Bischof Meier beendet Solidaritätsbesuch in Nigeria
Bonn ‐ Religion hat in Nigeria einen hohen Stellenwert, doch zwischen Anhängern verschiedener Glaubensgemeinschaften kommt es in einigen Regionen immer wieder zu Gewalt.
Aktualisiert: 20.01.2025
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Bischof Dr. Bertram Meier (Augsburg), Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, ist von seiner einwöchigen Reise aus Nigeria zurückgekehrt. Am vergangenen Samstag (18.) landete in Deutschland. Angesichts der komplexen und schwierigen Lage in Nigeria brachte er insbesondere den dortigen Christen, die in manchen Regionen Benachteiligung und Bedrängung erfahren, seine Verbundenheit zum Ausdruck. In Gesprächen mit Kirchenvertretern sowie Repräsentanten von Staat und Zivilgesellschaft informierte sich Bischof Meier über die Gründe der vielschichtigen Krise und über mögliche Lösungswege.
Zum Abschluss der Reise fasste Bischof Meier seine Eindrücke zusammen: „Nigeria ist ein hochspannendes und vielfältiges Land, nicht allein wegen seiner geographischen und demographischen Größe. Die politische, ethnische, religiöse und soziale Gemengelage habe ich als hoch komplex empfunden, sie lässt sich nicht holzschnittartig darstellen. Allzu oft werden alle diese Konflikte mit breitem Pinselstrich als religiös motiviert gezeichnet; doch zeigt eine differenziertere Betrachtung eine Mixtur aus vielfältigen Ursachen.“
In den Gesprächen erfuhr Bischof Meier, dass die schwierige wirtschaftliche Lage im Land, die zur Verarmung vieler Menschen führt, wie Treibstoff für die Konflikte wirkt. Besonders deutlich formulierte dies der Erzbischof von Abuja, Ignatius Ayau Kaigama, der die grassierende Armut im Land als Nährboden für die dramatische Zunahme der Gewalt, auch für die ständig wachsende Zahl von Entführungen bezeichnete. Erzbischof Kaigama sieht gerade in Armut und sozialer Hoffnungslosigkeit auch eine wesentliche Ursache für den Zulauf zu islamistischen Terrorgruppen im Norden Nigerias.
Die schwierige Situation der Christen dort stand im Mittelpunkt der Begegnungen in Kaduna und Jos. Der Erzbischof von Kaduna, Matthew Man-Oso Ndagoso, der sich ebenso wie Erzbischof Kaigama intensiv für den interreligiösen Dialog einsetzt, berichtete, wie islamistische Gruppen leichtes Spiel hätten, arbeitslose Jugendliche mit finanziellen Versprechungen anzulocken. Die mangelnde Bildung sei ein weiterer wichtiger Faktor, der die Radikalisierung und Rekrutierung junger Menschen erleichtere. Den Angriffen der Islamisten sind in den zurückliegenden Jahren zahllose Christen, an vielen Orten aber auch Muslime zum Opfer gefallen. Sie belasten zunehmend das christlich-muslimische Verhältnis im ganzen Land. In Jos besuchte die Delegation zusammen mit Erzbischof Matthew Ishaya Audu die alte Kathedrale, die mitten in einem muslimischen Viertel steht. Nachdem das Pfarrhaus der Bischofskirche dreimal bei Unruhen niedergebrannt wurde, hat der Erzbischof in einem mehrheitlich christlichen Viertel mit dem Bau einer neuen Kathedrale begonnen.
Erzbischof Ndagoso von Kaduna berichtete, dass auch jenseits des islamistischen Terrorismus Christen in den nördlichen Staaten Nigerias, in denen offiziell die Scharia eingeführt wurde, unter Benachteiligung litten. Dr. Anthony Ojukwu, Vertreter der nationalen Menschenrechtskommission Nigerias, erklärte, dass die Scharia offiziell zwar nur für Muslime gelte, viele glaubwürdige Berichte aber zeigten, dass in der Praxis auch Christen ihr unterworfen werden. Erzbischof Ndagoso erläuterte eine systemische Benachteiligung von Christen in den nördlichen Teilen Nigerias, etwa wenn Baugenehmigungen für Kirchen nicht erteilt würden.
Bischof Meier zeigte sich beeindruckt von den Begegnungen mit den Christen und Muslimen, die sich trotz der schwierigen Umstände immer wieder für ein friedliches Miteinander einsetzen und sich um gewaltfreie Lösungen der komplexen Probleme bemühen. „Die interreligiösen Graswurzelbewegungen gehören zum Stärksten, was ich während dieser Reise erlebt habe. Immer wieder habe ich beim Gespräch mit diesen mutigen Menschen festgestellt, dass es eines Dreischritts bedarf, um wirklichen Frieden zu erreichen: Zuhören, Dialog und Versöhnung.“
Religiöse Elemente sind auch Teil des Konflikts zwischen Viehhirten und Bauern im „Middle Belt“, doch handelt es sich nach Einschätzung aller Gesprächspartner nicht um einen genuin religiösen Konflikt: „Es ist sehr einfach, alles auf einen Konflikt zwischen Christen und Muslimen zuzuspitzen, was es aber nicht ist. Im Vordergrund stehen ökonomische Gründe, der Zusammenstoß unterschiedlicher Lebensformen von Bauern und Nomaden und ethnisch-tribale Faktoren“, so Bischof Meier.
Den Spannungen zwischen den Religionen versuchen die in der „Christian Association of Nigeria“ (CAN) organisierten Kirchen, allen voran die katholische Kirche, durch zahlreiche Initiativen mit muslimischen Partnern entgegenzutreten. Bischof Meier traf sich unter anderem mit Vertretern des „Nigeria Interreligious Dialogue“, in dem muslimische Vertreter mit der CAN versuchen, in Krisensituationen gemeinsame Lösungen zu finden. Auf Gemeindeebene besuchte Bischof Meier das von Erzbischof Kaigama gegründete Dialogue, Reconciliation and Peace Centre in Jos und den Women’s Interfaith Council, der 2021 den Aachener Friedenspreis für seine interreligiös angelegte Friedensarbeit erhalten hat. Darüber hinaus kam Bischof Meier auch mit verschiedenen Ortsvorstehern, sogenannten „traditional leaders“, und dem Rat der Zentralmoschee von Jos zusammen, um gemeinsame Lösungsansätze kennenzulernen.
Abschließend hob Bischof Meier hervor, dass es gerade in Nigeria um gelebte Solidarität mit den Christen vor Ort und einen echten Dialog zwischen den Religionen gehen müsse: „Der Dialog wird in Nigeria immer eingebettet in einen geistlichen Rahmen, gleichsam ein spiritueller interreligiöser Dialog. Dieser Dialog muss dann auch ein Dialog der Tat werden, ein Dialog des Lebens, mitten im Alltag.“
DBK /dr