Pädagogin Alexandra Hoff-Ressel, Mitarbeiterin am Zentralinstitut für Ehe und Familie in der Gesellschaft (ZFG) der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, am 12. Oktober 2023 in Berlin.
Bild: © privat/KNA
Interview mit Expertin Hoff-Ressel

Wie man mit Kindern über Krieg sprechen kann

Eichstätt ‐ Der anhaltende Krieg in der Ukraine und nun der Terrorangriff der radikalislamischen Hamas auf Israel. Schon für Erwachsene ist die Situation belastend. Wie aber sollten Eltern mit ihren Kindern über Gewalt und kriegerische Auseinandersetzungen reden?

Erstellt: 23.10.2023
Aktualisiert: 23.10.2023
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Die Diplompädagogin Alexandra Hoff-Ressel (41) vom Zentralinstitut für Ehe und Familie in der Gesellschaft (ZFG) der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt gibt im KNA-Interview konkrete Hinweise, wie das Gespräch mit Kindern über Krieg und Gewalt gelingen kann. Mit ihren Kollegen Peggy Puhl-Regler und Peter Wendl hat sie eine Handreichung zum Thema erarbeitet; Kooperationspartner ist seit 2001 die Katholische Militärseelsorge.

Frage: Frau Hoff-Ressel, wie sollten Eltern angesichts der aktuellen Nachrichtenlage mit ihren Kindern über Krieg und Gewalt sprechen?

Hoff-Ressel: Ratsam ist, erstmal herauszufinden, was die Kinder bereits dazu wissen. Seit mehr als eineinhalb Jahren dauert mittlerweile der Krieg in der Ukraine an. Da haben Kinder das eine oder andere schon mitbekommen: im Freundeskreis, im Kindergarten, in der Schule. Oder über die ständig präsenten Medien. Ganz oft, und das liegt natürlich am Alter, verfügen Mädchen und Jungen aber nicht über genug Hintergrundwissen, um die Eindrücke, die auf sie einprasseln, verarbeiten zu können. Den Jüngeren fehlt oftmals der Wortschatz, um zu artikulieren, was sie gesehen oder gehört haben.

Frage: Und wie reagiert man dann?

Hoff-Ressel: Wenn Kinder etwas aufgeschnappt haben, fehlt oft ein Teil der Informationen dazu oder diese sind fehlerhaft. Das muss man im Gespräch richtigstellen. Wenn dann konkrete Nachfragen kommen, gilt es dort anzusetzen und diese zu beantworten.

Frage: Welche Antworten sind für welches Alter sinnvoll?

Hoff-Ressel: Wir unterscheiden zwischen den Unterdreijährigen, den Kindergarten- und den Schulkindern. Bei den ganz Kleinen gilt: Krieg ist kein Thema, solange sie ihn nicht selbst dazu machen. Sollte man als Elternteil aber den Eindruck gewinnen, das Kind hat etwas mitbekommen, was es auch belastet, muss man reagieren. Grundsätzlich lautet unsere Empfehlung, egal für welche Altersgruppe: Man muss den Kindern nicht die ganze ungeschönte Wahrheit mitteilen. Es reicht aus, die für Kinder notwendigen Informationen auszuwählen und den Sachverhalt knapp sowie möglichst neutral darzustellen. Will ein Kind mehr wissen, fragt es nach.

„Man vergibt sich überhaupt nichts, wenn man dem Kind sagt: Ich habe auf diese Frage keine Antwort.“

—  Zitat: Alexandra Hoff-Ressel

Frage: Wie könnte eine solch kurze Antwort aussehen?

Hoff-Ressel: Oft genügt schon eine Bestätigung, dass das Kind Dinge richtig verstanden hat. So kann man auf die Frage, ob jetzt wirklich Krieg ist, sagen: Ja, es ist wirklich Krieg. Ich muss nicht gleich mit meinem Wissen als Erwachsener weit ausholen und erzählen warum.

Frage: Apropos Nachfragen. Was mache ich, wenn ich mich als Elternteil angesichts der komplizierten politischen Gemengelage überfordert fühle, eine korrekte Antwort zu geben?

Hoff-Ressel: Das kann vorkommen. Eine Möglichkeit ist dann, eine vertraute Bezugsperson hinzuzuziehen. Oder beide Eltern führen das Gespräch. Wenn man etwas nicht weiß oder sich selbst erst Gedanken machen muss, sollte man dies eingestehen und zu einem späteren Zeitpunkt die Antwort nachreichen.

Frage: Also ehrlich sein ...

Hoff-Ressel: Richtig. Man vergibt sich überhaupt nichts, wenn man dem Kind sagt: Ich habe auf diese Frage keine Antwort. Denn wir haben nun mal nicht auf alles eine Antwort.

Feine Antennen

Frage: Was halten Sie davon, ein kleineres Kind komplett von all den schlimmen Nachrichten fernzuhalten?

Hoff-Ressel: Es mag dem tiefsten Wunsch der Eltern entsprechen, ihre Kinder vor diesen schrecklichen Dingen schützen zu wollen. Das funktioniert eine Zeit lang, aber nicht auf Dauer. Denn Kinder schnappen immer etwas auf: Gesprächsfetzen, ein Bild in der Zeitung, im Fernsehen oder auf dem Handy. Als Erwachsener ist man ja auch nicht unberührt davon, was in der Welt passiert. Und Kinder merken, dass das Wort Krieg auch etwas in uns Erwachsenen auslöst, selbst wenn wir es nicht aussprechen.

Frage: Sollte man eigene Ängste als Erwachsener zugeben?

Hoff-Ressel: Kinder haben feine Antennen. Die bekommen mit, wenn etwas die Mutter oder den Vater belastet. Und die Haltung der Erwachsenen kann das Verhalten der Kinder in jegliche Richtung beeinflussen. Die Angst der Eltern kann die Unsicherheit der Kinder verstärken. Deshalb sollte man als Erwachsener so gut es geht ruhig bleiben, um den Kindern ein Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit zu geben. Dennoch können Sorgen benannt werden, wenngleich dass Kind damit nicht überfordert werden darf. Wer als Erwachsener seine Gefühle zeigt, ermutigt die Kinder dazu, es auch zu tun.

Frage: Haben Sie noch einen praktischen Tipp?

Hoff-Ressel: Zum Beispiel den Atlas aus dem Regal holen. Wenn man Kindern, die oft kein Gefühl für Entfernungen haben, zeigt, dass der Krieg nicht vor der eigenen Haustür stattfindet, sondern der Ort des Geschehens weiter weg liegt, schafft dies ein Gefühl von Sicherheit.

Die Fragen stellte Barbara Just (KNA)