Wie gute Nachbarschaft zwischen Christen und Muslimen wachsen kann
Sankt Ottilien/Ndanda ‐ Die Mönche der Abtei Ndanda in Tansania haben mit islamischen Religionsführern und anderen christlichen Kirchen die „Good Neighbourhood Union“ gegründet. Aus dem nicht immer spannungsfreien Miteinander entwickelte sich ein gutes Verhältnis, berichtet P. Afrikanus Kanju OSB.
Aktualisiert: 30.05.2023
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Text und Fragen: Stefanie Merlin
Frage: Worum geht es, wenn die Mönche Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Religionen einladen?
P. Afrikanus Kanju OSB: Unter anderem wurde auf dem Treffen über die Rolle der Religion für die Zukunft des Landes diskutiert. Wir haben uns gefragt: Wie sieht unsere Rolle im Gemeinwesen genau aus und wie kann sie gelebt werden? Wir spüren, dass dieser freundschaftliche Austausch eine nachhaltige Wirkung hat. Durch diese Treffen wollen wir den Geist des Dialogs, der Zusammenarbeit, des Wissens übereinander und damit des Verständnisses füreinander bewahren.
Frage: Welche Glaubensgemeinschaften sind in der Union vertreten?
P. Kanju: Aus der direkten Nachbarschaft um unser Kloster im südlichen Tansania kommen Katholiken, Anglikaner, Mitglieder der Pfingstkirchen und Muslime. Sie stellen die Leiter und Organisatoren unserer Treffen in Ndanda. Einige Mitbrüder und ich arbeiten ebenfalls im Vorstand mit.
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Frage: Wie viele Christen und Muslime gibt es in der Region um das Kloster?
P. Kanju: In der Pfarrei sprechen wir von 15.000 Gläubigen, auch bei den Muslimen sind es zwischen 14.000 und 16.000 Personen; weitere christliche Denominationen liegen zwischen 2.000 und 3.000 Mitglieder.
Frage: Welche Rolle übernehmen Ihrer Ansicht nach die verschiedenen Religionen beim Aufbau einer guten und friedlichen Zukunft des Landes?
P. Kanju: Ein Denker hat einmal gesagt: „Gute Nation – gute Bürger.” So sehe ich es auch, denn die Religionen spielen mit ihren Gläubigen eine wichtige Rolle für das soziale Gefüge eines Landes: Es ist ihre Aufgabe, Frieden und Sicherheit im Land sicherzustellen. Das ist die Aufgabe eines jeden Bürgers.
Jede Generation leistet hier ihren Anteil. Die jüngsten Berechnungen haben ergeben, dass wir in Tansania inzwischen mehr als 61 Millionen Einwohner haben, die Hälfte davon sind junge Leute unter 18 Jahren.
So kommen der Bildung und Erziehung eine wichtige Bedeutung zu. Die Religionsvertreter sind gefragt, diese Jugendlichen zu begleiten und ihnen moralische Unterstützung zu geben, sodass sie sich als Bürger bewusst werden, dass sie es sind, denen dieses Land gehört und dass es ihre Aufgabe ist, es weiter voranzubringen. Daher sind wir beim Treffen übereingekommen, dass die Leiter unserer Dialog-Union spezielle Seminare für junge Menschen anbieten werden. Als weiteres großes Aufgabengebiet sehen wir übereinstimmend den Umweltschutz. Die Verschmutzung der Umwelt ist eine Verfehlung unserer Zeit, und als Gläubige müssen wir das thematisieren. Als Menschen sollen wir die Schöpfung pflegen und nicht zerstören.
Außerdem beschäftigt uns das Thema „Soziale Unsicherheit“. Das müssen wir ernstnehmen, denn immer wieder werben terroristische Organisation wie die Al-Shabab-Gruppen unter einem religiösen Deckmantel um junge Mitglieder. Dies ist ihnen möglich, weil bei Jugendlichen und Studenten die Unsicherheit angesichts drohender Arbeitslosigkeit hoch ist
Auch hier sind wir als religiöse Menschen gefragt: Gemeinsam wollen wir davon erzählen, was echte Nächstenliebe ist und welche Bedeutung sie für ein stabiles Gemeinwesen hat.
Frage: Wie können Sie das als Christen umsetzen?
P. Kanju: Ein englisches Sprichwort besagt: „Du kannst nicht geben, was du nicht hast.“ Wir sind uns bewusst, dass der Dialog mit unseren muslimischen Brüdern und Schwestern nicht immer einfach ist, aber wir versuchen im Alltag, ein Beispiel von unseren Überzeugungen zu geben, und bei Seminaren, die wir halten, über Toleranz und gute Werke zu sprechen.
Frage: Welche Wirkung hat die Arbeit der Dialog-Union in der Gegend von Ndanda?
P. Kanju: Seit der Gründung hat unsere Bewegung sicher schon Wirkung gezeigt. Ich erinnere mich, dass wir vor den ersten Treffen den jeweils anderen als Teufel sahen. Das Zusammensitzen, gemeinsames Essen und die Gespräche waren anfangs nicht einfach. Es gab beispielsweise Konflikte um Beerdigungen von Christen, die zwar nicht mehr zur Kirche gingen, aber sich als Christen verstanden haben. Die Moslems wollten diese Toten einfach in ihrem Ritus begraben. Wir sind übereingekommen, dass beim Wechsel der Religion die zuständigen Stellen informiert werden und einverstanden sein müssen. Heute ist es normal für uns, in der Kirche oder in der Moschee gemeinsam zu sitzen. Heute arbeiten wir auch, was den Religionsunterricht betrifft, zusammen. Nichts kann uns mehr trennen, seitdem wir verstanden haben, dass wir Brüder und Schwestern sind.
Frage: Welche Themen sind Sie zuletzt gemeinsam angegangen?
P. Kanju: Bei unserer letzten Tagung haben wir uns vor allem den jungen Leuten gewidmet. Es ging um moralische Fragen rund um Heirat und Beziehungen. Mit Vertretern der traditionellen Riten haben wir über Initiationsriten und den Übergang ins Erwachsenenalter gesprochen. Wichtig war uns darüber hinaus ein Aufruf an alle Eltern, in dem wir sie bitten, noch stärker Verantwortung für die schulische Bildung ihrer Kinder zu übernehmen.
Dieser Beitrag stammt aus Missionsblätter 1/23, www.missionsblaetter.de, dem Magazin der Missionsbenediktiner von St. Ottilien. Wir danken für die Erlaubnis zur Übernahme!