Früherer Bundesumweltminister Klaus Töpfer gestorben
Bonn ‐ Klaus Töpfer war Umweltminister, Bauminister, Chef des UN-Umweltprogramms, von Ethikkommission: Auch ohne politische Ämter blieb der CDU-Politiker ein Pionier bei Klimaschutz und Nachhaltigkeit.
Aktualisiert: 11.06.2024
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Er war ein weltweiter Ideengeber für Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Auch ohne politische Ämter war Klaus Töpfer eine global beachtete Autorität. In Deutschland genoss der CDU-Politiker Respekt über Parteigrenzen hinweg. Am Samstag ist der 1938 in Waldenburg in Schlesien geborene und in Höxter an der Weser lebende Töpfer im Alter von 85 Jahren gestorben.
Guten Gewissens kann man ihn als einen der Väter der Energiewende bezeichnen. Er definierte Klimaziele, verbannte die Fluorchlorkohlenwasserstoffe aus der Umwelt, setzte die Rauchgasentschwefelung durch, legte den Grundstein für Kreislaufwirtschaft und Dosenpfand und erkannte in der Erosion der Böden ein riesiges Umweltproblem.
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Kommunikation war seine Stärke. Das habe er in der Wohnküche seiner Familie in Höxter gelernt, erzählte er der „Zeit“. „Meine Vorfahren waren alle Kumpel im Kohlebergbau. Dieser Hintergrund und die katholische Überzeugung prägten die Sippe. Töpfer konnte aus dem Stegreif druckreif reden und große Zusammenhänge herstellen. Dabei hatte Umweltpolitik für ihn stets auch ethische Begründungen. Der Mensch müsse auch die langfristigen Konsequenzen seines Handelns und die Lebenschancen künftiger Generationen im Blick behalten. „Der Mensch darf nicht alles, was er kann. Je mehr er kann, desto größer seine Verantwortung.“
„2050 wird meine jüngste Enkelin 38 Jahre alt sein. Dann wird sie sich mit neun Milliarden Menschen darüber zu unterhalten haben, wie man ein friedliches Leben ohne große Wohlstandsunterschiede haben kann“, sagte er einmal. Kein Wunder, dass die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihn nach dem atomaren Gau von Fukushima 2011 zum Leiter der Ethikkommission „Sichere Energieversorgung“ berief, um einen Konsens zum Atomausstieg vorzubereiten.
Das Flüchtlingsschicksal weckte Töpfers Ehrgeiz. „Man war schon ein hungriger Mensch, der vorankommen wollte“, erinnerte er sich. Studium der Volkswirtschaftslehre, wissenschaftliche Arbeit als Raumplaner und politische Ämter im Saarland und in Rheinland-Pfalz: 1987 - ein Jahr nach Tschernobyl - wurde er von Helmut Kohl zum Minister im noch jungen Bundesumweltministerium ernannt. Der Katholik wurde zum umweltpolitischen Gewissen der Union, ein Schwarzer, der langfristig eine Koalition mit den Grünen denkbar werden ließ.
Unermüdlicher Takt- und Ideengeber
Beim sogenannten Erdgipfel von Rio de Janeiro 1992 trug Töpfer viel dazu bei, dass das aus der Forstwirtschaft stammende Prinzip der Nachhaltigkeit die Tagesordnung beherrschte. Dort betrieb er auch aktiv die Verbindung zwischen dem Schutz der Umwelt und der Bekämpfung der Armut.
1994 nahm Kohl Töpfer das Umweltressort weg und gab es Angela Merkel. Als Bundesbauminister bereitete Töpfer dann zwar hauptsächlich den Umzug von Bonn nach Berlin vor, aber 1996 vertrat er Deutschland bei der UN-Habitat-Konferenz in Istanbul. Dort ging es um die Lebensqualität in Städten – und damit auch um die Themen Armut und Umwelt.
Von 1998 bis 2006 leitete der CDU-Politiker das Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP in Nairobi. Ihm gelang es, der UNEP politisches Gewicht zu verschaffen. Nach seiner Rückkehr blieb Töpfer in der Öffentlichkeit präsent. Mehrfach als Kandidat für das Bundespräsidentenamt im Gespräch, Vizepräsident der Welthungerhilfe, Auftritte auf Katholikentagen und in Talkshows, Gründung des Forschungszentrums für Nachhaltigkeit IASS in Potsdam – Ruhestand sah anders aus.
Die Verantwortung für die Bekämpfung des Klimawandels sah er zuerst bei den Verursachern, den Industrieländern. „Wenn es nicht ein technologisch führendes Land macht, das wirtschaftlich stabil ist, wer soll es denn sonst tun?“
Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) zu seinem 85. Geburtstag räumte der frühere Bundesminister ein, dass Politik und Gesellschaft die Kosten des Wohlstands systematisch verdrängt hätten. „Ich mache mir den Vorwurf, dass wir in der Politik unseren Wachstumsglauben zu selten hinterfragt und viel zu häufig über Effizienz geredet haben, aber so gut wie nie über Suffizienz – also über die Frage, wo die Grenzen für Wachstum und Ressourcenverbrauch liegen und wo wir einsparen können und müssen, und zwar sehr schnell.“
Zugleich zeigte sich der CDU-Politiker zuversichtlich, dass die Menschheit die Klimakrise noch in den Griff bekommen kann: „Menschen sind schon immer kreativ gewesen, wenn es darum geht, sich auf neue Verhältnisse einzustellen. Sie haben immer neue technische Möglichkeiten entwickelt und vor allem auch ihr Verhalten – leider auch sehr spät – verändert, um sich zu schützen und ihr Leben zu verbessern. Darauf vertraue ich.“