Vertreibungen im Sudan dauern an
Khartum/Genf ‐ Seit einem Jahr kämpfen rivalisierende Generäle um die Macht in Khartum. Die Gewalt treibt Millionen in die Flucht und ins Elend. Internationale Hilfe ist derweil nur zu einem Bruchteil finanziert.
Aktualisiert: 19.04.2024
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Der Machtkampf im Sudan treibt auch nach einem Jahr täglich Tausende Menschen neu auf die Flucht. Allein im Südsudan kämen durchschnittlich 1.800 Schutzsuchende pro Tag an, teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Dienstag in Genf mit. Dies erhöhe den humanitären Druck in dem Land, das schon fast 640.000 Vertriebene aufgenommen habe, unter ihnen viele Südsudanesen, die zuvor in den Norden geflohen waren. Die Region erlebe eine der größten und herausforderndsten Krisen weltweit, sagte eine Sprecherin.
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Wegen des Konflikts zwischen Sudans De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan und seinem früherem Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo mussten laut UNHCR inzwischen mehr als 8,5 Millionen Menschen ihr Zuhause verlassen. Die städtische Mittelschicht mit Berufsständen wie Ärzten, Lehrern, Ingenieuren und höher Gebildeten sei fast vollständig zerstört.
Exodus in den Tschad
1,8 Millionen Menschen aus dem Sudan versuchten sich den UN-Angaben zufolge in Nachbarländern in Sicherheit zu bringen. Der Tschad habe den größten Flüchtlingszustrom seiner Geschichte erlebt. Die Zahl der registrierten sudanesischen Flüchtlinge in Ägypten habe sich verfünffacht. Auch Äthiopien, das schon eine der größten Populationen von Geflüchteten auf dem Kontinent beherberge, melde weiter neue Ankünfte.
Trotz des Ausmaßes der Krise seien von den veranschlagten 150 Millionen US-Dollar (138 Millionen Euro) eines regionalen Hilfeplans für das laufende Jahr nur 7 Prozent finanziert. Ein Plan für den Sudan selbst, der mit einem Bedarf von 2,7 Milliarden Dollar (2,5 Milliarden Euro) rechnet, ist laut UNHCR nur zu knapp 6 Prozent abgesichert.
Experten: Kriegsparteien zerstören gezielt Lebensmittel
Der Beginn des bewaffneten Konflikts zwischen Sudans Armee und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) jährt sich am 15. April zum ersten Mal. „Einiges weist darauf hin, dass beide Gegner Hunger als Kriegswaffe nutzen“, so die Einschätzung von Sudan-Forscherin Anette Hoffmann, die am Niederländischen Institut für Internationale Beziehungen tätig ist. Absichtlich zerstörten und plünderten die Kriegsparteien Lebensmittel. Dies beginne bereits auf den Feldern, wo die Kämpfer Aussaat und Ernte verhinderten. Derzeit steuere der Sudan auf eine landesweite Hungersnot zu.
Laut Eatizaz Yousif, Sudan-Direktorin des International Rescue Committee, ist eine wachsende Zahl von Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen: „Wir sprechen hier fast von der Hälfte der Gesamtbevölkerung von 45 Millionen.“ Zudem seien im Schnitt sieben von zehn Gesundheitseinrichtungen im Land zerstört oder geschlossen worden. Der Gesundheitssektor sei damit nahezu vollständig zusammengebrochen.
Stetiger Fluss an Waffen
Angefacht wird der Machtkampf zwischen Regierung und RSF auch durch ständige Waffenlieferungen. Insbesondere die RSF-Miliz profitiert dabei von stabilen Lieferketten. So kommen laut einem Bericht der Expertin Hager Ali vom Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien (GIGA) in Hamburg Waffen insbesondere über Libyen, Tschad und die Zentralafrikanische Republik ins Land, wobei die Vereinigten Arabischen Emirate und die Wagner Gruppe bei der Logistik unterstützen. Zudem hat die Führung der verfeindeten Gruppen keine komplette Kontrolle mehr über ihre einzelnen Einheiten. Das macht eine politische Lösung zwischen der Militärführung und dem Kopf der RSF schwierig.
KNA/weltkirche.de