Loss and Damage in Informal Urban Settlements Study Report
Neue Studie veröffentlicht

Misereor: Klimakrise trifft Arme in Städten besonders hart

Aachen/Bonn ‐ Sie haben kaum etwas, und das wird ihnen noch genommen: Menschen in informellen Siedlungen sind klimabedingten Katastrophen laut einer Studie besonders schutzlos ausgeliefert. Und die Bewohnerzahl dieser Siedlungen wird nicht geringer.

Erstellt: 13.10.2024
Aktualisiert: 10.10.2024
Lesedauer: 

Die Klimakrise und damit einhergehende Wetterextreme bedrohen arme Menschen in Städten in besonderem Maße. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie zu klimabedingten Verlusten und Schäden (Englisch: Loss and Damage) von Misereor und dem Institut für Umwelt und menschliche Sicherheit der UN-Universität (UNU-EHS). Anlässlich des „UN-Tages zur Verringerung des Katastrophenrisikos“ am 13. Oktober fordert das katholische Hilfswerk Misereor daher mehr Unterstützung für die Menschen in diesen informellen Siedlungen. Die Studie empfiehlt Maßnahmen zur Vermeidung, Eindämmung und zum Umgang mit Klimaschäden in diesen Stadtvierteln.

Menschen in Städten des Globalen Südens in Sorge

„Die Lebensgrundlagen von Menschen, die in informellen Siedlungen leben, oft auch abwertend ‚Slums‘ genannt, sind zunehmend gefährdet“, warnt Kai Klause, Experte für städtische Entwicklung bei Misereor. „Die Menschen, die dort leben, befinden sich ohnehin in einer extrem heiklen Situation. Häufig mangelt es an grundlegender Versorgung: an Leitungswasser, verlässlichem Strom, eigenen Toiletten mit Spülung oder Gesundheitseinrichtungen.“ Dadurch seien sie enorm verwundbar und könnten Wetterextreme und Klimaveränderungen kaum bewältigen.

Die neue Studie dokumentiert am Beispiel von informellen Vororten der Städte Jakarta (Indonesien), Nairobi (Kenia) und São Paulo (Brasilien), dass informelle Siedlungen besonders stark von Klimaschäden betroffen sind. Dazu zählen die zunehmende Anzahl und Intensität von Überschwemmungen, Erdrutschen, Stürmen und Hitzewellen. Als Beispiele schauten sich die Forschenden dabei insbesondere Jardim Pantanal (Brasilien), Kibera (Kenia) und Kalibaru (Indonesien) an.

Misereor-Partnerorganisationen aus betroffenen Regionen äußern sich besorgt über die Wohnverhältnisse in den informellen Siedlungen, so Klause: „Die Menschen wünschen sich lebenswerte und krisenfeste Städte. Stattdessen ist die Angst vor neuen Wetterextremen immer präsent, wie Partner*innen aus Nairobi mit Blick auf die diesjährigen Überflutungen berichten.“

Städte krisenfest machen

Aktuell leben weltweit 1,1 Milliarden Menschen in sogenannten informellen Siedlungen. Das bedeutet, die Einwohnerschaft verfügt oft über keine Eintragungen im Grundbuch und die Siedlung entstand meist ohne zentrale staatliche Planung. Dadurch gibt es häufig kaum oder keine staatliche Infrastruktur. Grund für die Besiedlung ist oftmals, dass es an einer ausreichenden Zahl formeller bezahlbarer Wohnmöglichkeiten oder Grundstücke fehlt und Menschen deshalb aus der Not heraus in informelle Siedlungen gedrängt werden.

Laut Prognosen werden in die informellen Siedlungen in den nächsten 30 Jahren noch einmal zwei Milliarden Menschen dazukommen, die meisten auf den asiatischen und afrikanischen Kontinenten. Die zunehmende Verstädterung und wachsende Klimakrise erfordern unmittelbares politisches Handeln von städtischer bis internationaler Ebene, empfiehlt Simone Sandholz, Studienleiterin der UNU-EHS. „Die Studie zeigt, dass informelle Siedlungen nach Katastrophen häufig bei der Verteilung von Hilfsgütern und beim Wiederaufbau zu wenig berücksichtigt werden. Das erhöht ihre Anfälligkeit für künftige Katastrophen – ein Teufelskreis. Gleichzeitig hat die Studie in allen drei Städten gezeigt, dass die Verknüpfung bereits etablierter lokaler Maßnahmen, auch durch die betroffenen Menschen selbst, mit staatlich gesteuerten Initiativen zur Risikominderung sehr wirkungsvoll sein kann.“

Addis Abeba/Äthiopien
Bild: © BasilioV/stock.adobe.com

Siedlung in Addis Abeba/Äthiopien

Bestehende Finanzmittel für die Bewältigung klimabedingter Verluste und Schäden decken bei Weitem nicht den Bedarf, heißt es in der Studie. Im Rahmen der internationalen UN-Klimakonferenzen wird derzeit diskutiert, wie ein bereits beschlossener Fonds Regierungen und betroffene Gemeinschaften in der Zukunft beim Umgang mit Klimaschäden besser unterstützen kann. „Entscheidend ist, dass die Unterstützung die verwundbarsten Menschen in den informellen Siedlungen effektiv erreicht“, so Klause. „Das erfordert die Behebung der strukturellen Schwachstellen, die zu der hohen Verwundbarkeit der Menschen führen. Hierzu zählt, dass sie ihr Recht auf angemessenen Wohnraum wahrnehmen können und den uneingeschränkten Zugang zu Land- und Wohnrechten, sozialen Sicherungssysteme sowie städtischer Infrastruktur erhalten. Zudem zeigt die Studie, wie wichtig das politische Mitspracherecht der betroffenen Stadtbewohner*innen ist – auch bei Klimafragen“.

Abschließend gibt die Misereor-Studie zwanzig Empfehlungen, um nicht nur die Vulnerabilität zu verringern, sondern auch die Wiedergutmachung auf unterschiedlichen Ebenen anzugehen. Dabei weist die Autorenschaft darauf hin, dass alle Handlungen dabei möglichst ineinander greifen sollen.

Mehr zum Thema