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Dritte Amtszeit für Präsident Touadera als „Nebeneffekt“

Zentralafrika vor Verfassungs-Referendum: Fragiler Friede in Gefahr

Bangui/Pretoria  ‐ Der Präsident der Zentralafrikanischen Republik galt als Hoffnungsträger – bis er russischen Wagner-Söldnern die Tür öffnete und selbst zunehmend autoritär zu regieren begann. Nun drängt Touadera auf ein umstrittenes Referendum.

Erstellt: 11.07.2023
Aktualisiert: 10.07.2023
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Von Markus Schönherr (KNA)

Weil das Grundgesetz nicht mehr die „Sehnsüchte der Bürger widerspiegelt“, will der Präsident der Zentralafrikanischen Republik über eine neue Verfassung abstimmen lassen. Nebeneffekt: Die demokratische Uhr würde dadurch auf null zurückgestellt. Das könnte Faustin-Archange Touadera eine umstrittene dritte Amtszeit einbringen. Bereits jetzt bedroht die für 30. Juli geplante Abstimmung den fragilen Frieden in dem ehemaligen Bürgerkriegsland.

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2013 sorgte das bis dahin wenig beachtete Land im Herzen Afrikas weltweit für Schlagzeilen, als die muslimische Rebellenallianz Seleka den damaligen Diktator Francois Bozize stürzte. Anti-balaka, eine überwiegend christliche Bürgerwehr, holte zum Gegenschlag aus. Der religiöse Krieg, der daraufhin entbrannte, stürzte das Land ins Chaos. Tausende Menschen starben. Nur mit Hilfe von UN-Blauhelmtruppen und unter Vermittlung von Kardinälen und Imamen gelang es, den Frieden zwischen den sechs Millionen Zentralafrikanern wiederherzustellen. Der 2015 gewählte Touadera, im früheren Leben Mathematikprofessor, gab dem Land neue Hoffnung - bis er vor einigen Jahren der russischen Söldnertruppe Wagner die Türen öffnete und selbst auf einen zunehmend autoritären Kurs setzte.

„Die zentralafrikanische Regierung muss alle erdenklichen Mittel ergreifen, damit das Referendum nicht weitere Menschenrechtsverletzungen hervorruft“, forderte vor kurzem der zuständige UN-Experte Yao Agbetse. Auch müsse sichergestellt werden, dass eine neue Verfassung nur „das Beste für die Nation“ verfolge. Laut einigen Beobachtern droht aber das Gegenteil: „Dieses Referendum kommt zu einer Zeit, zu der Regierungsbehörden, darunter die Polizei, der Zivilgesellschaft drohen und Oppositionsproteste unterdrücken“, sagt die Menschenrechtlerin Carine Kaneza Nantulya. Die stellvertretende Regionaldirektorin von Human Rights Watch sieht die „demokratischen Fortschritte“ in Gefahr, die seit Bürgerkriegsende gemacht wurden.

Bischöfe prangern Straflosigkeit an

Besorgt sind auch die katholischen Bischöfe des Landes, die während der Chaostage zum Friedensprozess beitrugen. Sie hinterfragen Touaderas Referendum nicht nur aus „demokratischen Prinzipien“, sondern auch wegen des Zeitpunkts: „Eine Bevölkerungsmehrheit in extremer Armut, verschlimmert von Teuerungen bei Lebensmitteln und Grundgütern – das ist die tägliche Realität, der wir uns gegenübersehen“, so die Bischofskonferenz CECA. Zudem sei auch wieder Gewalt auf dem Vormarsch; die Täter kommen meist straffrei davon und Bürger nehmen das Gesetz immer öfter selbst in die Hand. Das wiederum behindere „Wiederaufbau und Heilung“ der kriegsgebeutelten Nation. Die Kirchenführer: „Friede ist unbezahlbar. Das können wir nicht oft genug betonen.“

Bezahlt werden hingegen die Kämpfer aus Russland: Mit Hilfe der Wagner-Söldner war es der Regierung in Bangui 2021 gelungen, einen erneuten Umsturz durch Rebellen zu verhindern. Nach dem Aufsehen erregenden Marsch auf Moskau und der Absetzung von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin Ende Juni ist die Zukunft des Sicherheitsunternehmens in Afrika ungewiss. Für Experten steht jedoch außer Frage, dass Russland weiter kräftig mitmischt. Schon 2022 sollen Moskauer Diplmaten die Präsidentin des Zentralafrikanischen Verfassungsgerichts mit dem Ziel aufgesucht haben, Touadera eine weitere Amtszeit zu sichern. Die Höchstrichterin hatte sich geweigert, an dem Komplott mitzuwirken. Kurz darauf verlor sie ihren Job.

Regierung mobilisiert Sicherheitskräfte

In Bangui geht die Angst um. Neben regierungstreuen Demonstranten mobilisierte die Regierung zuletzt auch die Sicherheitskräfte, um die Verfassungsänderung durchzuboxen. Doch statt Proteste im Tränengas zu ersticken, sollte Touadera eine „offene Debatte“ zulassen, fordert Human Rights Watch. Mehr Offenheit wünscht sich auch UN-Experte Agbetse mit Blick auf die Zukunft des Landes: „Sofern die Ziele des neuen Verfassungsentwurfs nicht hinreichend erklärt und verstanden werden, könnte diese Abstimmung eine bereits verstrickte Menschenrechtssituation noch weiter verkomplizieren.“

KNA

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Eigentlich war es relativ ruhig in der Diözese Alindao im Süden der Zentralafrikanischen Republik. Der deutsche Spiritaner Pater Olaf Derenthal ist seit einem halben Jahr dort, genauer in der Stadt Mobaye an der Grenze zum Kongo, wo er als Krankenpfleger und Missionar arbeitet - darüber berichtet er regelmäßig in unserem Weltkirche-Blog. Ihm begegneten immer wieder auch Séléka-Milizen, aber zu bewaffneten Auseinandersetzungen kam es bislang nicht. Das hat sich nun geändert: 20 Kilometer von Mobaye entfernt werden Kämpfe gemeldet, um die Stadt Alindao hat es bereits Massaker mit 133 Toten gegeben. Grund ist das Eindringen von Milizen aus dem Norden. Über die aktuelle Lage sprachen wir mit der Länderreferentin für die Zentralafrikanische Republik des Kindermissionswerkes „Die Sternsinger“, Annette Funke. Sie steht auch in engem Kontakt mit Pater Olaf Derenthal.