Erzbischof Burger (Freiburg) und junge Frau aus Galabada bei Badulla (Sri Lanka). Misereor-Aktino 2025
„Moderne Form der Sklaverei“

Misereor-Bischof erschüttert von Leid der Teepflücker in Sri Lanka

Freiburg/Colombo  ‐ Tee aus Ceylon, wie Sri Lanka früher hieß, ist bis heute sehr beliebt. Doch nur die wenigsten wissen, unter welchen unmenschlichen Bedingungen er oft geerntet wird. Das muss nicht sein, findet das Hilfswerk Misereor.

Erstellt: 05.03.2025
Aktualisiert: 28.02.2025
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Von Volker Hasenauer (KNA)

Die katholische Hilfsorganisation Misereor stellt das Schicksal der entrechteten Teepflückerinnen in Sri Lanka in den Mittelpunkt der Fastenaktion 2025. Misereor-Bischof Stephan Burger war vor Ort und erklärt im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), wie die katholische Kirche hilft, den ausgebeuteten Menschen ihre Rechte und ihre Würde zurückzugeben. Am 9. März beginnt die Misereor-Fastenaktion, die auch für Projekte in Sri Lanka um Spenden bittet.

Frage: Herr Erzbischof, warum sollten wir aus Deutschland überhaupt auf die Situation der Hochlandtamilen in Sri Lanka aufmerksam werden?

Antwort: Weil die Arbeiter und Arbeiterinnen hier in einer modernen Form der Sklaverei gehalten werden, um für den Weltmarkt möglichst günstig Tee zu produzieren. Diese Ausbeutung besteht seit Anfang an, seit Beginn des Teeanbaus durch die Briten im Hochland der damaligen britischen Kolonie Ceylon vor genau 200 Jahren. Die Menschen werden in Abhängigkeit gehalten und ihrer Würde beraubt – bis heute.

Ähnliche Ausbeutung gibt es in vielen anderen Weltregionen. Das dürfen wir nicht einfach hinnehmen. Das Leid und die Ausbeutung der Hochlandtamilen in Sri Lanka können nicht still und ungesehen immer weitergehen.

Frage: Aber wie wirksam sind Hilfsprojekte in Sri Lanka?

Antwort: Natürlich wird Misereor die vielfach katastrophalen Zustände nicht von heute auf morgen und überall verändern können. Die Projektmitarbeiterinnen aber zeigen den Menschen, es gibt Unterstützung und Solidarität. Sie machen deutlich, wir kämpfen gemeinsam an eurer Seite für das Ziel, in kleinen Schritten aus dieser Misere herauszukommen.

Frage: Was hat Sie vor Ort bei den Gesprächen in den Elendsquartieren der Plantagenarbeiter am meisten erschüttert?

Antwort: Dass für die Menschen jeden Tag ihre gesamte Existenz auf dem Spiel steht und sie jeden Tag ums Überleben kämpfen. Die von den großen Plantagenbetreibern gezahlten Hungerlöhne von 2,50 Euro pro Tag reichen nicht zum Überleben. Sie leben in unwürdigsten Verhältnissen ohne ausreichend sauberes Wasser und in heruntergekommenen Hütten. Sie haben auch keinerlei Absicherung bei Unfällen oder Krankheit. Das alles zusammen sind menschenunwürdige Zustände.

Kochenharte Arbeit

Frage: Welche Perspektiven gibt es dann überhaupt?

Antwort: Beispielsweise engagiert sich Misereor gemeinsam mit der Caritas in Sri Lanka für die Schulbildung der Kinder auf den Teeplantagen. So gibt es Unterstützung für talentierte Kinder, die nicht auf eine weiterführende Schule gehen können, weil sie sich die paar Cent für den Schulbus nicht leisten können.

Die Projektmitarbeiterinnen vor Ort helfen den Menschen auf den Plantagen auch dabei, überhaupt erstmals eine Geburtsurkunde zu beantragen. Die Hochlandtamilen sind vielfach ihrer politischen Rechte beraubt und leben als Menschen zweiter Klasse. Das wollen wir ändern.

Frage: Was erwarten die Menschen von Deutschland? Was kann der Teekäufer hier bei uns zur Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen beitragen?

Antwort: Wenn ich mir eine Tasse Tee aufbrühe, sollte ich mir auch bewusst sein, wie viel knochenharte Arbeit auf den Teeplantagen dafür nötig ist. Und natürlich kann jeder Verbraucher schauen, ob es Produzenten gibt, die sich für faire Löhne und bessere Arbeitsbedingungen einsetzen.

Sri Lanka

Sri Lanka ist ein Inselstaat östlich von Südindien. Mit einer Länge von rund 430 Kilometern und einer Breite von 225 Kilometern ist die als beliebtes Urlaubsziel bekannte Tropeninsel etwas kleiner als Bayern. Die 22 Millionen Einwohner verteilen sich vor allem auf zwei Ethnien: die im Norden lebenden Tamilen und die Mehrheitsbevölkerung der Singhalesen. Tamil und Singhala sind die beiden Landessprachen. Englisch ist weit verbreitet.

Zwei Drittel der Sri Lanker sind Buddhisten, 12 Prozent sind Hindus. Muslime machen etwa 9 Prozent, Christen 7 Prozent aus. Zur in zwölf Diözesen organisierten katholischen Kirche bekennen sich etwa 1,5 Millionen Gläubige.

Sri Lanka ist landschaftlich und klimatisch sehr vielfältig und gliedert sich in Tiefebenen, mittlere Hochebene und das zentrale Bergland. Neben der Hauptstadt Colombo, in deren Großraum geschätzte 2,5 Millionen Menschen leben, sind Kandy im Zentrum und Jaffna im Norden wichtige Städte.

2023 kamen rund zwei Millionen Urlauber auf die Insel – damit ist fast wieder das Niveau vor dem Besuchereinbruch infolge der Terroranschläge auf Kirchen und Hotels an Ostern 2019 erreicht. Knapp ein Fünftel der Landesfläche ist Naturschutzgebiet, den höchsten Schutzstatus garantieren 25 Nationalparks.

In seiner Geschichte bestand Sri Lanka über Jahrhunderte aus mehreren Königreichen. Der Norden war meist unter tamilischer Herrschaft, zeitweise bestimmten singhalesische Herrscher fast über die gesamte Insel.

Im 16. Jahrhundert begann die koloniale Eroberung. Die Portugiesen erreichten 1505 Ceylon - wie Sri Lanka bis 1972 hieß - und brachten das Land unter ihre Kontrolle. Mitte des 17. Jahrhunderts verdrängten die Niederlande die Portugiesen. 1796 erlangte die britische East India Company die Kontrolle: Ceylon wurde 1802 britische Kolonie.

Große Teile der Bevölkerung wurden brutal unterdrückt. Beim Aufbau der Tee- und Kautschukproduktion starben Zehntausende. Die damaligen Strukturen von Leibeigenschaft und Sklavenarbeit wirken bis heute nach. Gleichzeitig bauten die Briten Straßen und Eisenbahnnetz aus.

Erst 1948 erlangte Sri Lanka seine Unabhängigkeit – erster Premierminister war D.S. Senanayake.

Von einschneidender Bedeutung für die jüngere Geschichte ist der grausame Bürgerkrieg zwischen singhalesischer Mehrheitsbevölkerung und dem tamilischen Norden zwischen 1983 und 2009. Zehntausende Menschen starben, 300.000 wurden vertrieben.

Der Krieg endete 2009 mit der brutalen militärischen Niederschlagung des um Autonomie kämpfenden Nordens. Bis heute gibt es keine Aufarbeitung der Kriegsverbrechen, keinen Aussöhnungsprozess und keine angemessene politische Beteiligung der Tamilen.

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