Kirchen kritisieren deutsche Waffenexporte in den Jemen
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Rüstung

Kirchen kritisieren deutsche Waffenexporte in den Jemen

Die beiden großen Kirchen kritisieren massive Waffenexporte in die Golfregion. Der Krieg im Jemen werde auch mit deutschen Waffen geführt. Auch Rüstungsexporte an die Türkei und in den Irak sollten sofort gestoppt werden.

Erstellt: 18.12.2017
Aktualisiert: 03.05.2024
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„Der Krieg im Jemen wird auch mit deutschen Waffen geführt", sagt Martin Dutzmann. Bei saudischen Luftangriffen seien G-3-Sturmgewehre aus der Luft abgeworfen worden, um jemenitische Bodentruppen zu unterstützen, so der evangelische Vorsitzende der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE). Diese Gewehre seien mit einer deutschen Lizenz in Saudi-Arabien hergestellt worden. Dutzmann stellte am Montag in Berlin den Rüstungsexportbericht der beiden großen Kirchen vor. Dieser wird aus einer großen Menge an öffentlich verfügbaren Informationen erstellt und bewertet die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung aus Sicht der Friedens-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik.

Die Bewertung fällt in diesem Jahr vor allem im Blick auf die Golfregion nicht gut aus. Im Jemen herrscht seit 2014 ein Stellvertreterkrieg zwischen der Regierung, die vom US-Verbündeten Saudi-Arabien unterstützt wird, und den von Iran gestützten schiitischen Huthi-Rebellen. Millionen Menschen sind vom Hungertod bedroht. Nach dem GKKE-Exportbericht verschlimmern Waffenlieferungen aus Deutschland die humanitäre Lage im Land.

Zu den zwischen Januar 2014 und April 2017 genehmigten deutschen Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien im Wert von über eine Milliarde Euro gehörte auch die Lieferung von Patrouillenbooten, wie Dutzmann betonte. Mit den Booten blockierten die Saudis die Seehäfen des Jemen. „Der akuten, sich dramatisch ausweitenden Cholera-Epidemie sowie der Hungersnot konnte so noch weniger entgegengewirkt werden.“ Dutzmann nannte die Waffenexporte nach Saudi-Arabien schädlich für die Glaubwürdigkeit der deutschen Friedenspolitik. Ursachen von Flucht und Vertreibung würden in diesem Fall von der Bundesregierung nicht bekämpft, sondern mittelbar verschärft, kritisiert er. Laut GKKE hatten die 2016 erteilten Einzelgenehmigungen für die Ausfuhr deutscher Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien einen Umfang von rund 529,7 Millionen Euro.

Kirchen fordern Stopp von Waffenexporten an Türkei und in Irak

Dutzmanns katholischer Kollege Karl Jüsten forderte einen sofortigen Stopp sämtlicher Rüstungsausfuhren nach Saudi-Arabien. „Dazu gehört auch die Zulieferung von Komponenten an Dritte, welche diese in Waffensysteme integrieren und an Saudi-Arabien exportieren.“ Zu dieser von der GKKE regelmäßig wiederholten Forderung kam nun auch der Ruf nach einem Stopp deutscher Waffenlieferungen in die Türkei und in den Irak hinzu: Die Bundesregierung solle Anträge für Rüstungsexporte in die Türkei „bis auf weiteres“ ablehnen. „Bereits erteilte Ausfuhrgenehmigungen sollten widerrufen werden.“ Die GKKE begründet ihre Position mit den Folgen der „besorgniserregenden Entwicklungen der türkischen Politik“ nach dem gescheiterten Putschversuch im Sommer 2016.

Auch die Belieferung der kurdischen Peschmerga, die im Irak gegen den „Islamischen Staat“ kämpfen, lehnen die Kirchen ab. Dazu heißt es im GKKE-Bericht: „Was zuerst als Ausnahmesituation begründet wurde, entwickelte sich zunehmend – abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit in Deutschland – zur Routineangelegenheit, obwohl die kurdischen Peschmerga unmittelbar am Kriegsgeschehen teilnahmen.“ Bislang wurden unter anderem 30.000 Sturmgewehre und Pistolen geliefert. Die GKKE forderte darüber hinaus den Bundestag auf, das Mandat für die Ausbildung der Peschmerga durch die Bundeswehr nicht weiter zu verlängern.

Die GKKE

Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) wurde 1973 als ökumenischer Arbeitsverbund zur Entwicklungspolitik gegründet. Sie steht im Gespräch mit politischen Institutionen und gesellschaftlichen Interessengruppen und legt seit 1997 einen Rüstungsexportbericht vor, der dem öffentlichen Dialog dienen soll. Getragen wird die Konferenz von der katholischen Menschenrechts- und Entwicklungskommission Justitia et Pax und von Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst.

Die GKKE erstellt ihre Berichte seit 1997 und stellt im Rückblick auf die Große Koalition von 2013 bis 2017 „etwas Licht, aber leider auch viel Schatten“ fest: So sei die Transparenz erhöht worden, indem die Bundesregierung ihren Rüstungsexportbericht nun bereits im Sommer des Folgejahres veröffentlicht. Zudem würden inzwischen grundsätzlich keine Genehmigungen mehr für den Export von Komponenten und Technologien zur Herstellung von Fertigungsanlagen für Kleinwaffen an Drittstaaten erteilt.

Jedoch überwiegt aber auch im diesjährigen Bericht die Kritik. Für die Jahre 2015 und 2016 seien mit knapp 7,9 Milliarden Euro beziehungsweise 6,8 Milliarden Euro die höchsten Werte an Einzelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter in den letzten 20 Jahren erreicht worden, so Dutzmann. Mehr als die Hälfte aller Einzelausfuhrgenehmigungen gingen dabei an Drittstaaten, die weder der NATO noch der EU angehören. Bei den tatsächlichen Ausfuhren von Kriegswaffen sei der Drittstaatenanteil sogar bei über 90 Prozent gelegen. Die Kirchen rufen die Bundesregierung dazu auf, „sich an ihre selbstgesetzten Grundsätze zu halten und keine Kriegswaffen mehr an Drittstaaten zu liefern“.

Der Appell Dutzmanns an die – auch die künftige – Bundesregierung: Sie sollte ihre friedenspolitischen Leitlinien ernst nehmen und sich selbstkritisch mit möglichen eigenen Beiträgen zur Konfliktverschärfung, etwa durch ihre Rüstungsexportpolitik, auseinandersetzen. „Die derzeitige Genehmigungspraxis beschädigt die Glaubwürdigkeit der deutschen Friedenspolitik und damit auch deren Wirksamkeit erheblich.“

Deutschland liegt laut GKKE-Angaben mit einem Anteil von 5,6 Prozent wie im Vorjahr auf Platz fünf der wichtigsten Exporteure – nach den USA, Russland, China und Frankreich. Die fünf Staaten seien für 74 Prozent des weltweiten Handels mit Großwaffen verantwortlich. Die wichtigsten Abnehmer Deutschlands sind demnach Südkorea (13 Prozent), Griechenland (12 Prozent) und die USA (9,7 Prozent). (mit Material von KNA)

Von Agathe Lukassek

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