„Die Situation ist dramatisch“
Colombo ‐ Der internationale Druck auf die Regierung in Sri Lanka muss sich nach Auffassung des Menschenrechtlers Sudarshana Gunarwardana erhöhen. Der Vertreter der Sri-Lankischen Menschenrechtsorganisation „Rights Now Collective for Democracy“ beklagt im Interview einen zu großen Einfluss der Regierung auf Medien und die Justiz sowie Einschränkungen der freien Marktwirtschaft.
Aktualisiert: 22.04.2024
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Frage: Herr Gunarwardana, Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) weisen auf ungeahndete Verbrechen, mangelnde Pressefreiheit und Repressalien gegen Bürgerrechtler in Sri Lanka hin. Teilen Sie diesen Eindruck?
Gunarwardana: Die Situation in Sri Lanka ist dramatisch, wir sind besorgt um die Menschenrechtslage. Täglich beobachten wir eine Unterdrückung der Meinungsfreiheit und die Überwachung der Bevölkerung. Vergangenes Jahr im Oktober haben die Vereinten Nationen in ihrem Jahresbericht auf die sich verschlechternde Situation der Menschenrechte in Sri Lanka hingewiesen und festgestellt, dass sich die Restriktionen gegen die Bevölkerung verschärft haben. Doch die Regierung zeigt kein Interesse, eine Umsetzung der Menschenrechte voranzutreiben.
Frage: Gibt es Beispiele dafür?
Gunarwardana: Die Regierung verspricht Demokratie, und gleichzeitig führt der Präsident 2012 eine Regelung ein, dass er die alleinige Macht besitzt, die Regierung zu ernennen. Er will für sich die volle Entscheidungsbefugnis. Andere Institutionen haben keinen Einfluss mehr auf die Politik im Land und keiner kann sich dagegen wehren – das hat doch nichts mehr mit Demokratie zu tun.
Frage: Inwiefern wirkt sich die Machtausübung der Regierung auf den Alltag der Menschen aus?
Gunarwardana: Die Menschen vor allem im Norden und Osten des Landes können nicht mehr frei agieren, weil sie unter dauerhafter Beobachtung der Regierung stehen. Eine freie Marktwirtschaft gibt es nicht mehr, das kann man gut am Beispiel der Bauern und im Hotelgewerbe sehen. Jeder einzelne Schritt und jede Handlung wird hier kontrolliert.
Auch das Gerichtssystem funktioniert nicht mehr. Die Richter werden von der Regierung bestimmt und diese urteilen dann natürlich im Sinne der Regierung. Auch die Medien und die Banken stehen unter staatlicher Kontrolle. Und bei öffentlichen regierungskritischen Veranstaltungen schickt die Regierung Polizisten vorbei, um diese im Zweifel aufzulösen.
Frage: Sie haben sich in Brüssel mit Vertretern von NGOs und mit EU-Parlamentariern getroffen. Welches Ziel verfolgen Sie damit?
Gunarwardana: Wir hoffen, dass durch einen höheren internationalen Druck die Regierung in Sri Lanka ihr Verhalten ändert. Ich möchte die Menschen in Europa über die Situation in unserem Land informieren. Die EU ist einer der wichtigsten Handelspartner für Sri Lanka. Der Handel ist gut, aber auch nur dann vertretbar, wenn die Menschenrechte in Sri Lanka nicht gleichzeitig mit Füßen getreten werden. Aber auch vor Ort muss gehandelt werden. Meine Organisation wirbt im ganzen Land für die Einhaltung der Menschenrechte, wir versuchen legal zu intervenieren, wenn es möglich ist. Das gelingt etwa, indem wir Zeitungen drucken und im Land verteilen. Damit können wir die Menschen informieren und auf die Missstände aufmerksam machen.
Frage: Die Katholiken sind mit einem Anteil von etwa sieben Prozent in der Bevölkerung eine kleine Minderheit. Im Januar besucht Papst Franziskus Sri Lanka – kann dieser Besuch etwas bewirken?
Gunarwardana: Die katholische Bischofskonferenz in Sri Lanka ist stark und der Einfluss der Kirche auf die Menschen ebenso. Ich hoffe, dass von dem Papstbesuch positive Impulse für die Katholiken ausgehen, denn vor allem die religiösen Minderheiten in unserem Land müssen leiden. Derzeit nehmen die Attacken extremistischer Buddhisten auf religiöse Minderheiten zu. Vom Papst erhoffe ich mir, dass er die Regierung auffordert, endlich einzugreifen und diese Gräuel zu beenden.
Das Interview führte Kerstin Bücker (KNA).