mit Waffengewalt endet, beginnt erst die Arbeit für den Frieden.“ Persönlich glaube er nicht, dass im Krieg gegen Russland das Etikett „Verteidigung der Freiheit“ noch passe.

Als Kritiker der Waffenlieferungen habe man gesagt, dass der Krieg dadurch nicht schnell enden werde. „Wenn wir jetzt für unser Land darüber nachdenken, wie verteidigungsfähig wir sein müssen, müssen wir das Augenmaß beachten“, so Kramer. „Wenn ich stärker bin als ein Gegner, fühlt er sich logischerweise bedroht.“ Ein klares Angebot wäre es, würden die Nato-Staaten auf die Möglichkeit eines Erstschlags mit Atomwaffen verzichten.

Der frühere Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, forderte eine wirksame Abschreckung: „Nicht Schwäche garantiert heute Sicherheit, sondern glaubwürdige Abschreckung“, sagte Bartes. „Wir sind uns im Prinzip alle einig: Wir wollen nicht, dass Gewalt angewendet wird.“

Die Bundeswehr müsse stärker aufgerüstet werden: „Es geht heute um die Verteidigung Europas“, sagte Bartels. „Es geht um die Verteidigung unserer Bündnispartner.“ Nötig sei eine Bundeswehr, die kämpfen könne, um nicht kämpfen zu müssen.

KNA

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