Vor 70 Jahren: „Bananenrepublik“ Guatemala ärgert die USA
Zentralamerika ‐ Der Bürgerkrieg in Guatemala zählt zu den brutalsten Konflikten in der Geschichte Lateinamerikas. Er hatte einen langen Vorlauf, an dessen Anfang ein Bananenmonopol der USA stand - und die Ankündigung einer Landreform.
Aktualisiert: 12.04.2024
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Jacobo Arbenz Guzman meinte es ernst. In seiner Antrittsrede am 15. März 1951, vor 70 Jahren, skizzierte Guatemalas neuer Präsident die geplante Agrarreform zugunsten der Landlosen als seine wichtigste Aufgabe. Die Ungleichheit in dem bevölkerungsreichen mittelamerikanischen Land war immens; und immerhin die Weltbank wusste Arbenz bei dem Projekt auf seiner Seite. Doch er hatte auch einen mächtigen Feind, einen sehr mächtigen.
Der US-Konzern United Fruit Company besaß in Guatemala 162.000 Hektar Land zum Anbau von Chiquita-Bananen. Und er gab dem Affen Zucker – und beschwor mit Hilfe seiner Lobbyisten beim antikommunistischen Geheimdienst CIA und der US-Regierung eine drohende Machtübernahme der „Roten“ herauf. Die geplante Landreform stehe für Enteignung und Kolchosentum, schade US-Wirtschaftsinteressen und müsse entschlossen bekämpft werden.
Arbenz, ein hoch begabter Militär aus einfachen Verhältnissen, hatte das Projekt der Agrarreform von seinem Vorgänger Juan Jose Arevalo geerbt, der als erster frei gewählter Präsident Guatemalas überhaupt in den schwierigen Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg in seiner maximalen Amtszeit von sechs Jahren nicht all seine Vorhaben gestemmt bekommen hatte.
Arevalo betitelte seine Reformen als „geistigen Sozialismus“, führte ein Sozialversicherungssystem ein, moderne Arbeitsgesetze statt Zwangsarbeit, förderte Alphabetisierung und stellte Banken unter Staatsaufsicht. Die Löhne stiegen immens; doch schon damals argwöhnten die USA „commies“ in ihrem Hinterhof: Kommunisten am Werk.
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Auch sein Nachfolger Arbenz legte mit Tatkraft los. Für eine vom ausländischen Großkapital unabhängige Wirtschaftspolitik plante er einen neuen Hafen, eine Autobahn, ein Kraftwerk. Das Bahnnetz kontrollierte der US-Konzern – und verlangte dafür horrende Frachtgebühren. Vor allem aber brachte der Präsident das Gesetz zur Landreform auf den Weg, das Ende Juni 1952 verabschiedet wurde. Es sah vor, unbewirtschaftete Ländereien der Großgrundbesitzer zu verstaatlichen und an rund 100.000 Familien landloser Bauern zu übergeben.
Das traf vor allem die United Fruit Company, die ein Drittel ihres enormen Besitzes abgeben musste. Zwar sagte Guatemala über eine Laufzeit von 25 Jahren Entschädigungszahlungen auf Grundlage der Steuersätze von 1950 zu. Doch das US-Unternehmen hatte – nun zum Eigentor geworden – den Wert seiner Besitzungen zuvor massiv nach unten gerechnet, um möglichst wenig Steuern abzuführen. Nun drohte also die „Bananenrepublik“ den Spieß umzudrehen.
Ob dieser wirtschaftlichen Bedrohung begann der Konzernchef und „Bananenkönig“ Samuel Zemurray umgehend, über seine Lobbyisten beim Geheimdienst CIA und den US-Regierungen Truman und Eisenhower (ab Januar 1953) zu antichambrieren. Die Medien wurden mit Pressereisen und Info-Dossiers angefixt, das Thema „rote Gefahr“ in Guatemala zu behandeln. Ein Gerücht wurde gestreut, Arbenz plane eine Annexion des US-dominierten Panama-Kanals – einer der wichtigsten Wasser- und Handelsstraßen der Welt. Eine Anti-Guatemala-Stimmung zog auf.
Außenminister Johan Foster Dulles, Geheimdienst und die Strippenzieher von United Fruit trieben die Sache voran und bereiteten eine Militäroperation zur Absetzung von Arbenz vor, der gegen einen willfährigen Offizier ausgetauscht werden sollte. Als Casus belli diente eine tschechoslowakische Rüstungslieferung an Guatemala im Mai 1954.
Mit altem Waffenmaterial aus dem Zweiten Weltkrieg inszenierte die CIA nun einen vermeintlichen Guerilla-Aufstand von vermeintlichen Rebellen und verunsicherte Bevölkerung und Arbenz-Regierung über den Rundfunk durch fingierte Militäroperationen dieser Rebellen, die angeblich bereits die Hauptstadt bedrohten. Als auch ein Angriff auf ein britisches Handelsschiff kolportiert wurde, setzte sich der Präsident mit der US-Diplomatie in Verbindung – und trat noch am selben Tag zurück. Als Strohmann trat Oberst Carlos Castillo an seine Stelle – bis zu seiner Ermordung im Juli 1957.
Arbenz suchte von da an über 16 Jahre Asyl in diversen Ländern. Anfang 1971 starb er unter ungeklärten Umständen in einer Badewanne in Mexiko. Sein Land, Guatemala, versank in einem langen Bürgerkrieg. Die United Fruit Company wurde später wegen Kartellverstößen überprüft. 1972 zog sie sich endgültig aus Guatemala zurück.
Guatemalas Bürgerkrieg (1960-1996)
Der Bürgerkrieg in Guatemala zählt zu den brutalsten Konflikten in der Geschichte Lateinamerikas. Er dauerte 36 Jahre und endete am 29. Dezember 1996 mit dem Abschluss eines Friedensvertrags zwischen rechtsgerichteter Regierung und Rebellenvereinigung URNG. In dieser Zeit wurden Schätzungen zufolge mindestens 200.000 Menschen getötet, 83 Prozent davon Angehörige der indigenen Maya-Bevölkerung. Geschätzt 1,7 Millionen Menschen flohen vor Gewalt und Unterdrückung. Hintergrund des Konflikts waren Versuche einer Landreform Anfang der 50er Jahre, die nach 1954 durch einen Putsch und ein US-gestütztes Regime unterdrückt wurden. Damit wurden die Interessen des US-Konzerns United Fruit Company gewahrt, der in Guatemala riesige Ländereien zum Anbau von Chiquita-Bananen besaß. Spätestens ab 1975 richtete sich die Staatsmacht planvoll vor allem gegen die ländlichen Maya-Regionen, unter dem Vorwand, die Guerilla finde dort Unterstützung. Als die Zeit der „violencia“, der besonders ungehemmten Gewalt, gelten die Jahre 1978 bis 1985. Allein in den 15 Monaten unter dem Diktator Efrain Rios Montt begingen Militärs 600 Massaker und zerstörten in einer „Politik der verbrannten Erde“ etwa 100 Dörfer. 17.000 Menschen wurden in diesem Zeitraum getötet, Hunderttausende flohen. Am 24. April 1998 legte die katholische Kirche einen Untersuchungsbericht zur „Wiedererlangung des historischen Gedächtnisses“ (REMHI) vor. Zwei Tage später wurde der wichtigste Protagonist der Studie, Weihbischof Juan Gerardi Conedera, von Armeeangehörigen ermordet. Aus dem Bericht geht hervor, dass mehr als 90 Prozent der Morde auf Armee, Paramilitärs und Zivilpatrouillen (PAC) zurückgehen; für etwa 9 Prozent zeichnete demnach die Guerilla verantwortlich. Allein für die Hochlandprovinz Quiche führt der Bericht für die Zeit des Bürgerkriegs 31.400 Verhaftungen, 13.728 Tote, 2.157 „Verschwundene“, 3.207 Fälle von Folter und 4.039 Attentate auf. Auf Entschädigung warten die meisten Opfer bis heute.Von Alexander Brüggemann (KNA)
© Text: KNA