Hunderte Tote bei Dammbruch in Brasilien
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Hunderte Tote bei Dammbruch in Brasilien

Brasilien ‐ Die Bilder wecken Erinnerungen an die Schlammkatastrophe vom November 2015. Auch diesmal traf es Südbrasiliens Bergbauregion. Doch jetzt ist die Rede von 300 Toten und Vermissten.

Erstellt: 27.01.2019
Aktualisiert: 27.01.2019
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Die Bilder wecken Erinnerungen an die Schlammkatastrophe vom November 2015. Auch diesmal traf es Südbrasiliens Bergbauregion. Doch jetzt ist die Rede von 300 Toten und Vermissten.

Womöglich bis zu 300 Tote hat der Dammbruch eines Abraumbeckens des brasilianischen Bergbaugiganten Vale in Südbrasilien gefordert. Gegen Freitagmittag brach der Damm der Eisenerzmine „Feijao“ nahe der Großstadt Belo Horizonte im Teilstaat Minas Gerais, wodurch zwei tiefer liegende Becken überliefen. Die meisten Toten dürften Arbeiter von Vale sein, die von der Schlammwelle beim Mittagessen überrascht wurden.

Bereits im November 2015 war ein Damm der Vale-Tochterfirma Samarco in der Region gebrochen und hatte zu einer Umweltkatastrophe geführt. 19 Menschen starben damals rund um die Stadt Mariana. Der Rio Doce und mehrere Nebenflüsse wurden damals über Hunderte Kilometer verunreinigt. Bis heute warten Hunderte Familien auf Entschädigungen von Seiten der Bergbaufirma Samarco, einem Tochterunternehmen der australischen BHP Billiton und von Vale.

„Dieses Mal ist es eine menschliche Tragödie, denn wir reden über womöglich sehr viele Opfer“, so der Präsident von Vale, Fabio Schvartsman, gegenüber Medien. 2017 war Schvartsman mit dem Versprechen angetreten, dass sich das Unglück von Mariana nicht wiederholen werde. Nun musste er bekannt geben, dass rund 300 Mitarbeiter des Unternehmens Vale vor Ort gewesen seien. Bis zum Abend meldete sich etwa die Hälfte davon, über 150 wurden noch vermisst.

„Die Schäden für die Umwelt sind dieses Mal wohl geringer, denn das Becken war nicht mehr aktiv, das Material war schon recht trocken, und deshalb hat der Schlamm nicht die Kraft, über lange Strecken zu fließen“, so Schvartsman. Bei dem Unglück 2015 sei eine wesentlich größere Menge an Schlamm freigesetzt worden. Experten sprechen von der 20- bis 50-fachen Menge des Schlamms, der damals über 650 Kilometer Flüsse und Landschaften zerstörte. „So dürfte der Umweltschaden nun wesentlich geringer sein, die menschliche Tragödie ist jedoch fürchterlich.“

Die Behörden rechneten am Freitagabend zusätzlich mit rund 100 Opfern unter der Bevölkerung, so der Sprecher der lokalen Feuerwehr, Pedro Aihara. Bis zum Einbruch der Dunkelheit hatten mehrere Hubschrauber der Rettungskräfte die Kilometer lange Schlammschneise überflogen und nach Überlebenden gesucht. Live konnten Fernsehzuschauer verfolgen, wie Menschen lebend aus dem Schlamm gezogen wurden. Der Bürgermeister des von der Schlammwelle betroffenen Städtchens Brumadinho bestätigte am Abend die Bergung von sieben Leichen. Man habe jedoch viele weitere Leichen lokalisiert.

Präsident Jair Messias Bolsonaro beorderte Einsatzkräfte des Militärs in die Region. Er selber werde am frühen Samstag die betroffene Region besuchen, kündigte er an. Während des Wahlkampfs Ende letzten Jahres hatte Bolsonaro versprochen, massiv den Bergbau in Brasilien ausbauen zu wollen. Dafür will er Umweltstandards lockern und die Vergabe von Lizenzen erleichtern. Umweltschützer hatten ihn dafür scharf kritisiert. So war nach dem Unglück von Mariana bekannt geworden, dass die zuständigen Behörden nur rund 20 Fachleute für die Kontrolle der landesweit rund 700 Abraumbecken zur Verfügung haben. Die Kritik an Bolsonaros Plänen dürfte jetzt lauter werden.

„Es gibt ein echtes Problem bei den Kontrollen“, so Nilo D‘ Avila von Greenpeace Brasilien am Freitag im brasilianischen Fernsehen. „Die Unternehmen geben an, dass die Dämme okay sind. Aber es gibt nicht genug Spezialisten und Technologie, um diese Strukturen korrekt zu überprüfen.“ Das Unternehmen Vale widersprach jedoch dem Verdacht, dass das Abraumbecken nicht entsprechend gewartet worden sei. Ende September 2018 habe der deutsche „TÜV SÜD“ dem seit 2015 stillgelegten Abraumbecken einen „perfekten Zustand“ attestiert, so Schvartsman.