Welche Motivation dazu gehört, eine solche Zeitspanne durchzustehen, kann man bei einem Rundgang durch die Fabrik noch spüren. Wir sehen Menschen, die unter schwierigen Bedingungen hart arbeiten und zugleich stolz auf die Fabrik, ihre Produkte und ihren Verdienst sind. Heute produzieren die 1.100 Mitarbeiter von „Cóocsa“ täglich 18.000 Reifen, die vor allem in den Export gehen. Ein Fließbandarbeiter verdient weit über durchschnittliche 2.000 Dollar im Monat – Ingenieure und das gewählte Leitungspersonal knapp das Doppelte. Auch die Krankenversicherung und die sehr gute Rente sind weit von Mexikos (Niedrig-)Standards entfernt.
Gelungener Neustart
Allerdings sah es im Jahr 2005, als ein mexikanisches Gericht den streikenden Arbeitern das Recht zusprach, kaum danach aus. Zwar konnten sie mit den Lohnnachzahlungen der letzten Jahre – gemeinsam mit einem großen Reifenhändler – das Werk aufkaufen. Aber die Bänder liefen drei Jahre nicht. Vieles war kaputt und die Rohstoffe unbrauchbar. Dennoch fingen sie an zu arbeiten, obwohl es unklar war, wann und ob sie überhaupt einen Lohn erhalten würden.
Letztlich gelang jedoch der Neustart – auch weil die Belegschaft durch den vorangegangenen Arbeitskampf gelernt hatte, was Solidarität bedeutet. Dennoch war die Umstellung nicht leicht. Aus abhängig Beschäftigten werden eben nicht über Nacht verantwortungsfähige Miteigentümer. Für ihren Kampf, der auch uns ein eindrückliches Beispiel an Hoffnung und Solidarität gab, erhielten sie im Jahr 2007 den Public-Eye-Award für alternatives Wirtschaften in Davos.
Von Wolf-Gero Reichert, Misso-Referent in der Diözese Rottenburg-Stuttgart