Migration hat Auswirkung auch in den Herkunftsländern

Mittelamerika gehen die Arbeiter aus

Tegucigalpa  ‐ Die USA stehen vor einer neuen Migrationswelle aus Lateinamerika. Der Massenexodus sorgt inzwischen auch für Arbeitskräftemängel vor Ort. Die Landwirtschaft findet kaum noch Erntehelfer, berichten lokale Unternehmerverbände.

Erstellt: 11.09.2023
Aktualisiert: 08.09.2023
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Von Tobias Käufer (KNA)

„Leider hat sich in den Köpfen der ärmsten Menschen unseres Landes die Vorstellung festgesetzt, dass Migration der einzige Weg ist, um weiterzukommen.“ Das berichtet Der Geschäftsführer des Nationalen Verbands der Landwirte und Viehzüchter von Honduras (Fenagh), Guillermo Cerritos, dem Portal hondudiario.com. Das Ergebnis ist laut Verband für die Branche dramatisch: Honduras leide unter einem Arbeitskräftemangel, vor allem in ländlichen Gebieten, in denen die Landwirte keine Arbeitskräfte finden könnten.

Das Land war in den vergangenen Jahren ein Ausgangspunkt für die Flüchtlingskarawanen Richtung Norden. Der konservative Ex-Präsident Juan Orlando Hernandez (2014-2022) steht exemplarisch für den Typus eines korrupten, mit der organisierten Kriminalität verbundenen Politikers. Inzwischen sitzt er in den USA in Untersuchungshaft und wartet auf seinen Prozess. Die US-Justiz wirft ihm Drogenhandel vor, Kritiker einen autoritären Führungsstil. Neben der politischen Lage waren auch verheerende Wirbelstürme Ursache für Auswanderung.

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Seit Januar 2022 wird das mittelamerikanische Land von der Linkspolitikerin Xiomara Castro regiert. Menschenrechtsorganisationen verknüpften mit ihrem Start die Hoffnung, dass sich die Lage im Land verbessert. Doch auch Castro gelingt es bislang nicht, die Abwanderung zu stoppen. Wöchentlich werden etwa 1.500 bis 2.000 Menschen aus den USA und Mexiko in ihre Heimat Honduras abgeschoben, was Rückschlüsse auf den anhaltenden Migrationsstrom zulässt.

Landwirtschaft konkurriert mit US-Bauwirtschaft

Eine ähnliche Entwicklung ist aus dem Nachbarland Guatemala zu beobachten. Unternehmer Francisco Menendez, der unter anderem Obst und Gemüse nach Deutschland und weltweit exportiert, berichtete jüngst in einem Gespräch mit der Zeitung „Die Welt“: „Die Hauptmotivation für die starke Abwanderung ist, dass die Löhne in der US-Landwirtschaft und im Baugewerbe sehr hoch sind. Sie können zwischen 18 und 20 Dollar pro Stunde bekommen. Da können wir hier nicht mithalten.“

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Nun fehlen bei der Ernte in Guatemala Traktorfahrer, Schlosser, Mechaniker, auf den Baustellen Maurer, Fliesenleger, Elektriker. Es seien die gut ausgebildeten Mitarbeiter, die gehen und in den USA leicht einen Job finden. „Die Migration ist der Grund für den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften für den Unternehmenssektor“, erklärte jüngst Jose Fernando Orellana von der guatemaltekischen Baugewerbekammer. Inzwischen, so heißt es aus Branchenkreisen in Guatemala-Stadt, ruhen Baustellen oder werden verspätet fertig.

Gewerkschafter fordern dagegen, Arbeit in Guatemala besser zu entlohnen, damit sich die Menschen nicht auf die Suche nach besseren Stundenlöhnen machen müssten. Das dürfte eine Kernaufgabe für den linksgerichteten künftigen Präsidenten Bernardo Arevalo werden, der die Wahlen vor wenigen Wochen gewann.

Bild: © Ole Schmidt/Adveniat

Grenzstein Mexiko-USA

Während das produzierende Gewerbe unter der Abwanderung leidet, steigt die Zahl von Auslandsüberweisungen von Migranten in ihre Heimatländer. So erhielten El Salvador, Honduras und Guatemala zwischen Januar und April mehr als 10,3 Milliarden Dollar Familienüberweisungen. Das ist noch einmal eine Steigerung von 7,8 Prozent im Vergleich zum Vormonat, wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) mitteilt. In Guatemala machen die Überweisungen inzwischen gut ein Fünftel des Staatshaushalts aus – und sind ein unverzichtbarer Stabilitätsfaktor für die Wirtschaft des Landes.

KNA

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