Renovabis mahnt: Wohlstand nicht auf Kosten von Menschen aus Osteuropa sichern
Freising ‐ Anlässlich des Internationalen Tags der Menschenrechte richtet das Hilfswerk Renovabis einen Appell an Politik und Gesellschaft: Der Wohlstand in Deutschland dürfe nicht auf rechtlichen Grauzonen, prekären Arbeitsverhältnissen und Ausbeutung von Menschen aus Osteuropa fußen.
Aktualisiert: 10.12.2025
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Das katholische Osteuropa-Hilfswerk Renovabis mahnt, den wirtschaftlichen Wohlstand in Deutschland nicht auf Kosten von Menschen aus Osteuropa zu sichern. Anlässlich des Internationalen Tags der Menschenrechte am 10. Dezember warnte der Hauptgeschäftsführer Thomas Schwartz laut einer Renovabis-Mitteilung vor „Gleichgültigkeit und Desinteresse gegenüber den Menschen, die unser Land am Laufen halten“.
Es sei besorgniserregend, dass in verschiedenen Branchen Standards akzeptiert würden, die für deutsche Arbeitnehmer undenkbar wären. „Viele Dienstleistungen sind nur verfügbar, weil Menschen – sehr viele von ihnen aus dem Osten Europas – nicht denselben Schutz genießen wie wir“, so Schwartz. Wir müssten uns ehrlich fragen, ob wir unserer ethischen Verantwortung gerecht würden, wenn wir diese in Anspruch nehmen.
„Eine zugelassene Parallelwelt“
Auf einer Renovabis-Veranstaltung hatte der Menschenhandels-Experte Peter Kossen kürzlich auf konkrete Missstände in den Bereichen Fleischindustrie und Logistik hingewiesen. Kossen, leitender Pfarrer der Kirchengemeinde Seliger Niels Stensen mit Sitz im münsterländischen Lengerich und langjähriger Kenner der Arbeitssituation in den großen Schlachthöfen der Region, kritisierte, Deutschland sei zwar stolz auf seinen Rechtsstaat, dulde für Arbeitsmigranten aber faktisch Sonderzonen: „Vieles findet in einem Graubereich statt, in einer Parallelwelt.“
Das sei nicht zufällig entstanden, sondern politisch zugelassen worden, betont Kossen. Menschen mit Migrationshintergrund würden gezielt dort eingesetzt, wo Arbeit gefährlich, schwer und unbeliebt sei. „Dafür erhalten sie Niedrigstlöhne und zahlen Wuchermieten. Wir verschleißen Menschen, statt sie zu schützen“, ist das Fazit des Sozialpfarrers.
Renovabis sieht auch in anderen Bereichen Handlungsbedarf, beispielsweise in der häuslichen Pflege. Dort finde die Versorgung pflegebedürftiger Menschen durch sogenannte „24-Stunden-Kräfte“ oft in einem rechtlichen Unschärfebereich statt, heißt es. Hunderttausende Osteuropäerinnen leisteten hier Unverzichtbares, doch ihre ständige Verfügbarkeit sei mit dem regulärem Arbeitsrecht nicht vereinbar. „Wir brauchen hier ehrliche, legale Modelle statt eines stillschweigenden Arrangements mit der Grauzone“, fordert Hauptgeschäftsführer Schwartz.
Menschenhandel – auch in Deutschland
Mit großer Sorge blickt das Hilfswerk auch auf den Bereich der sexuellen Ausbeutung. Hier seien Frauen aus Armutsregionen besonderen Gefahren ausgesetzt. Héma Sibi, Direktorin von CAP International, widersprach dabei kürzlich auf einer Fachtagung in Berlin dem verbreiteten Narrativ der Freiwilligkeit. Man spreche bei Prostitution oft von einer ‚freien Wahl‘, so die Expertin. Doch ein systemischer Blick auf die Menschen in der Prostitution zeige: „Wir sehen, dass es genau jene Frauen sind, die in unseren Gesellschaften am wenigsten eine Wahl haben.“ Sibi verwies darauf, dass in Deutschland über 80 Prozent der Frauen in der Prostitution Migrantinnen seien – das System beute somit gezielt die am stärksten diskriminierten Gruppen aus.
Im Bereich der Prostitution plädiert Renovabis daher für einen Perspektivwechsel hin zum „Nordischen Modell“, um die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen einzudämmen und Betroffenen echte Ausstiegsmöglichkeiten zu bieten. Bei diesem Modell wird der Sexkäufer bestraft, nicht jedoch die oder der Prostituierte. Das Osteuropa-Hilfswerk Renovabis ruft daher den Gesetzgeber dazu auf, rechtliche „Parallelwelten“ aufzulösen. Dies gelte für die Kontrollen in der Fleischindustrie ebenso wie für die rechtliche Absicherung von Pflegekräften.
Der Tag der Menschenrechte erinnert jedes Jahr an die Verabschiedung der Resolution 217 A (III) mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die UN-Generalversammlung am 10. Dezember 1948 – und daran, dass viele dieser Rechte bis heute und weltweit verletzt werden.
weltkirche.de
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