Kinderärztin Vikky Valladares in der Krankenstation
Reportage aus Guatemala

Damit Gesundheit kein Luxus bleibt

Iztapa/Essen ‐ Millionen Menschen in Guatemala haben kein Geld für Arztbesuche und Medikamente. Viele sterben an Krankheiten, die vermeidbar und heilbar sind. Drei Ordensschwestern im Küstenort Iztapa wollen sich damit nicht abfinden. Sie betreiben eine Gesundheitsstation, in der jeder behandelt wird.

Erstellt: 26.11.2022
Aktualisiert: 30.11.2022
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Von Ina Rottscheidt. Bilder: Achim Pohl

Ohne Hilfe hätten Ashley und Jeslyn vermutlich nicht überlebt. Die Zwillinge kamen zu früh auf die Welt, stark untergewichtig und zu schwach zum Trinken. Doch für einen Arzt und erst recht für eine intensivmedizinische Behandlung fehlte das Geld. „Wenn wir im ‚Hospitalito‘ keine Hilfe gefunden hätten, wären meine Mädchen gestorben“, sagt ihre Mutter Levis Vasquez. Die Familie wohnt weit ab auf dem Land, der Vater verdient ihren Lebensunterhalt mit Gelegenheitsjobs wie Autowaschen. In der liebevoll Hospitalito, „kleines Krankenhaus“, genannten Gesundheitsstation in Iztapa, im Südwesten Guatemalas, versorgte man die Zwillinge nach der Geburt mit hochkalorischer Milch und begleitete sie in den Folgemonaten.

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Heute merkt man den beiden Fünfjährigen ihren schweren Start ins Leben nicht mehr an: Vergnügt klettern sie auf den Bänken im Wartezimmer herum. Wieder sind sie im Hospitalito, dieses Mal zur Routineuntersuchung.

Ordensschwestern in Iztapa (Guatemala) stehen um einen gedeckten Tisch

Auch wer kein Geld hat, bekommt Hilfe

Drei Ordensschwestern betreiben die Gesundheitsstation in dem kleinen Küstenort am Pazifik. Täglich werden hier dutzende Patienten untersucht, behandelt oder geimpft. Eine Behandlung kostet umgerechnet rund vier Euro – aber auch wer kein Geld hat, bekommt Hilfe: „Für die Menschen, die hierhin kommen, nichts haben und sich keine Medikamente leisten können, ist es ein Ort der Hoffnung“, sagt Schwester Karla Bustamente, die 42-jährige Leiterin des Hospitalito.

Blutabnahme in der Krankenstation in Iztapa (Guatemala)
Bild: © Achim Pohl/Adveniat

Blutabnahme in der Krankenstation

In Guatemala, einem der ärmsten Länder Lateinamerikas, sterben täglich Menschen an Krankheiten, die heilbar wären. Aber die Gesundheitsversorgung ist schlecht und wer kein Geld hat, kommt nur schwer an eine Behandlung und Medikamente. Oft sieht Schwester Karla Bustamente Neugeborene, die stark untergewichtig sind: „Manchmal zeichnet sich das schon in der Schwangerschaft ab, weil sich die Mutter nur von Tortillas und Bohnen ernähren kann“, erzählt sie. Viele Mütter seien gerade einmal 14 oder 15 Jahre alt.  

Kinderärztin Vikky Valladares in der Krankenstation

Behandlung – und Aufklärung

Für die Ärztin Vikky Valladares ist daher neben der medizinischen Versorgung auch die gesundheitliche Aufklärung und Vorsorge eine wichtige Aufgabe: Viele wüssten nicht, wie man sich richtig ernährt, erzählt sie. Manche kennen nicht einmal die grundlegendsten Hygienemaßnahmen. Gerade erst musste sie einer Familie erklären, dass Neugeborene kein Wasser aus dem Wasserhahn trinken sollten. „Aufgrund von mangelnder Bildung wissen sie es nicht besser“, sagt sie.

„80 Prozent unserer Patienten sind Arm“

—  Zitat: Vikky Valladares, Kinderärztin im „Hospitalito“

Mittlerweile sitzen die Zwillinge Ashley und Jeslyn im Behandlungszimmer. Vikky Valladares begleitet die Familie bereits seit der Schwangerschaft. Jetzt hört sie die beiden Mädchen ab, stellt einige Fragen, nickt zufrieden. Die Entwicklung der beiden verläuft gut. 

Kinderärztin Vikky Valladares in der Krankenstation
Bild: © Achim Pohl/Adveniat

Stimmt das Gewicht? Kinderärztin Vikky Valladares in der Krankenstation.


„80 Prozent unserer Patienten sind arm“, erklärt die Ärztin, „und wer arm ist, hat ein höheres Gesundheitsrisiko. Die meisten Krankheiten hier wären vermeidbar: Durchfall zum Beispiel oder Atemwegserkrankungen. Und Mangelernährung.“

Ehrenamtlerinnen in der Küche

Sozialwerk für das ganze Stadtviertel

Das Hospitalito ist Teil von AMICO (Amistad Misionera En Cristo Obrero) und wird von drei Ordensschwestern betrieben. Das ganzheitliche Projekt umfasst die Krankenstation, eine kleine Schule für Kinder aus armen Familien und die Hilfe für die alten Menschen im Viertel.

„Wir nennen uns zwar Schule“, erzählt die Schulleiterin Schwester Angelina, „aber eigentlich sind wir ein Sozialwerk. Wir unterstützen die Kinder, wenn das Schulgeld oder Geld für Kleidung oder Bücher fehlt, und versorgen sie, wenn sie krank sind. Und wir vermitteln Werte wie Solidarität und Respekt, damit sie zu guten Menschen werden.“

Ehrenamtlerinnen in der Küche
Bild: © 

Essen und sozialer Kontakt: AMICO-Ehrenamtlerinnen in der Küche

Mittags herrscht in der Küche von AMICO Hochbetrieb: Köchinnen rühren in dampfenden Töpfen, es riecht nach gekochtem Hühnchen, ehrenamtliche Helferinnen und Helfer backen Tortillas im Akkord. Wenn der Unterricht zu Ende ist, muss alles fertig sein. Dann kommen dutzende hungrige Schülerinnen und Schüler. Für viele ist dies die einzige Chance auf eine warme und gesunde Mahlzeit. „Es geht nicht nur um das Essen, sondern um umfassende, integrale Seelsorge“, sagt Schwester Ivelisse, die Oberin der Gemeinschaft. Überall, wo in Iztapa Not herrscht, versuchen sie zu helfen.

Große Teile Iztapas sind besser mit dem Boot zu erreichen.
Bild: © Achim Pohl/Adveniat

Große Teile Iztapas sind besser mit dem Boot zu erreichen.

Nach dem Essen beladen die Schwestern mit einigen Helfern einen Minibus. Sie fahren ins Umland, um den alten Menschen dort ein Mittagessen zu bringen. „Viele sind nicht mehr mobil. Keiner kümmert sich um sie, sie werden vergessen“, sagt die 70-Jährige Ivelisse, der man ihr Alter nicht anmerkt: „Uns ist wichtig, dass sie sich geliebt und wertgeschätzt fühlen.“

In der Mittagshitze rumpelt der Minibus über die staubigen Schotterpisten rund um Iztapa. An vielen Toren steigt Schwester Ivelisse mit einer Essensbox aus. Sie nimmt sich Zeit für ein Gespräch oder ein gemeinsames Gebet, manchmal auch für kleine oder große Gefallen: Für José Vázquez haben die drei Schwestern gerade erst eine Matratze besorgt, damit der 83-Jährige nicht mehr auf dem nackten Lehmboden seiner Holzhütte schlafen muss. Er lebt alleine, seine Frau ist schon vor Jahren gestorben.

José Vázquez Rodas in seiner Hütte

Zeit nehmen

„Ich bin froh über das Essen“, meint er, als Schwester Ivelisse vorbeikommt. Doch noch viel mehr freut er sich über den Besuch: „Ich fühle mich so alleine“, sagt er, während ihm Tränen in die Augen steigen: „Wenn Schwester Ivelisse nicht wäre, würde sich niemand mehr um mich kümmern!“

Das Lateinamerikahilfswerk Adveniat unterstützt die drei Ordensschwestern seit vielen Jahren. „Adveniat hilft uns zu helfen. Das ist eine fundamentale Stütze für uns“, betont Schwester Ivelisse. „Und dafür sind wir sehr dankbar!“ Mit ihrer Arbeit machen sie und ihre vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer das Leben der Menschen in Iztapa jeden Tag ein bisschen besser und gesünder. Durch ihr Handeln verkünden sie die Frohe Botschaft: „Wir wollen, dass auch die Ärmsten wissen: Ihr seid von Gott geliebt!“, sagt die Ordensschwester. „Wir wollen ein Licht für die Menschen sein.“

Adveniat