Nicht die Augen vor Schutzsuchenden in Ostafrika verschließen
Bonn ‐ Hamburgs Erzbischof Dr. Stefan Heße ist von einer Solidaritätsreise nach Kenia zurückgekehrt. Dort hatte er sich über die Situation der Geflüchteten sowie kirchliche und zivilgesellschaftliche Unterstützungsmaßnahmen informiert.
Aktualisiert: 10.06.2024
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Nach einwöchiger Solidaritätsreise ist der Hamburger Erzbischof Dr. Stefan Heße, Vorsitzender der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz und Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen, am Samstag (08.) aus Kenia zurückgekehrt. Während seines Aufenthalts in dem kam Heße nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz mit zahlreichen Schutzsuchenden aus Ostafrika ins Gespräch: Menschen aus dem Südsudan, Somalia und der Demokratischen Republik Kongo, aus Burundi, Uganda und Ruanda. „Sie berichteten von gewaltsamen Konflikten und schweren Menschenrechtsverletzungen in ihren Heimatländern. Allein in Kenia leben aktuell rund 800.000 Flüchtlinge“, so Heße. Die Herausforderungen seien groß, aber es gebe auch eine enorme Hilfsbereitschaft.
In der kenianischen Hauptstadt Nairobi erörterte er mit dem deutschen Botschafter, Sebastian Groth, Vertreterinnen des Hohen Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) sowie mit Ansprechpartnern der kenianischen Zivilgesellschaft und deutscher politischer Stiftungen Probleme und Lösungsansätze im Bereich des Flüchtlingsschutzes. Im Fokus standen dabei der Rückgang internationaler Hilfsleistungen und die Kürzung der Lebensmittelrationen auf weniger als die Hälfte, Hürden beim Zugang zu Bildung und Arbeit sowie Spannungen zwischen Geflüchteten und der Aufnahmegesellschaft. Ebenfalls diskutiert wurden aktuelle Bemühungen der kenianischen Regierung, die Flüchtlingslager zu regulären Siedlungen weiterzuentwickeln und langfristige Integrationsperspektiven zu schaffen.
Bei Treffen mit dem Erzbischof von Nairobi, Philip Subira Anyolo, dem kenianischen Migrationsbischof Henry Juma Odonya und Caritas-Mitarbeitern erhielt Heße Einblick in die Arbeit der Ortskirche. „Die katholische Kirche übernimmt in Kenia eine wichtige Rolle bei der Aufnahme und Integration von Geflüchteten. Gemeinsam mit internationalen Partnern setzt sie sich dafür ein, dass die Bedürfnisse von Geflüchteten gesehen werden und sie in Würde leben können“, sagte Heße. Im wirtschaftlich benachteiligten Stadtteil Githurai und im Kangemi-Slum betonten sowohl Flüchtlinge als auch Einheimische die überlebensnotwendige kirchliche Unterstützung.
In Gesprächen mit dem Apostolischen Nuntius in Kenia und im Südsudan, Hubertus Matheus Maria van Megen, und einem Vertreter der ostafrikanischen Bischofskonferenzen (AMECEA) informierte sich Heße über die angespannte Lage in der Region. „Die in Europa geführten Diskussionen, den Flüchtlingsschutz noch stärker als bisher in den Globalen Süden auszulagern, wirken hier vor Ort besonders befremdlich. In ganz Ostafrika leben über fünf Millionen Flüchtlinge, hinzu kommen 18 Millionen Binnenvertriebene. Wir dürfen die Verantwortung für den Flüchtlingsschutz nicht auf Länder abschieben, die ohnehin schon stark belastet sind“, betonte er. Fluchtbewegungen seien eine globale Herausforderung und erforderten deshalb auch globale Lösungen.
Besuch im Flüchtlingslager
Eine weitere Station der Reise war das Turkana County im Nordwesten Kenias, eine von Trockenheit und Dürre geprägte Gegend, in der sich das Flüchtlingslager Kakuma befindet. „Das Leben in Turkana ist von bitterer Armut und ökologischen Widrigkeiten gezeichnet. Es ist für die Flüchtlingshilfe hier von großer Bedeutung, die harte Lebenswirklichkeit der Menschen im Blick zu behalten und auch die lokale Bevölkerung zu unterstützen“, betonte Erzbischof Heße. Aktuell haben allein in Kakuma etwa 300.000 Schutzsuchende Zuflucht gefunden. Im Flüchtlingslager konnte die Delegation verschiedene Projekte des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes (JRS) und der Salesianer Don Boscos besuchen: „Es erfüllt mich mit Dankbarkeit und Demut, dass die Menschen, mit denen ich gesprochen habe, trotz aller leidvollen Erfahrungen den Lebensmut nicht verloren haben. Inmitten der Not habe ich Inseln der Hoffnung gesehen: eine Bildungs- und Hilfseinrichtung für behinderte Kinder, einen ‚sicheren Hafen‘ für Opfer sexueller Gewalt, eine mit einfachsten Mitteln aufgebaute Schule, in der mit Begeisterung unterrichtet und gelernt wird. “ In Zusammenarbeit mit dem UNHCR und weiteren Stellen leisteten die kirchlichen Organisationen einen entscheidenden Beitrag dazu, dass Wunden allmählich heilen und Menschen einen Neufanfang wagen könnten.
Zusammen mit dem Generalvikar des Bistums Lodwar besuchte Heße auch ein provisorisches Lager für Binnenvertriebene. „Eine Frau erzählte mir, dass sie in den vergangenen Jahren mehrmals ihr Zuhause verloren hat. Extreme Dürreperioden und Überschwemmungen wechseln sich in einer bis vor Kurzem ungekannten Intensität ab. Die Menschen in dieser Region werden um ihre natürlichen Lebensgrundlagen gebracht, die Auswirkungen des Klimawandels sind mit Händen greifbar“, so Heße.
Sowohl in Nairobi als auch in Lodwar sprach Heße mit Stipendiaten und Absolventen des Katholischen Akademischen Ausländer-Dienstes (KAAD) über die Situation somalischer Flüchtlinge, geschlechtsspezifische Gewalt, klimainduzierte Migration und nachhaltige Landwirtschaft. „Das vielfältige Engagement der KAAD-Stipendiaten in Kenia hat mich beeindruckt. Sie setzen sich mit akademischem Sachverstand und praktischer Expertise für gesellschaftliche Verbesserungen ein“, lobte Heße.
Während seiner Reise feierte Heße mehrere Gottesdienste mit Gläubigen aus Kenia und anderen ostafrikanischen Ländern. „Besonders bewegend war für mich der Gottesdienst, den ich mit Hunderten von Schutzsuchenden im Lager Kakuma feiern durfte. Die ansteckende Freude, mit der die Menschen gesungen, getanzt, gebetet und gefeiert haben, nehme ich mit nach Hause. Gleichzeitig verbindet sich mit dieser Erfahrung auch ein klarer Appell: Verschließen wir nicht die Augen vor der Not der Schutzsuchenden in Ostafrika! Die Menschen haben Anspruch auf unsere Solidarität und Unterstützung!“
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