Schwieriges Terrain Sri Lanka
Colombo ‐ Papst Franziskus kommt bei seinem Besuch von Sri Lanka in ein zerrissenes Land. Auch sechs Jahre nach der militärischen Niederlage der Separatistenmiliz „Befreiungstiger von Tamil Eelam“ (LTTE) leiden die Tamilen im Norden des Landes unter der politischen, militärischen und wirtschaftlichen Dominanz der Singhalesen im Süden. Pater Praveen Mahesan könnte viel über Landraub und Menschenrechtsverletzungen durch die im tamilischen Norden allmächtige Armee erzählen. Aber wegen eines laufenden Verfahrens darf er nicht mit Medien sprechen. Dem Menschenrechtsaktivisten vom Orden der Oblatenmissionare wird Terrorismus vorgeworfen.
Aktualisiert: 22.04.2024
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Im März 2014 reiste Praveen mit dem katholischen Menschenrechtler Ruki Fernando nach Kilinochchi, um dem Schicksal einiger willkürlich inhaftierter Frauen auf den Grund zu gehen. In der tamilischen Stadt wurden sie von Armee und Geheimdienst erwartet und verhaftet. Auf Druck internationaler Organisationen und der UN kamen Fernando und Praveen zwar wenige Tage später wieder frei; sie sehen aber einem Prozess wegen des „Terrorismus“ entgegen.
Religiöse Komponente des Bürgerkriegs
In Kilinochchi war das frühere Hauptquartier der LTTE-Milizen, die seit 1983 einen bewaffneten Kampf für die Unabhängigkeit der Tamilen führten. Der Bürgerkrieg hatte auch eine religiöse Komponente: Die Singhalesen sind mehrheitlich Buddhisten, die Tamilen zu rund 80 Prozent Hindus. Zudem gibt es eine christliche, zumeist katholische tamilische Minderheit.
2009 beendete der nun abgewählte Präsident Mahinda Rajapaksa mit der militärischen Zerschlagung und der Ermordung der LTTE-Führung den Bürgerkrieg. Nach UN-Angaben kamen mindestens 40.000 Menschen in der Endphase des Bürgerkriegs ums Leben.
Sechs Jahre später spaltet die Tamilenfrage noch immer Politik, Gesellschaft und Kirche des ehemaligen Ceylon. Rajapaksa widersetzte sich vehement einer internationalen Untersuchung der von beiden Kriegsparteien begangenen Verbrechen durch unabhängige UN-Ermittler. Darin wusste sich der trotz Korruption und Machtmissbrauch kritisierte Politiker mit den buddhistischen Singhalesen einig.
Schwieriger Drahtseilakt
Tamilische katholische Priester im Norden wie Rayappu Joseph, Bischof von Mannar, die sich seit Jahrzehnten für die Rechte der Tamilen einsetzen, fordern eine internationale Untersuchung der Kriegsverbrechen. Für Kardinal Malcolm Ranjith, Erzbischof von Colombo, ist der Umgang mit der Tamilenfrage hingegen ein schwieriger Drahtseilakt. Eine internationale Untersuchung der Kriegsverbrechen lehne er als „Pastor einer Diözese ab, die zu zwei Dritteln aus Singhalesen und einem Drittel Tamilen besteht“, sagte der Kardinal in einem kurz vor Weihnachten veröffentlichten Interview mit dem Pressedienst Eglises d''Asie. Eine solche Untersuchung würde die Mehrheit der Singhalesen als „Kampagne ... christlicher Länder gegen Sri Lanka“ empfinden.
Und als Oberhaupt einer religiösen Minderheit fügte er hinzu: „Wir katholischen Sri Lankaner müssen mit den Buddhisten zusammenleben und dürfen nicht riskieren, von ihnen als Verräter behandelt zu werden.“ Andererseits, so Ranjith, sei das Leid der Tamilen Realität. „Wir alle wissen, dass eine Autonomie die institutionelle Lösung ist, die wir anstreben sollten.“ Es sei aber weder Sache der internationalen Gemeinschaft noch der Sri Lankaner in der Diaspora, „uns unsere Zukunft zu diktieren“.
Erwartungen an Papst Franziskus
Ob Journalisten, Bürgerrechtler oder katholische Priester. Wer sich für die Rechte der Tamilen einsetzt, wird bedroht, angeklagt oder verschwindet gar spurlos. So Pastor Thiruchchelvam Nihal Jim Brown im Jahr 2006. In den Jahren darauf wurden die tamilischen Priester Nicholas Pillai Pakiaranjith und Mariampillai Xavier Karunaratnam umgebracht, der Koordinator der Jesuiten-Flüchtlingshilfe in Mannar und der kirchliche Gründer eines Menschenrechtsbüros.
Fernando hofft, dass Papst Franziskus in Sri Lanka das Schicksal der verschwundenen und ermordeten Menschenrechtler ansprechen wird. Der Prozess der Heiligsprechung des ceylonesischen Märtyrers Joseph Vaz (1651–1711), so Fernando, biete die „Gelegenheit zur Reflexion über die katholischen Märtyrer im Sri Lanka unserer Tage“.
Von Michael Lenz (KNA)