
Kirchliche Organisationen: „Kein Frieden ohne Klimagerechtigkeit“
Brüssel ‐ Weltweit nehmen Konflikte zu – teils vor dem Hintergrund knapperer natürlicher Ressourcen. Aus Sicht von Entwicklungsorganisationen hat Klimaschutz deshalb auch eine sicherheitspolitische Dimension.
Aktualisiert: 10.09.2025
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Im Vorfeld der Klimakonferenz COP30 in Brasilien haben katholische Entwicklungsorganisationen vor wachsenden Konflikten gewarnt, wenn reiche Länder zu wenig gegen die Folgen des Klimawandels unternähmen. Es könne „keinen echten Frieden ohne Klimagerechtigkeit“ geben und keine Klimagerechtigkeit ohne Frieden, erklärten die Spitzen der Verbände CIDSE und Caritas Internationalis sowie Pax Christi International am Dienstag bei der Vorstellung einer gemeinsamen Stellungnahme mit dem Titel Pilger der Hoffnung auf eine gerechte und friedliche Welt. Die UN-Klimakonferenz COP30 tagt vom 10. bis 21. November in Belém im Amazonasgebiet.
Die Klimakrise treibe schon jetzt Konflikte um Land, Wasser, Mineralien und andere lebenswichtige Güter an, sagte der Generalsekretär von Caritas Internationalis, Alistair Dutton. Die Geschichte lehre, dass so ein Wettbewerb oft Kriege anheize. Politische Führer müssten anerkennen, dass Klimahandeln entscheidend sei für den Weltfrieden.
Die Theologin Birgit Weiler sagte, es seien die Ärmsten, die zuerst und am meisten unter dem Klimawandel litten. Zunehmende Extremwetterereignisse und sich verändernde Wettermuster würden dieses Leiden nur verschlimmern und Konflikte verschärfen. „Die Wurzeln der globalen Sicherheitskrise und der Klimakrise sind die gleichen, und das gilt auch für die Lösungen“, so die deutsche Ordensfrau, die an der Jesuitenuniversität Lima in Peru lehrt. Nötig sei eine „ökologische Transformation“ und neue Beziehungen zwischen Menschen, Nationen und mit der Natur.
Der Erzbischof von Porto Alegre und Vorsitzende des lateinamerikanischen Bischofsrats CELAM, Kardinal Jaime Spengler, erklärte vorab, die Klimakrise sei eine Aufforderung an alle, Verantwortung für die Schöpfung zu übernehmen. „Die Schöpfung ist ein Werk Gottes und besitzt eine inhärente Würde. Angesichts dieses Leids dürfen wir nicht schweigen. Wir müssen mutig sein und unsere Stimme für einen gerechten Frieden erheben, der auf dem gemeinsamen Schutz der Umwelt beruht“, so Spengler.
Das Communiqué im Volltext
Rom, Brüssel,
September 2025
Als Vertreter globaler katholischer Netzwerke, die sich für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung einsetzen, vereinen wir unsere Stimmen im Vorfeld der COP30 in Belém, Brasilien, um eine einfache, aber dringliche Wahrheit zu bekräftigen: Es kann keinen wahren Frieden ohne Klimagerechtigkeit geben – und keine Klimagerechtigkeit ohne Frieden.
Die verflochtenen Krisen des ökologischen Zusammenbruchs, einer sich fragmentierten Weltordnung und unerbittlicher, extremer Armut sind keine isolierten Probleme – es sind miteinander verwobene Fäden einer gemeinsamen globalen Bedrohung. Wir stehen nicht nur vor einer Treibhausgaskrise, einem Zusammentreffen von Grenzkonflikten und regionalen Armutsspiralen. Wir stehen vor einem Zusammentreffen von massivem Leid in der Gegenwart und der Gefahr künftiger Schäden, die durch ein politisches und wirtschaftliches System aufrechterhalten werden, das völlig aus den Fugen zu geraten droht. Die aktuelle Situation ist die Folge einer kollektiven Weigerung, an zukünftige Generationen zu denken (LS 159), von Gier (LS 9) und Kurzsichtigkeit (LS 32) – und kann nur durch „eine neue universale Solidarität“ (LS 14) überwunden werden. Ohne schnelles, entschlossenes Handeln werden sich die miteinander verflochtenen Krisen, mit denen der Planet konfrontiert ist, dauerhaft fortsetzen und könnten ihn, sofern kein Kurswechsel erfolgt, in seine dunkelste Stunde führen.
Der Klimawandel verschärft bereits jetzt Konflikte weltweit, und dieser gefährliche Trend wird sich voraussichtlich mit dem weiteren Anstieg der globalen Temperaturen noch verstärken. Die zunehmende Häufigkeit und Schwere extremer Ereignisse sowie die schwankende Verfügbarkeit von Ressourcen und die Unbewohnbarkeit von Land werden zu massiver Vertreibung führen. Dies wiederum birgt die Gefahr, gefährdete Regionen weiter zu destabilisieren und bestehende Spannungen zu verschärfen. Klimaschutz ist daher nicht nur ein ökologisches Gebot, sondern auch ein wichtiger Bestandteil der globalen Friedenssicherung.
Die sich überschneidenden Krisen, ausgelöst durch Klimawandel und globale Sicherheit, sind nicht nur miteinander verknüpft, sondern sind auch das Ergebnis derselben Kurzsichtigkeit, Unmoral und fehlerhaften Logik. Jahrzehntelang wurde das Streben nach Profit über den Menschen gestellt, was dazu geführt hat, dass die Macht in den Händen jener liegt, die von Zerstörung und Spaltung profitieren. Die fossile Energie-, die Rüstungs- und die Finanzindustrie haben – getrieben von enormen Gewinninteressen –einen übermäßigen Einfluss auf die Politik ausgeübt sowie demokratische Prozesse und Bemühungen um Klimagerechtigkeit und friedliche Lösungen behindert. Diese Industrien florieren durch Instabilität, Ungleichheit, unerbittliche Ausbeutung und oligarchische Günstlingswirtschaft und hinterlassen verbrannte Erde, gespaltene Gemeinschaften und eine verwundete Welt.
Heute stehen wir vor gemeinsamen Herausforderungen, die eine gemeinsame Wurzel haben: ein globales System, das zunehmend von kurzfristigen politischen Interessen und Machtkonzentration geprägt wird. Die Entscheidungsfindung wird von wenigen Nationen und privaten Akteuren dominiert, fernab der von Konflikten und Klimawandel am stärksten betroffenen Gemeinschaften. Die Gründungsvision des Nachkriegsmultilateralismus, in der jedes Land, ob groß oder klein, eine Stimme bei der Schaffung von Frieden und Fortschritt hatte, wird ignoriert. Wahrer Multilateralismus beruht jedoch, wie die Natur selbst, auf Gleichgewicht: So wie jede Art ihre Rolle im Ökosystem spielt, hat jede Nation den gleichen Wert und die gleiche Stimme in der globalen Ordnung. Der Übergang zu einer „multipolaren“ Welt, in der das „Recht des Stärkeren“ herrscht, bedroht nicht nur die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft, sondern auch unsere kollektive Fähigkeit, die Klimakrise zu bewältigen. Multilateralismus verlangt mächtigen Nationen viel ab; vor allem den Mut, zugunsten des Gemeinwohls Macht abzugeben.
Doch gerade weil diese Krisen auf derselben Logik beruhen, können sie durch gemeinsame Werte überwunden werden. Der Weg nach vorn muss auf der Solidarität der Völker, Unserem gemeinsamen Haus als Gemeingut sowie dem Subsidiaritätsprinzip basieren – also sicherstellen, dass Entscheidungen so nah wie möglich an den am stärksten Betroffenen getroffen werden. Vor allem aber müssen wir die Option für die Armen in den Mittelpunkt stellen – die Verwundbarsten also zuerst zu unterstützen und sie zugleich befähigen, ihr Leben selbst in die Hand zu übernehmen.
Diese Werte in Handeln zu übersetzen bedeutet, unsere globalen Systeme neu zu denken, internationale Finanzinstitutionen zu reformieren, Subventionen für fossile Brennstoffe abzuschaffen und bei Klimaschutz- und Friedensstrategien jene zu priorisieren, die von lokalen Gemeinschaften angeführt werden. Es bedeutet auch, indigenes Wissen und ihr Recht auf ein Leben im Einklang mit der Erde anzuerkennen, Schuldengerechtigkeit zu fördern, exorbitante Militärausgaben zu reduzieren und eine inklusive Mitbestimmung in Entscheidungsprozessen sicherzustellen – von den Vereinten Nationen bis zu den lokalen Räten. Der moralische Auftrag ist eindeutig und die notwendigen Werkzeuge sind in Reichweite. Diese zeitlosen Prinzipien der katholischen Soziallehre bieten nicht nur moralische Klarheit, sondern auch eine praktische Anleitung für den Aufbau einer friedlichen und nachhaltigen Welt.
Papst Leo XIV. erinnert uns daran, dass Gewaltfreiheit – sowohl als Methode wie auch als Haltung – die Grundlage für die Bewältigung der Herausforderungen unserer Zeit bildet. Aus dieser Perspektive wird aktive Gewaltlosigkeit zu einer kraftvollen Antwort auf die Krisen, mit denen wir konfrontiert sind. Gemeinschaften, die sich friedlich gegen Abholzung wehren, gegen extraktive Industrien eintreten und für nachhaltige Entwicklung engagieren, tun dies mit gewaltfreien Mitteln: durch Organisation, juristische Schritte und internationale Solidarität. Diese Bemühungen, verwurzelt in Gerechtigkeit und der Achtung der Menschenwürde, sind wesentlich für die notwendige Transformation. Wir beten, dass unsere politischen Entscheidungsträger diesen Geist der Gewaltfreiheit in ihren Beratungen beherzigen, sich an die Schrecken des Krieges erinnern und erneut versuchen, das gewaltlose Streben nach Frieden in den Mittelpunkt ihres diplomatischen Engagements zu stellen, im Bewusstsein, dass die Zukunft des Planeten davon abhängt.
Heute erheben wir unsere Stimmen, um uns Papst Leo, anderen Religionsführern und allen Menschen guten Willens anzuschließen, die dazu aufrufen, den Weg in den Krieg zu stoppen, umzukehren, unsere Leidenschaft für den Frieden neu zu entfachen und wieder daran zu glauben, dass eine friedliche Welt möglich ist; eine grüne Welt möglich ist; eine bessere Welt möglich ist.
Alistair Dutton, Caritas Internationalis
Josianne Gauthier, CIDSE
Martha Ines Romero, Pax Christi International
(Arbeitsübersetzung, dr/weltkirche.de)
KNA
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