Papst Franziskus: „Dritter Weltkrieg in Stücken“ verwandelt sich in einen echten globalen Konflikt
Vatikanstadt ‐ Immer wieder hat Papst Franziskus auf einen „dritten Weltkrieg in Etappen“ hingewiesen. Doch bei seiner Neujahrsansprache vor Diplomaten warnte er nun vor den realen Gefahren einer zunehmend zerrissenen Welt.
Aktualisiert: 16.01.2024
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Der „dritte Weltkrieg in Stücken“ verwandle sich in einen „echten globalen Konflikt“, hat Papst Franziskus gestern (8. Januar 2023) in seiner Ansprache an das beim Heiligen Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps gewarnt. Unter Bezugnahme auf sein häufig geäußertes Konzept eines „Weltkriegs in Stücken“ stellte Papst Franziskus fest, die Konflikte im vergangenen Jahr hätten nicht nur nicht abgenommen haben, sondern sich sogar noch ausgeweitet.
Der Papst beklagte auch die Schwächung des Multilateralismus, der sich beispielsweise in den UNO-Einrichtungen ausdrückt, und stellte fest, die Gremien, die zur Förderung von Sicherheit, Frieden und Zusammenarbeit geschaffen wurden, seien nicht mehr in der Lage, alle ihre Mitglieder an einem Tisch zu vereinen. „Es besteht die Gefahr einer „Monadologie“ und einer Aufsplitterung (der internationalen Gemeinschaft, Anm. d. Red.) in „Clubs“, die nur Staaten akzeptieren, die als ideologisch gleichgesinnt gelten. Selbst bislang gut funktionierenden Organisationen, die sich auf das Gemeinwohl und technische Fragen konzentrieren, droht eine Lähmung durch ideologische Polarisierung, da sie von einzelnen Staaten instrumentalisiert werden“, bedauerte er. Wer damit konkret gemeint war, wurde in der Rede nicht weiter ausgeführt.
Als Gefahr sieht Franziskus auch, dass moderne Kriege nicht mehr nur auf abgegrenzten Schlachtfeldern stattfinden und nicht nur Soldaten daran beteiligt sind. „In einem Kontext, in dem die Unterscheidung zwischen militärischen und zivilen Zielen nicht mehr zu gelten scheint, gibt es keinen Konflikt, der nicht in irgendeiner Weise die Zivilbevölkerung trifft“. Die zivilen Opfer dürften nicht als „Kollateralschäden“ betrachtet werden, warnt der Bischof von Rom, denn hinter dem Ausdruck stünden die Gesichter und Namen von Menschen, Männern, Frauen und Kindern. „ Wenn wir jedem einzelnen von ihnen in die Augen schauen, sie beim Namen nennen und ihre persönliche Geschichte erzählen könnten, würden wir den Krieg als das erkennen, was er ist: nichts als eine entsetzliche Tragödie und ein unnötiges Blutbad, das die Würde jedes Menschen auf dieser Erde verletzt“.
Papst Franziskus rief daher zur Achtung der Menschenrechte auf. Auch wenn man zur Selbstverteidigung gezwungen sei, müsse man immer die Verhältnismäßigkeit der Antwort beachten. „Die Ereignisse in der Ukraine und im Gazastreifen sind ein klarer Beweis dafür“, fuhr er fort: „Wir dürfen nicht vergessen, dass schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht Kriegsverbrechen sind und dass es nicht genügt, sie aufzudecken, vielmehr müssen sie verhindert werden. Wir brauchen daher ein stärkeres Engagement der internationalen Gemeinschaft für den Schutz und die Durchsetzung des humanitären Völkerrechts, das der einzige Weg zu sein scheint, um die Menschenwürde in Kriegssituationen zu schützen“.
Papst verurteilt Hamas-Anschläge vom 7. Oktober
Die Terroranschläge der Hamas auf Israel verurteilte der Papst scharf: „Ich kann an dieser Stelle nicht umhin, erneut meine Besorgnis über die Geschehnisse in Palästina und Israel zum Ausdruck zu bringen. Wir alle waren schockiert über den Terroranschlag gegen die Bevölkerung in Israel am 7. Oktober, bei dem so viele unschuldige Menschen auf grausame Art und Weise verletzt, misshandelt und getötet und viele als Geiseln genommen wurden. Ich wiederhole meine Verurteilung dieser Aktion und aller Formen des Terrorismus und Extremismus: Dadurch werden die Probleme zwischen den Völkern nicht gelöst, sondern vielmehr verschärft, was überall Leid verursacht. Tatsächlich hat dies eine starke militärische Reaktion Israels im Gazastreifen hervorgerufen, die zum Tod von Zehntausenden von Palästinenserinnen und Palästinensern, zumeist Zivilistinnen und Zivilisten, darunter viele Kinder, Jugendliche und junge Menschen, geführt und eine äußerst ernste humanitäre Situation mit unvorstellbarem Leid verursacht hat.“
Er rief die Internationale Gemeinschaft auf, auf eine Zwei-Staaten-Lösung hinzuarbeiten und appellierte, die Hamas-Geiseln frei und der palästinensischen Bevölkerung humanitäre Hilfe zukommen zu lassen.
Der Weg des Friedens führt für Papst Franziskus vor allem über die Achtung von menschlichem Leben, den Dialog, die Bildung die Abrüstung und die Achtung der Menschenrechte. „Waffen schaffen Misstrauen und vergeuden Ressourcen“, sagte er. Mit Blick auf bedeutende Friedensabkommen wie dem Karfreitagsabkommen in Nordirland wies er auf die Schwierigkeiten hin, denn Dialog erfordere Geduld, Beharrlichkeit und die Fähigkeit zuzuhören, aber wenn man einen aufrichtigen Versuch unternehme, Unstimmigkeiten zu beenden, könnten bedeutende Ergebnisse erzielt werden.
Komplette Ansprache nachlesen
Die Ansprache im Video (italienisch)
Die komplette Ansprache wurde in mehreren Sprachen auf den Seiten des Vatikanischen Presseamtes veröffentlicht.
weltkirche.de mit Material von Fides und vatican.va