Auf der Flucht
Kriegstagebuch ‐ Seit Dezember 2013 herrscht im jüngsten Land der Erde, dem Südsudan, ein blutiger Konflikt. Anhänger von Staatspräsident Salva Kiir, der der Ethnie der Dinka angehört, kämpfen gegen die Volksgruppe der Nuer, die sich hinter dem ehemaligen Vize-Präsidenten Riek Machar vereint hat. Ein Kriegstagebuch von Pater Raimundo Rocha, Ordensmann der Comboni-Missionare :
Aktualisiert: 30.11.2022
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Leer, 20. Februar 2014
Am 29. Januar kamen betrunkene Soldaten und wollten unsere Autos haben. Das Krankenhaus und die Büros verschiedener Organisationen waren bereits geplündert worden. Inzwischen war fast die ganze Zivilbevölkerung geflohen. Wir erfuhren, dass auch Rebellen aus der Region Darfur im Anmarsch waren, die die Mission sicher nicht respektieren würden. Wir beschlossen zu fliehen. Im kleinen Ort Beer wähnten wir uns in Sicherheit. Doch dann kamen SPLA-Soldaten und Darfur-Rebellen – solche Leute klopfen nicht an die Tür, sie schießen sie einfach auf.
Wir nahmen, was wir tragen konnten, und rannten in den Busch. Irgendwann waren Pater Ernest und ich – die anderen hatten wir aus den Augen verloren – so erschöpft, dass wir einfach auf dem Boden liegen blieben. Als zwei Viehhirten kamen, gaben wir uns zu erkennen. Sie holten Rebekka, eine Angehörige der Kirche des nahegelegenen Ortes. Sie nahm uns mit und brachte uns zu den anderen unserer Gruppe. Einer unserer einheimischen Begleiter war ums Leben gekommen. Wir erfuhren auch, das zwei unserer Autos geraubt und das dritte von den Darfur-Soldaten angezündet worden war, weil es ihnen nicht gelungen war, es zu starten. An einem sicheren Ort mitten in einem Sumpfgebiet blieben wir zwei Wochen. Außer unseren Kleidern, einem alten Laptop und dem zur Feier der Eucharistie Notwendigen, hatten wir nichts mehr. Auf einem improvisierten Altar feierten wir die Heilige Messe. Nach zwei Wochen wagten wir uns nach Leer zurück, die Lage schien ruhiger. Es brach uns fast das Herz, als wir die ganze Anlage der Mission mit Schulen und dem Bildungszentrum geplündert und zerstört sahen. Nur die Kirche hatten sie verschont. Am 20. Februar wurden wir Missionare mit einem Hubschrauber der UNMISS (Vereinte Nationen im Südsudan) von Leer nach Juba geflogen.
Von Pater Raimundo Rocha
Aus: kontinente. Ausgabe Mai/Juni 2014. Mit freundlichen Dank für die Abdruckgenehmigung.