Frage: Chinas Wirtschaft lahmt zurzeit, der Kampf gegen die Armut gestaltet sich als schwierig, 82 Millionen Menschen fehlt das Nötigste zum Leben. Wie sehr ist Ihnen Armut auf Ihrer Reise begegnet und inwiefern waren chinesische Christen davon betroffen?
Welling: Auf unserer Reise konnten wir diesmal nicht in die wirklich armen Berggegenden Chinas fahren. Es gibt immer noch sehr viele Arme, es tut weh und fordert zu mehr Einsatz auf. Dennoch muss man fairerweise sagen: es gibt wohl kein Land auf der Erde, das in den letzten Jahrzehnten so intensiv und erfolgreich gegen die Armut großer Teile der Bevölkerung gearbeitet hat wie China. Natürlich kann man nicht die Augen verschließen vor der Riesenschere zwischen den Superreichen und den Hunderten Millionen armen Menschen in China. Die Gefahr, die darin steckt, hat die Kommunistische Partei Chinas klar erkannt. Hoffen wir, sie handelt entschlossen und schnell, wie sie auch alle Infrastrukturprojekte behandelt, was zeigt: wenn sie wollen, können sie!
Frage: Wie haben Sie die neuen Bestrebungen Chinas zur Wiederbelebung der Seidenstraße aufgenommen? Glauben Sie, dass damit auch eine kulturelle Öffnung Richtung Westen einhergehen könnte, wie sie einst durch die Seidenstraße gegeben war?
Welling: Darüber wurde bei unserem Besuch sehr viel gesprochen. Die beiden Seidenstraßen (ein Gürtel, eine Straße) werden viele Nationen und Wirtschaften vernetzen und haben durchaus auch mit Armutsbekämpfung zu tun, denn die damit geschaffenen Infrastrukturen nutzen China und den ländlichen Gebieten. Ferner schickt China zu solchen großen Projekten fast immer seine eigenen Ingenieure, auch seine eigenen Arbeiter, seine eigenen Maschinen und bisweilen sogar sein eigenes Material. China wird stark von diesem – eigentlich symbolischen – Konzept profitieren. Es wird dadurch vielleicht sogar der wichtigste globale Player: „Uns hätte nichts Besseres passieren können als dieser Trump“, meinte ein Chinese aus der Wirtschaft. Wo Trump Löcher in die internationalen Vernetzungen schneidet, bauen die Chinesen schnell einen Arm der Seidenstraße hinein!
Die kulturellen und sogar religiösen Implikationen sind durchaus Gegenstand der Forschung in höchsten chinesischen Kreisen. Selbstverständlich gibt es Implikationen, vor allem, weil beide Straßen durch muslimische Gegend führen, vor denen China durchaus Respekt, wenn nicht Sorgen wegen terroristischen Einflusses hat. Wie genau diese kulturellen und religiösen Begegnungen dann Einfluss auf China haben werden, wird man schlicht abwarten müssen. Aber China schaut genau hin!
Das Interview führte Claudia Zeisel
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