Sechs Jahre später spaltet die Tamilenfrage noch immer Politik, Gesellschaft und Kirche des ehemaligen Ceylon. Rajapaksa widersetzte sich vehement einer internationalen Untersuchung der von beiden Kriegsparteien begangenen Verbrechen durch unabhängige UN-Ermittler. Darin wusste sich der trotz Korruption und Machtmissbrauch kritisierte Politiker mit den buddhistischen Singhalesen einig.
Schwieriger Drahtseilakt
Tamilische katholische Priester im Norden wie Rayappu Joseph, Bischof von Mannar, die sich seit Jahrzehnten für die Rechte der Tamilen einsetzen, fordern eine internationale Untersuchung der Kriegsverbrechen. Für Kardinal Malcolm Ranjith, Erzbischof von Colombo, ist der Umgang mit der Tamilenfrage hingegen ein schwieriger Drahtseilakt. Eine internationale Untersuchung der Kriegsverbrechen lehne er als „Pastor einer Diözese ab, die zu zwei Dritteln aus Singhalesen und einem Drittel Tamilen besteht“, sagte der Kardinal in einem kurz vor Weihnachten veröffentlichten Interview mit dem Pressedienst Eglises d''Asie. Eine solche Untersuchung würde die Mehrheit der Singhalesen als „Kampagne ... christlicher Länder gegen Sri Lanka“ empfinden.
Und als Oberhaupt einer religiösen Minderheit fügte er hinzu: „Wir katholischen Sri Lankaner müssen mit den Buddhisten zusammenleben und dürfen nicht riskieren, von ihnen als Verräter behandelt zu werden.“ Andererseits, so Ranjith, sei das Leid der Tamilen Realität. „Wir alle wissen, dass eine Autonomie die institutionelle Lösung ist, die wir anstreben sollten.“ Es sei aber weder Sache der internationalen Gemeinschaft noch der Sri Lankaner in der Diaspora, „uns unsere Zukunft zu diktieren“.
Erwartungen an Papst Franziskus
Ob Journalisten, Bürgerrechtler oder katholische Priester. Wer sich für die Rechte der Tamilen einsetzt, wird bedroht, angeklagt oder verschwindet gar spurlos. So Pastor Thiruchchelvam Nihal Jim Brown im Jahr 2006. In den Jahren darauf wurden die tamilischen Priester Nicholas Pillai Pakiaranjith und Mariampillai Xavier Karunaratnam umgebracht, der Koordinator der Jesuiten-Flüchtlingshilfe in Mannar und der kirchliche Gründer eines Menschenrechtsbüros.
Fernando hofft, dass Papst Franziskus in Sri Lanka das Schicksal der verschwundenen und ermordeten Menschenrechtler ansprechen wird. Der Prozess der Heiligsprechung des ceylonesischen Märtyrers Joseph Vaz (1651–1711), so Fernando, biete die „Gelegenheit zur Reflexion über die katholischen Märtyrer im Sri Lanka unserer Tage“.
Von Michael Lenz (KNA)