Kirchen blicken kritisch auf Rüstungspolitik der Bundesregierung
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Heiße Eisen und dunkle Flecken

Kirchen blicken kritisch auf Rüstungspolitik der Bundesregierung

Berlin  ‐ Zum Ende des Jahres legen die beiden großen Kirchen den GKKE-Rüstungsexportbericht vor. Er informiert über die jüngsten verfügbaren Zahlen – und bezieht kritisch Stellung zu aktuellen Diskussionen.

Erstellt: 19.12.2024
Aktualisiert: 20.12.2024
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Von Joachim Heinz (KNA)

Am Mittwoch haben die beiden großen Kirchen in Berlin ihren alljährlichen Rüstungsexportbericht vorgestellt. Ein Schwerpunkt liegt diesmal auf der Debatte um Waffengeschäfte mit Israel und dem Ruf nach mehr Transparenz in der deutschen Rüstungspolitik. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) beantwortet einige Fragen rund um das Thema.

Was haben die beiden Kirchen mit Waffenexporten zu schaffen?

Auf diese Frage lassen sich verschiedene Antworten geben. In den Krisen- und Kriegsgebieten dieser Welt leidet die Zivilbevölkerung regelmäßig unter dem Einsatz von Waffen. Während die Ausgaben für Militär zuletzt hochgefahren wurden, sinken sie im Bereich der humanitären Hilfe.

Mit ihrem jährlich vorgelegten Rüstungsexportbericht sorgt die Gemeinsame Konferenz für Kirche und Entwicklung GKKE aber auch für mehr Klarheit in der deutschen Rüstungspolitik. Das ist umso wichtiger, als die inzwischen zerbrochene Ampel-Koalition mit dem Versprechen angetreten war, mehr Transparenz in diesem Bereich zu schaffen, diesem Anspruch aber kaum gerecht wurde.

Die Vorgängerkoalition aus Union und SPD hatte ihren jährlichen Rüstungsexportbericht immerhin noch vor der parlamentarischen Sommerpause des Folgejahres vorgelegt, wie Max Mutschler vom Internationalen Zentrum für Konfliktforschung Bonn erläutert. „Dahinter ist die Ampel in allen drei Jahren ihrer Regierungszeit klar zurückgefallen.“ Der Rüstungsexportbericht für 2022 wurde erst im Dezember 2023 veröffentlicht; und der Rüstungsexportbericht für das Jahr 2023 kam erst am Mittwoch in das Kabinett.

Wie lassen sich die verfügbaren Zahlen einordnen?

Zwischen Januar und September 2024 erteilte die Bundesregierung Einzelausfuhrgenehmigungen in einer Gesamthöhe von rund 11 Milliarden Euro. Im gesamten Vorjahr war der bisherige Höchstwert von 12,18 Milliarden Euro erreicht worden. Neben diesen Einzelgenehmigungen gibt es auch noch die sogenannten Sammelausfuhrgenehmigungen. Diese beziehen sich zumeist auf Rüstungskooperationen zwischen Nato- oder EU-Staaten.

Wichtig ist: Ausfuhrgenehmigungen entsprechen nicht den tatsächlichen Ausfuhren, sondern beziehen sich auf Rüstungsexporte in der Zukunft. Sie gelten gleichwohl als wichtiger Gradmesser für den Kurs in der Rüstungspolitik.

Was genau fordern die Kirchen mit Blick auf Rüstungsdeals mit Israel?

Der Terrorangriff der palästinensischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hat eine Eskalation im Nahostkonflikt ausgelöst. Deutschland sei für Israel ein wichtiger Rüstungspartner, besonders bei Schiffen und U-Booten, die Israels Verteidigungsfähigkeit stärkten, halten die Autoren des Rüstungsexportberichtes der beiden Kirchen fest. Zugleich stellen sie fest: „Die israelische Kriegsführung, die sehr viele zivile Opfer fordert, löste eine Debatte über die Verantwortung und die Rechtmäßigkeit dieser Lieferungen aus.“

Der katholische GKKE-Vorsitzende Karl Jüsten unterstrich bei der Vorstellung des Berichts die besondere Verantwortung Deutschlands für Israels Sicherheit und dessen Recht auf Selbstverteidigung. Er betonte jedoch, dass auch Israel sich an das humanitäre Völkerrecht halten müsse.

Konkret fordert die GKKE die Bundesregierung auf, „keine Rüstungsexporte nach Israel zu genehmigen, wenn ein hinreichender Verdacht besteht, dass die Rüstungsgüter zu schweren Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht benutzt werden“. Rüstungsgüter wie zum Beispiel Panzermunition dürften nicht nach Israel ausgeführt werden, solange die israelische Regierung der Sicherheit der Zivilbevölkerung in Gaza keine signifikant höhere Priorität einräume.

Welche Waffengeschäfte stehen sonst noch in der Kritik?

Für Kritik sorgen regelmäßig Geschäfte mit problematischen Drittstaaten außerhalb von Nato und EU. Im laufenden Jahr gehören dazu Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar, alles Staaten, die auf der arabischen Halbinsel liegen.

Als problematisch stufen Beobachter auch Waffengeschäfte mit der Türkei ein. Wie aus einer vor wenigen Tagen bekanntgewordenen Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen (BSW) hervorgeht, erteilte die Bundesregierung bis zum Stichtag 3. Dezember Einzelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter für die Türkei im Gesamtwert von fast 231 Millionen Euro. „Angesichts der andauernden völkerrechtswidrigen Angriffe Ankaras gegen die Nachbarn Irak und Syrien sind die extremen Waffenexporte von SPD und Grünen ein fatales Signal“, so Dagdelen.

Wie läuft es auf EU-Ebene?

Die EU-Kommission hat unlängst ihre neue europäische Verteidigungsstrategie und das dazugehörige europäische Verteidigungsprogramm veröffentlicht. Beides zielt laut Einschätzung der beiden Kirchen auf mehr Kooperation zwischen der Forschung und Entwicklung, der Produktion und der Beschaffung europäischer Rüstungsgüter. Die GKKE kritisiert, dass seit der „Zeitenwende“ infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine das Augenmerk der EU-Kommission und der Mitgliedsstaaten auf einer gemeinschaftlichen Verteidigungs- und Rüstungsindustriepolitik liege, ohne dass mit vergleichbarer Energie eine EU-Rüstungsexportverordnung auf den Weg gebracht werde.

Der Rüstungsindustrie gelinge es sehr effektiv, Einfluss auf EU-Politik und auf nationalstaatliche Politik zu nehmen. Dies könnte zu stärkerem Druck auf die Bundesregierung führen, Rüstungsgüter aus europäischen Gemeinschaftsproduktionen auch in problematische Drittstaaten zu exportieren, warnt die evangelische GKKE-Vorsitzende Anne Gidion. „Schon jetzt haben einige EU-Staaten ihre Bedenken im Blick auf Menschenrechtsverletzungen möglicher Empfängerstaaten zurückgestellt, um an Rüstungskooperationen teilzunehmen und die Interessen der heimischen Rüstungsindustrie zu wahren.“

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