Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland
Rede bei Vergabe des Deutschen Umweltpreises

Steinmeier: Kraftanstrengung gegen Klimawandel – „Leben ändern“

Lübeck ‐ „Wir müssen unsere Lebensweise ändern, um der großen Herausforderung des Klimawandels gerecht zu werden“, fordert Bundespräsident Steinmeier. Klimaforscher warnen zugleich davor, Wetteranomalien herunterzuspielen.

Erstellt: 06.11.2023
Aktualisiert: 03.11.2023
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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Gesellschaft zu umfangreichen Verhaltensänderungen im Kampf gegen den Klimawandel aufgefordert. „Wir müssen uns, unsere Gewohnheiten und unsere Lebensweise noch in vielem ändern, um der großen Herausforderung des Klimawandels gerecht zu werden“, sagte Steinmeier am Sonntag in Lübeck bei der Verleihung des Deutschen Umweltpreises 2023. „Die nächsten Jahre werden eine enorme Kraftanstrengung bedeuten“, erklärte Steinmeier. Aber die gute Nachricht laute: „Wir haben es selber in der Hand, wir alle, jede und jeder Einzelne in unserem Alltag.“

Das Staatsoberhaupt betonte: „Der Kampf gegen den Klimawandel darf nicht von seinem Platz ganz oben auf der politischen Prioritätenliste verdrängt werden.“ Dies gelte auch, wenn „neue Bedrohungen“ im Osten Europas oder im Nahen Osten hinzukämen, so Steinmeier in der per Livestream übertragenen Veranstaltung mit Blick auf den Ukraine-Krieg und den Krieg im Nahen Osten.

Steinmeier verwies auch auf die Ende November in Dubai tagende 28. Weltklimaschutzkonferenz. Dort stünden „die Länder der Welt wiederum in der Pflicht, mit ambitionierten Maßnahmen alles Menschenmögliche zu unternehmen, um der menschlichen Zivilisation auf diesem Planeten inklusive Flora und Fauna im besten Sinne des Wortes Luft zum Atmen zu verschaffen“, sagte der Bundespräsident.

Der mit insgesamt 500.000 Euro dotierte und von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) vergebene Deutsche Umweltpreis ist eine der höchstdotierten Umweltauszeichnungen Europas. In diesem Jahr wurden die Klimawissenschaftlerin Friederike Otto und die Holzbau-Pionierin Dagmar Fritz-Kramer geehrt.

Die DBU betonte, ein „klarer Kompass für Klimaschutz“ sei mehr denn je notwendig. So komme eine Untersuchung des Polarforschungsprogramms Großbritanniens zum Schluss, „dass das Schelfeis in der westantarktischen Amundsensee komplett abschmelzen könnte - selbst bei Erreichen des sogenannten 1,5-Grad-Ziels“. Auf der Pariser Weltklimakonferenz hatten sich die beteiligten 200 Staaten 2015 darauf geeinigt, die Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen.

Der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber warnte am Wochenende davor, die Wetteranomalien der vergangenen Monate herunterzuspielen. Sie würden zeigen, dass das Klimasystem noch nervöser und sprunghafter sei als angenommen. „Ich arbeite seit 40 Jahren in der Klimaforschung, aber solche Anomalien wie in den vergangenen Monaten haben wir noch nie registriert“, sagte der ehemalige Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung in einem Interview des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“.

„Irgendwie spielen die Kontrollinstrumente des Raumschiffs Erde momentan verrückt“, sagte Schellnhuber. „Stellen Sie sich vor, Sie steuern ein Flugzeug über den Atlantik, und die Armaturen zeigen plötzlich gewaltige Ausschläge. Sie würden in Panik geraten.“ Schellnhuber bezieht sich auf außergewöhnlich hohe Temperaturen von Luft und Wasser sowie die historisch geringe Ausdehnung des antarktischen Meereises.

„Das Jahr 2023 wird höchstwahrscheinlich zum heißesten der Messgeschichte werden, welches bereits an der 1,5-Grad-Linie kratzen dürfte“, betonte der emeritierte Professor für Theoretische Physik. Angesichts der Dimension der drohenden Klimakatastrophe sei zu ruhiges Handeln nicht die richtige Einstellung, mahnte der Klima-Experte: „Das Motto ‚Bloß keine Panik!‘ hat in der Weltgeschichte öfter den Untergang ganzer Kulturen ermöglicht.“

KNA

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