„Wir brauchen einen kühlen Kopf“
Im bewaffneten Konflikt in der Zentralafrikanischen Republik versucht die katholische Kirche zu vermitteln. Vertreter des Rates der Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar (SECAM) wollen einen Dialogprozess in Gang setzen – auch mit muslimischen Religionsvertretern. Bis Mittwoch treffen sich Vertreter des Gremiums mit dem Internationalen katholischen Missionswerk Missio in Aachen. Dort sprechen sie unter anderem über Hilfen für die Opfer der Konflikte. Ein Interview mit dem SECAM-Vizepräsidenten, Bischof Louis Portella Mbuyu (71) von Kinkala in der Republik Kongo.
Aktualisiert: 18.03.2024
Lesedauer:
Frage: Bischof Mbuyu, der bewaffnete Konflikt in der Zentralafrikanischen Republik bedroht auch die Sicherheit der Nachbarländer. Befürchten Sie, dass es einen Flächenbrand in der Region gibt?
Mbuyu: Wir beobachten den Konflikt sehr aufmerksam und mit Sorge. Es ist höchste Wachsamkeit auf allen Ebenen gefordert. Zu den Seleka gehören auch Milizen aus anderen Ländern, etwa dem Sudan und arabischen Ländern. Von dort bekommen sie auch finanzielle Unterstützung. Zwar scheint es ein religiöser Konflikt zu sein zwischen den mehrheitlich muslimischen Seleka-Kämpfern und den vorwiegend christlichen Anti-Balaka-Milizen. Doch das ist nicht der Fall. Die Anti-Balaka wollten in erster Linie die Interessen der Seleka bekämpfen, egal ob sie nun muslimisch sind oder nicht. Die Situation ist außer Kontrolle geraten, und nun richten sich die Anti-Balaka auch gegen Muslime. Deshalb wollen die Bischöfe ihre Beziehungen mit den muslimischen Führern nutzen und die Versöhnung voranbringen.
Frage: Wie erklären Sie sich den Konflikt zwischen den religiösen Gruppen in der Zentralafrikanischen Republik?
Mbuyu: Es geht um Macht. Außerdem ist der Staat zerfallen, es fehlen die staatlichen Kräfte, die der Bevölkerung Einhalt gebieten und Recht und Ordnung schaffen. Die zentralafrikanischen Bischöfe haben in einem Brief dazu aufgerufen, die Autorität des Staates wiederherzustellen.
Frage: Die Vereinten Nationen befürchten einen Völkermord in der Zentralafrikanischen Republik. Ist es zu spät für einen Dialog?
Mbuyu: Für mich ist es nicht zu spät. Die Journalisten sprechen von Völkermord, doch damit gießen sie nur Öl ins Feuer. Das ist nicht gut. Ich glaube nicht, dass es soweit kommt. Sicher hat es Misshandlungen gegeben, doch die Bischöfe sind der Auffassung, dass ein Völkermord verhindert werden kann. Dafür brauchen wir kühle Köpfe, um die Situation zu analysieren. Die verschiedenen Konfliktparteien müssen sich an einen Tisch setzen.
Frage: Wie könnten die Köpfe abkühlen?
Mbuyu: Die Bischöfe wollen helfen, einen Dialog auf allen Ebenen in Gang zu setzen. Wir wollen zeitnah nach Zentralafrika kommen und versuchen, sowohl die Militärchefs, die Politiker und vor allem die Bevölkerung an einen Tisch bringen. Und wir wollen die Beziehungen zu Vertretern anderer Religionen nutzen. In der Erzdiözese Bangui etwa gibt es viele Muslime, Protestanten und andere Religionen. Erzbischof Dieudonne Nzapalainga versucht, den interreligiösen Dialog voranzutreiben. Es geht zunächst darum, gemeinsam die Wurzeln des Konflikts zu analysieren und Wege zu Versöhnung aufzuzeigen.
Frage: Am Montag haben die EU-Außenminister einen Militäreinsatz mit rund 1.000 Soldaten in der Zentralafrikanischen Republik beschlossen, um die afrikanische Eingreiftruppe MISCA und die Vereinten Nationen zu unterstützen. Was halten Sie davon?
Mbuyu: Das Land braucht militärische Unterstützung, um der Gewalt Einhalt zu gebieten. Es braucht zumindest eine Waffenruhe, damit echter Frieden möglich wird. So können sich die Menschen Stück für Stück wieder näherkommen und einen Reflexionsprozess in Gang setzen. In einer Spirale der Gewalt denken die Menschen nicht mehr nach.
Frage: Wie ergeht es den Flüchtlingen aus der Zentralafrikanischen Republik, die in der Republik Kongo Zuflucht finden?
Mbuyu: Besonders im Norden der Republik Kongo, in der Grenzregion, gibt es schon viele Flüchtlinge. Wir haben Hilfen für sie bereitgestellt. Die Caritas und das UN-Flüchtlingskommissariat sind bereits vor Ort. Das Problem der Flüchtlinge hat aber weltweite Dimensionen, und wird auch nicht kleiner. Europa muss das auf der Rechnung haben. Papst Franziskus mahnt die Menschen, Flüchtlinge wie Brüder aufzunehmen. Aber auch die politischen Führer in den Heimatländern müssen ihre Verantwortung wahrnehmen. Wir in den Herkunftsländern müssen uns fragen, warum junge Menschen ihr Leben riskieren, um ihre Heimat zu verlassen. Das ist eine Frage der Entwicklung dieser Länder – ein großes Problem.
Das Interview führte Claudia Zeisel.