Wasserkonflikte nehmen zu

Kämpft die Welt künftig um Wasser?

Bonn ‐ 2,2 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Auch Dürren und Überschwemmungen zeigen, wie sehr Wasser zum wichtigen Faktor der Weltpolitik geworden ist.

Erstellt: 10.09.2023
Aktualisiert: 08.09.2023
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Von Christoph Arens (KNA)

Wasser ist in diesem Sommer zu einem zentralen politischen Thema geworden. Überschwemmungen in Slowenien, Österreich und Italien. Dürren und Rekordhitze in Ostafrika, Südeuropa und den USA, sinkende Grundwasserspiegel und Milliardenschäden durch den zerstörten Kachowka-Staudamm in der Ukraine.

Die Rede ist von einer globalen Wasserkrise. Selbst in Deutschland macht sich Unsicherheit breit. „Früher hätten alle gelacht, wenn jemand über Wassermangel in Deutschland geredet hätte“, sagte der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer kürzlich der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Mittlerweile gebe es Regionen, die Notfallpläne wegen Wassermangels entwickeln müssen.

Wassertropfen.
Bild: © dr/weltkirche.de (Symbolbild Wassermangel)

Vielerorts ein knappes Gut: Wasser

Eine Studie des Deutschen GeoForschungsZentrums mahnt, in den letzten 20 Jahren seien in Deutschland 15,2 Milliarden Tonnen Wasser aus den natürlichen Speichern verloren gegangen.

Kriege, Klimawandel und Naturkatastrophen: Schon 2008 warnte Harald Welzer in seinem Buch „Klimakriege“ vor dem Zusammenbruch sozialer Ordnungen durch Wasserkrisen. 2012 mahnte ein Papier der US-Geheimdienste, in vielen für die USA wichtigen Staaten werde es zeitnah großen Wassermangel oder zunehmende Überflutungen geben.

Wasserverbrauch in 100 Jahren versechsfacht

In seinem kürzlich erschienenen Buch „Der Kampf ums Wasser. Im Jahrhundert der Dürre“ analysiert der Journalist Jürgen Rahmig das Konfliktpotenzial. Zwar gebe es noch keine Kriege allein ums Wasser, betont der Autor, der regelmäßig von der Münchner Sicherheitskonferenz berichtet. Doch künftig werde Wasser ein zentraler Faktor sein bei zwischen- oder innerstaatlichen Spannungen, bei Flucht und Terrorismus.

Drei Treiber möglicher Konflikte macht Rahmig aus: den Klimawandel, der Dürren und Extremwettereignisse verstärkt und Menschen in die Flucht treibt. Das schnelle Bevölkerungswachstum, die Verstädterung und das Wachstum der Industrieproduktion. Weltweit werde heute sechsmal mehr Wasser verbraucht als noch vor 100 Jahren, schreibt der Autor. Und drittens hat, wer über das Wasser verfügt, Macht – und die wird inzwischen oft genug rücksichtslos ausgeübt.

Auch Wolfgang Ischinger, Präsident des Stiftungsrates der Münchner Sicherheitskonferenz, betont im Vorwort die Dringlichkeit des Themas: „Wer über Wasser verfügt, hat auch Macht über andere und kann sie erpressen.“

Mittel der Geopolitik

Eindrucksvoll zeichnet Rahmig Konfliktlinien am Beispiel des Nils nach. Ägypten kommt massiv unter Druck, seit Äthiopien seinen eigenen Riesenstaudamm baut. Kairo droht mit Krieg, wenn am Unterlauf des Flusses nicht mehr genug Wasser ankommt, um die wachsende Bevölkerung zu versorgen. Ägypten ist zu 90 Prozent vom Nilwasser abhängig.

Bild: © Open Street Map Share Alike Karte erstellt mit OpenStreetMap-Daten/CC by SA 3.0

Grund für Konflikte: Der Nil-Staudamm zwischen Äthiopien und dem Sudan

Auch die Türkei liefert ein Beispiel: Sie hat durch Dämme, Kanäle und Stauseen des „Südostanatolien Projekts“ Zugriff auf Euphrat und Tigris. Sie nutzt das Wasser, um Baumwollplantagen zu betreiben – Pflanzen, die große Wassermengen brauchen. Sie setzt das Wasser aber auch im Konflikt mit den Kurden ein und droht, den flussabwärts liegenden Anrainerstaaten den Wasserhahn zuzudrehen.

Bedrückend auch das Geschehen in der Sahelzone, wo Konflikte und Dürren mehr und mehr Menschen in die Slums der ausufernden Megastädte treiben. Trinkwasser, Nahrung und Arbeit sind dort knapp, die Zukunft sieht düster aus. Islamistische Terrorgruppen haben dann leichtes Spiel, Menschen zu rekrutieren.

Auch Europa betroffen

Auch Europa ist keine Insel der Seligen, wie Hitzewellen und Überflutungen zeigen. Hier sinken die Grundwasserstände, und die Verteilungskämpfe – etwa durch Privatisierung von Quellen – haben längst begonnen.

Rahmig warnt, dass die Dimension des Problems in Deutschland nicht einmal annähernd wahrgenommen werde. Auch Ischinger mahnt Strategien an und plädiert für einen erweiterten Begriff von Sicherheit: Klimaveränderungen und Sicherheitsfragen seien weltweit eng miteinander verknüpft.

Das Buch schlägt unter anderem Frühwarnsysteme für Naturkatastrophen vor, eine abgestimmte Wasserpolitik mit dem Bau von Talsperren und dem Erhalt von Wäldern oder auch eine Vernetzung von Großstädten, um Wasserver- und entsorgung zu verbessern. Ein Stichwort sind „Schwammstädte“, in denen versiegelte Flächen aufgebrochen und Räume geschaffen werden, um Regenmengen aufzufangen und zu speichern.

KNA

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