Rüstungspolitik: sechs Fragen, sechs Antworten
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Rüstungspolitik: sechs Fragen, sechs Antworten

Das Drohnendebakel im Verteidigungsministerium sorgt in der Sommerpause und im Bundestagswahlkampf für Schlagzeilen. Doch Rüstungspolitik ist mehr als der Euro Hawk. Kirchen und Menschenrechtler prangern vor allem Waffenexporte in Krisenregionen an. Informationen und Hintergründe zu einem sensiblen Bereich:

Erstellt: 12.08.2013
Aktualisiert: 14.02.2023
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Das Drohnendebakel im Verteidigungsministerium sorgt in der Sommerpause und im Bundestagswahlkampf für Schlagzeilen. Doch Rüstungspolitik ist mehr als der Euro Hawk. Kirchen und Menschenrechtler prangern vor allem Waffenexporte in Krisenregionen an. Informationen und Hintergründe zu einem sensiblen Bereich:

Wie groß ist die deutsche Rüstungsindustrie?

Die jüngsten Zahlen stammen aus dem Jahr 2011. Damals waren bundesweit 100.000 Menschen direkt in der Rüstungsindustrie beschäftigt, weitere 120.000 in Zulieferbetrieben. Die „Wertschöpfung“ betrug laut Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) 21,3 Milliarden Euro. Die Zahl der deutschen Rüstungsfirmen lässt sich jedoch nur schwer ermitteln. Das im Internet zugängliche BDSV-Mitgliederverzeichnis listet 47 Unternehmen.

Wie viele Waffen werden aus Deutschland exportiert?

Aus Deutschland wurden 2011 Kriegswaffen im Wert von 1,285 Milliarden Euro ausgeführt (2010: 2,119 Milliarden). Zugleich erteilte die Bundesregierung Einzelausfuhrgenehmigungen teilweise auch für die kommenden Jahre im Wert von 5,414 Milliarden Euro (2010: 4,754 Milliarden) und Sammelausfuhrgenehmigungen im Wert von 5,38 Milliarden Euro (2010: 737,3 Millionen Euro). Den Anstieg bei letzteren begründete die Regierung mit Großprojekten wie dem Eurofighter. Laut schwedischem Friedensforschungsinstitut SIPRI liegt die Bundesrepublik damit nach den USA und Russland an dritter Stelle der Waffenexporteure.

Warum ist es so schwer, an Informationen zu kommen?

Die Geheimhaltung im Waffenhandel wird oft mit der Wahrung nationaler Sicherheitsinteressen begründet. Zudem fürchten viele Unternehmen Industriespionage. Auch ist das „Geschäft mit dem Tod“ unpopulär und die Produzenten scheuen den Weg in die Öffentlichkeit. Gleichzeitig gibt es in vielen Ländern enge Verbindungen zwischen Herstellern und politischen Entscheidungsträgern. Dies alles führt aus Sicht von Kritikern zu einer hohen Anfälligkeit für Intransparenz und Korruption. Die Bundesregierung gibt am Jahresende in ihrem Rüstungsexportbericht einen Überblick über die Vorjahresdaten. Die beiden großen Kirchen in Deutschland kommentieren die Zahlen anschließend in einem eigenen Bericht:

Rüstungsexportbericht der GKKE

In der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) arbeiten Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst und die Deutsche Kommission Justitia et Pax zusammen. In ihrem jährlich erscheinenden Rüstungsexportbericht stellen die beiden großen Kirchen Informationen über die deutschen Ausfuhren von Kriegswaffen und Rüstungsgütern zusammen und bewerten die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung aus Sicht der Friedens-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik.

Wie sind Rüstungsexporte gesetzlich geregelt?

Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen Kriegswaffen, etwa Panzern und Maschinengewehren, und sonstigen Rüstungsgütern wie Zielgeräten und Splitterschutzhelmen. In der Praxis ist der Übergang oft fließend.

Für Kriegswaffen gilt das Kriegswaffenkontrollgesetz, für Rüstungsgüter das Außenwirtschaftsgesetz und die Außenwirtschaftsverordnung. Laut Grundgesetz Artikel 26 muss die Bundesregierung Kriegswaffenexporte genehmigen. Entscheidungen über politisch brisante Ausfuhren fallen im Bundessicherheitsrat und orientieren sich an den genannten Bestimmungen, an den rechtlich nicht bindenden „Politischen Grundsätzen“ der Bundesregierung sowie an EU-Regelungen.

Was fordern die Parteien?

Die Informationsmöglichkeiten des Bundestags beschränken sich derzeit auf Große und Kleine Anfragen. Den Parlamentariern fehlt eine gesetzliche Grundlage, um etwa die Vorlage des Rüstungsexportberichts einzufordern oder an den Entscheidungen beteiligt zu werden. Die Union will am bestehenden Verfahren festhalten. FDP, SPD und Grüne fordern eine parlamentarische Beteiligung. Dazu wollen sie ein eigenes Gremium schaffen, dass die Exportpolitik der Bundesregierung kontrolliert. Die Linken wollen Rüstungsexporte verbieten. Einen zusätzlichen Ansatz präsentieren die Grünen. Sie plädieren für eine Möglichkeit, Exportgenehmigungen vor Gericht zu bringen.

Wo liegen die Schwierigkeiten eines parlamentarischen Kontrollgremiums?

Experten räumen einem Kontrollgremium gute Chancen ein, geben zugleich aber zu bedenken, dass noch viele Details zu klären sind: Soll das Gremium vor oder nach den Entscheidungen über Ausfuhrgenehmigungen informiert werden? Wer trifft die Auswahl der zu behandelnden Vorgänge? Wie lässt sich eine ausgewogene und fachlich kompetente Besetzung sicherstellen?

Von Joachim Heinz